Mehrere Blätter in NvM melden die bevorstehende Verlobung des Kronprinzen von Italien mit der Prinzestin Elvira von Bayern. (Die Prinzestin Elvira ist die zweite Tochter des verstorbenen Prinzen Ad­albert (Bruder des Prinzregenten) und der Infantin Amalie. Ihre allere Schwester ist seil 1883 mit dem Prinzen Thomas, Herzog von Genua, vermählt.)

Vermischtes.

(Moderne Geißler in Sizilien.) Im September wird.alljährlich in einem Berg- städlchen bei Messina die Fcsta der Madonna del Catena gehalten. Hat ein Mann Sorgen, ist er krank oder verliebt, so gelobt er, ein, zwei, drei oder vier Jahre hintereinander die Pilgerfahrt zuunserer lieben Frau in Ketten" zu machen. Zu diesem Zwecke ent­kleidet er sich vollständig, bis ans ein Tuch um die Lenken, und macht sich ein Geißel­gerät aus einem Stück Sferzaholz, da« sehr markceich ist, zurecht. In dasselbe werden 40 bis 50 Nadeln gesteckt, die 3 bis 4 Mil­limeter aus dem Holze hervorstehen und mit denen er sich auf dem 2 bis 3 Kilometer weiten Wege bis zur Wallfahrtskirche die

Schultern, Brust und Beine blutig schlägt. Die Weiber reichen unterdessen den Männern Wein und Wasser und ein Priester führt mit einer Fahne die Prozession an. Die Männer, oft über 100 an der Zahl, bluten fürchterlich, so daß auch Todesfälle infolge der Geißelung vorgekommen. Die Weiber aber, welche Gelübde leisten, lecken mit ihre» Zungen den Weg von der Kirchenthür bis zum Hochaltar trotz aller Unsauberkeit. So geschehen im Jahre deS Heils 1890.

(Vom Regen in die Traufe.) Von Dresden nach Leipzig fahren mehrere Damen und Herren im Eisenbahncoupö. Das Ge­spräch kommt auf die Dresdener Oper und eine Dame äußert sich sehr abfällig über die Sängerin H.Sind sie nicht auch meiner Meinung?" fragt sie endlich einen Herrn au Ihrer Seite. Sehr kühl antwortete der­selbe :Wollen Sie das alles nicht lieber mit Fräulein H. selbst besprechen ? Sie sitzt Ihnen gerade gegenüber." Betroffen wen­det die Dame sich an Fräulein H. u. stam­melt einige verwirrte Entschuldigungen. End­lich glaubt sie eine gute Ausrede gefunden zu haben:Ich habe mich nur durch den Kritiker D. beeinflussen lassen. Ich glaube,

er ist eS, der immer gegen Sie schreibt. Er mnß ein sehr widerwärtiger Mensch sein, der alles herunterrcißl!" Lächelnd er­widert Fräulein H.:Könnten Sie das alles nicht lieber Herrn U. selbst sagen? Er sitzt neben Ihnen."

.'. (Schnell geholfen.) In Australien trat kürzlich ein bekannter englischer Schau­spieler als Macbeth auf. Für die Ermord- ungssceuc brauchte er wirkliches Blut, seine Hände damit zurölen, und derRequstteur" hatte den Auftrag bekommen, aus einer Schlächterei den Saft holen zu lassen. Im Drange der Geschäfte aber vergaß dieser bie Besorgung. Der bewußte Auftritt kam kein Blut war zur Stelle. Aber der Tra­göde ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Kurz entschlossen schlug er den Vergeßlichen mit der Faust unter die Nase, packte ihn mit der einen Hand beim Kragen und ließ über die andere daS Blut rieseln. Dann wuscheine Hand die andere," und seiner packenden Wirkung gewiß, trat der Künstler auf die Bühne.

^ ^ e r k ^

Eifersucht ist Liebe ohne Achtung.

Eine seltsame Geschichte.

Roman von C. Warnemann.

Nachdruck verboten.

4.

Laß dasBürger" weg unter unsl Et klingt mir so plebe jisch l Du bist ein Treuer, dazu ein tüchtiger Maler. DeS- moulinS hat eine schöne Geliebte, sie soll die Göttin der Freiheit und Vernunft vor­stellen, willst Du sic als solche malen? DeS- moulins muß mir überhaupt das Mädchen abtreten. Du kennst ja die Liebe!"

.Ich I"

Man sagt mir, daß Du seit sechs Wochen in Notre-Dame eine schöne Frau triffst; der Dom wird geschlossen werden; Richte Dich darauf ein! Die Göttin wirst Du also malen I"

Sie traten in'S Eafs, wo ein Chorus von Verehrern RobeSpierre bald umgab, so daß Lavellant sich unbemerkt fortschleichen konnte.

Am andern Tage erschien Danton wieder in Lavellant's Atelier. Er war in enge gelbe Hosen, Stulpenstiefel von Glanzlcder und in einem langen b'auen Frack mit Gold­knöpfen gekleidet. Die ganze Toilette, das krause Jabot, die durchsichtigen Manschetten verrieten peinliche Sorgfalt. Glückstrahlend trat-er ein und rief:

Guten Morgen, Lavellant!"

