Rundschau.
Stuttgart, 1. Mai. (Hceres-Ergänzung.) lieber die Ergebnisse des Heeres-ErgänzungS- geschäftes im Bezirk des 13. (Königlich Württ.) Armcecorps für das Jahr 1890 werden dem St.-A. folgende Notizen mitge- lcilt: Die Zahl der Militärpflichtigen betrug — abzüglich von anderwärts gestellungspflichtig gewordenen rc. 23,519 Mann — 30,676 Mann. Hievon wurde» ausgehoben 7887 Mann; freiwillig eingetretcn sind 270; der Eesatzreseive wurden überwiesen 4006; dem Landsturm ersten Aufgebots 2880; zurückgestellt sind worden 13,642; wegen moralischer Unbrauchbarkeit wurden vom Dienst im Heere und in der Marine ausgeschlossen 51; wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen sowohl zum Dienst mit der Waffe als auch zum Dienst ohne Waffen wurden dauernd untauglich befunden und ausgcmu- stert, d. h. vom Dienst im Heere und in der Marine befreit 1818; überzählig sind 8 Mann. Von den 7887 Ansgehobencn wurden 7749 zum Dienste mit der Waste und 138 zum Dienst ohne Waffe bestimmt, davon gehören 5151 zu den 20jährigen, 1512 zu den 21jährigen, 1174 zu den 22- jährigen und 20 zu den älteren Militärpflichtigen.
Von der Jagst, 27. April. Auf eine ganz eigenthümliche Weise hat sich ein verschmähter Freier an seiner Auserkorenen gerächt. Im Dorfe D. war dies Mißgeschick einem Jagdbeflissenen passiert und der Ab- gewiesene praktizierte nun in einen großen Käfig einen halbzahmen FuchS und zwei Hähne. Die Zwischenwand deS geräumigen Käfigs bildeten eiserne Stäbchen und NachlS um 12 Uhr wurde die Zierde über dem Kam- merfknster der spröden schönen, einer WirtS- tochtcr, sehr solide befestigt. Man kann sich denken, was für einen Lärm die in Todesängsten befindlichen Tiere samt dem Fuchse die Nacht vollführlen. Kein Mensch im Hause konnte schlafen, aber Niemand konnte in der Dunkelheit den Käsig wegbringen. Das Mädchen ging, um dem Gespötte zu entgehen, auf einige Zeit fort. Der Scha- bernacksbeflisfene ist aber wegen groben Unfugs angezeigt.
Göppingen, 30. April. Heute vormittag traut in der Korsettschließensabrik Wißner ein solider, braver Arbeiter, Vater von 6 Kindern, aus Versehen Salzsäure. An seinem Aufkommen wird gezwciselt. — Bei Schaufler u. Saft baden heute die Flaschner und Maler die Arbeit eingestellt; es arbeiten kaum noch 80 P-rsonen.
Nagold, 29. April. Gestern nachmittag kam ein Stromer von Schietingen her nach Haiterboch. Gleich im ersten Hause sprach er vor und begehrte Wasser, da er sehr Durst habe. Der allein im Hause anwesende erwachsene Sohn holte ihm solches in der Küche. Nachdem das Wasser getrunken war, bat der „arme Reisende" auch noch um Milch. Der Sohn begab sich wieder in die Küche, um dem Wunsch deS Stromers zu entsprechen. Nachdem der letztere die Milch verzehrt hatte, entfernte er sich und zwar gleich wieder in derselben Richtung, von welcher er hergekommen war, Schiclingen zu. Als spät-r der Sohn seine Taschenuhr von der Wand nehmen und anlcgen wollte, war sie verschwunden. Auch in Bcih- ingen ist dieser Tage unter ganz ähnlichen
Umständen von zwei Judustrierittern eine Taschenuhr gestohlen worden.
Frendenstadt, 30. April. In Witten- dorf brannten heute mittag zwei Wohn- und Oekrnomiegcbäuve ab. Der an Gebäuden und Mobiliar entstandene Schaden ist bedeutend. EntstehnngSursache deS Brandes ist bis jetzt'unbekannt und bereits Untersuchung eingcleitct.
Ellwangen, 30 April. Gestern fiel das 2- bis 3jährigc Knäbchen eines hiesigen Sattlers W. in einem unbewachten Augenblick in einen mit siedendem Wasser gefüllten Kübel. Heute erlag dasselbe den erhaltenen Verletzungen.
Rvttwcil, 29. April. In va,-.dalischer Weise hat in der verflossenen Nacht ein schändlicher Bube in der zurzeit in der Renovierung befindlichen GhmnasiumSkirche gehaust. Obwohl alle Thüren bei Nacht geschlossen waren, so tonnte sich der freche Bursche doch Eingang verschaffen, weil gegenwärtig die unter den Thüre» angebracht gewesenen Süinbänke ausgehoben sind und er so durch Wegstoßcn der innen angebrachten Prügel und Stangen sich den Eingang erzwingen konnte, worauf er die Gesimse an den neugeformlen Sockeln der Säulen abschlug und mittels eines in der Kirche von dem betr>stenden Zimmcrmann über Nacht zurückgelastcnen Beils und Stechbeutcls alle Zapfen einer neuen Wendeltreppe abstemmte, wodurch diese völlig unbrauchbar geworden und dem Accordanten ein nicht unbedeutender Schaden zugefügt worden ist. Nach der Art der Beschädigung muß der Thätcr ein Fachmann gewesen sein.
— lieber eine Säbelaffaire wird aus Mainz, 29. April, berichtet: Ein blutiges Renkontrc spielte sich gestern am späten Abend zwischen dem Sohn eines höheren Bahnbe- amten und zwei Offizieren ab. Ersterer soll mit Letzteren bereits vor einigen Tagen in Konflikt geraten sein, der unausgeglichen blieb. Als Herr H. die Schillcrstraße heraufkam, seien die Offiziere vom Kasino aus
— so wird der Vorfall geschildert — auf den H. zngesprungen und hätten mit ihren blanken Säbeln auf ihn loSgehauen. Hülfe- rufend sei H. davon gelaufen, die Offiziere immer hinterdrein und mit den Säbeln schlagend. Vor dem Zoppi'schen Restaurant auf der Insel sei H. zu Boden gestürzt, worauf die Offiziere sich entfernt hätten. Hinzukommende Leute nahmen sich nun des verletzten und stark blutenden H. an, brachten ihn zn einem in der Nähe wohnenden Arzt, der die erste Hülfe leistete; derselbe konstatirle außer den sonstige» Verletzungen eine Durchschneidnng der einen Armsehne, so daß der Arm event. steif bleiben wird. Der Verletzte wurde dann in das Spital gebracht und dem Gouvernement noch in der Nacht Mitteilung von dem Geschehenen gemacht. Auch durch Offiziere sei, so wird behauptet, alsbald Meldung erstattet worden.
— Auf der Insel waren heute Morgen noch große Blutlachen zu sehen. Der Vorfall bildet heute das Hauptihema des Stadt- gcspräches. — Der „Neuest. A»z." meldet noch, daß H. eine Forderung zum Duell, eine Folge deS ersten Konfliktes, abgelehnt habe und dies der Grund des Uebcrfalles gewesen sei. Mit welcher Wucht die Hiebe geführt wurden, geht daraus hervor, daß der Säbel des einen Osfiziers in Stücke ging, und der abgebrochene Teil der Klinge
in der Schillcrstraße gefunden wurde. Weiter hören wir noch, daß die erste Hülfe im Zoppi'schen Lokal geleistet wurde. Im Spital sind die Aerzle erst heute Morgen mit^dem Zunähen und Verbinden der Wunden fertig geworden, so vielfach und bedeutend sind die Verletzungen des jungen Mannes.
Weimar, 29. April. Der Kaiser und die Kaiserin sind um halb 2 Uhr hier ein- getroffen und wurden auf dem Bahnhof von den großh. Herrschaften empfangen. Das Kaiserpaar kehrt morgen abend von Eisenach zurück und verweilt bis Freitag in Berlin. Am Samstag erfolgt die Verlegung des Hoflagers in das Neue Palais nach Potsdam. Von dort dritt der Kaiser am Sonntag abend seine Rheinreise an. Der Großherzog von Baden verbleibt noch einige Tage in Berlin ; er besuchte heule das Mausoleum von Cbarlottcnbnrg.
Weimar, 30. April. Das Kaiserpaar, die großherzoglichcn und die erbgroßherzoglichen Herrschaften sind bei prächtigem Wetter eben nach der Wartburg gefahren. B i der Auffahrt nach dem Bahnhof wurden sie lebhaft von der zahlreichen Menge begrüßt.
Eisenach, 30. April. Das kaiserliche Paar, die großherzoglichen und erbgroßher- zoglichen Herrschaften trafen um halb 12 Uhr hier ein. Sie wurden von den Behörden und von Ehrcndamen mit Blumensträußen empfangen. Die Schulen, Vereine und Innungen bildeten Spalier. Unter Jubel- rufen und Glockengeläute fuhren die Gäste zur Wartburg. Kurz vor 4 Uhr kehrten die Kaiserlichen Majestäten hierher zurück und reisten um 4 Uhr nach Berlin.
Harskirchen, 27. April. Unter seltsamen Nedenumständen unternahm ein hiesiges Mädchen von 20 Jahren einen Selbstmord. Die Lebensüberdrüssige machte Toilett, zog sich frisch an, schloß sich in ihr Zimmer und legte sich, nachdem sie eine Schüssel mit Holzkohlen in Brand gesteckt hatte, mit einem Gesangbuch aufs Belt. Mit dem aufge- schlagenen Gesangbuch in der Hand hat man die Unglückliche tot im Bett vorgefunden.
— Bei Schleißheim unweit München ist am 30. April ein Waldbrand ausg -- krochen. Das Brandobjekt war, wie die M. N. N. mitlcilen, die Fröltmanninger Heide, etwa 200 Tagwerk groß, in der Nähe des Militärschicßplatzes; der Schaden ist unbedeutend. Der Wald war geschützt durch vorliegende Uecker. Am meisten Einhalt wurde dem Feuer durch Furchenziehen mit dem Pfluge geboten. Die Feuerwehren der benachbarten Orte» waren rasch zur Stelle.
— I» Olpe bei Siegen, wo kürzlich der alte Sparkassenrendant und Stadtrenlmeister Wilems gestorben ist, soll sich bei der jetzt erfolgten Übergabe der Sparkassenverwaltung an das V-rwaltungsmitglied Joseph Hundt scn. ein Fehlbetrag von 480,000 her- auSgestellt haben. Wilmcs hatte die Sparkasse seit 30 Jahren verwaltet. Die 480,000 Mark fehlen an den Effekten, für deren Aufbewahrungsort sich derselbe, wie es scheint, einen zweiten Schlüssel hatte anfertigen lassen.
— Aus Chattanooga (Dnnessee), 29. April, wird gemeldet: Heute früh 10 Ubr brach auf der hiesigen Station der Ost- Tenncssee-Virginia- und Georgia-Eisenbahn Feuer aus. Der Brand zerstörte das Gebäude, 100 Güterwagen und etwa 15 naheliegende Häuser. Bei Abgang dieser Meldung ist man des Feuers noch nicht