Guten Tag, Danton!"

Ich bin eben auf dem Wege zum Con­vent. Wir daben jetzt 47 Stimmen, noch einen oder ein paar Tage und wir schlage» gegen RobeSpierre los!"

Aber vorsichtig!"

Selbstverständlich, mein lieber Freund! Ich bin eigentlich gekommen, Dich um Verzeihung zu bitten, Lavellant!"

Der Maler verstand ihn sehr wohl, fragte aber ganz ruhig:

Wieso?"

»Ich hatte Dich im Verdacht mit dem Bilde der Sandou! Es ist richtig! Das erste Mal, die kleine Kröte ist sehr drollig, bc- suchte sie mich in Verkleidung! Nicht Vio­

lette, sonder» Athsnais ist jetzt die Parole! Ein göttlicher Weib ist sie, Deine Angebetete, wahrhaftig.

Ein Stich ging durch Eugens Herz, er bezwang sich aber wie ein alter Römer und fragte voll Ergebung:

War sie da? Ich glaubte, sie wäre längst fort."

Bewahre der Himmel! Aber so un­gern ich sie scheiden sehe, die Pässe hat sie mir doch abgeschmeichelt I"

Man hat ja ein Herz!" sagte Lavellant.

Danton lachte u. zeigte seine schönen Zähne. Eigentlich war ere in hübscher Mann, den man wohl leiden konnte, aber in gewissen Dingen war er sehr schwer zu überzeugen und hatte einen harten Kopf. Er lachte also herzlich :

Apropos! Weißt Du die Geschichte von dem tollen Volksgrafen schon?"

Von Mirabeau?"

Er ist tot!"

Nicht möglich!"

Gestern Abend ließ er sich Wein und Musikanten kommen. Macht mir Musik! besohl er und hauchte unter den Tönen der Saiteninstrumente seine Seele aus! Aber eine schöne Bescheerung hat Fouquier Tin- ville dort bei Mirabeau entdeckt l"

Nun?" frug Lavellant gespannt.

Ein Komplott, die Oesterreicherin Marie Antoinette zu befreien, war vollständig aus- gearbcitct I Klug, sehr klug I"

Lavellant stand starr.

Unmöglich I" stieß er dann hervor.

Und doch wahr I Die Wachen sind so­gleich verdoppelt-, der Oesterreicherin wird der Prozeß gemacht werden I Doch adieu, alter Freund I Gehst Du mit in den Con­vent ?"

Ich bin ja kein Deputierter," meinte Lavellant.Rede tapfer!"

Danton nickte stolz uad schritt davon.

Lavellant aber seufzte:

Mein Gott, mein Gott! Wie soll das für die unglückliche Gräfin Guiche enden I"

Er eilte schnell nach der Ruc d'Aubigno.

Retten Sie sich, Cecile!" Mit diesen Worten trat er bei der Gräfin ein und ifiel

leichenblaß in ein Fauteuil.Der Wohl­fahrtsausschuß hat Mirabeau's Papiere be­schlagnahmt Mirabcau ist tot!Eilen Sie, daß Sie über die Grenze kommen! Schreiben Sie mir von dort aus! Die K. ist verloren I

Das wollte Gott verhüten, mein Freund I" sagte die Gräfin entsetzt.

Man macht der (Königin morgen den Prozeß!"

O, großer Gott! Aber Sie habe» Recht! Seit heute früh sehe ich zwei verdächtige Ge­stalten das Haus umschleichen!

Sie rief ihre Zofe:

Juliette sogleich packen! In der Rue Carcassonne s103 finden Sie mich wieder, Freund I

Sic verschwand und Lavellant ging wie im Traume davon. Er wandte sich dem Couvent zu.

Mein Gott, was war das?Ueberull standen Nationalgarden mit geladenem Ge­wehr, und dort die Königin ein Bild der Erhabenheit im tiefsten Elend zwi­schen Wachen vor den Richtern I

Was war geschehen? Lavellant erkundigte sich. Danton hatte den Antrag zur Auflös­ung des Wohlfahrtsausschusses eingebracht, war aber von RobeSpierre in glänzender Rede niedergedonnert worden, die Königin aber in Anklagezustano versetzt worden. Es litt Lavellant im Convent nicht länger. Am Nachmittage aber suchte er das Cass auf, wo RobeSpierre im Vollgenuß seines Sieges jetzt zu Mittag speiste.

Ah, mein braver Lavellant I" Mit die­sen Worten empfing er den Gast.Darf ich ihnen auch ein Couvert legen lassen.?"

Eugen antwortete mit einer Ver beugung, Heut nachmittag empfängt sie die Coucier- gerie (Das Gefängnis für politische Ge­fangene) morgen macht Ihnen der Scharf­richter Samson die Toilette I Der Dämon hatte eine schöne Geliebte?"

Man sagt, er habe deren viele gehabt!?

Ganz recht, mein Freund!"

(Fortsetzung folgt.)

Berantwvrtlicher Redakteur: Bern tzard Hosmann.) Druck und Verlag vonBernhardHysmannin Wildbad.