Grekow wird bedeutet, sich von Stambulow zu trennen und seinen Posten aufzngeben. Im andern Falle werde man ihn auf der Straße aus dem Wagen weifen. Alle Parteigänger StambulowS, hieß cS im weiteren, sollten umgebracht werden. Da man an und in den Drohbriefen erkannte, daß der Absender kein Bulgare sein könne, stellten die Behörden, ohne diese Drohungen, die man nicht zum ersten Male vernommen hat, allzu ernst zu nehmen, sorgfältige Nachforschungen nach dem Urheber au. Das Ergebnis war der Nachweis, daß der Verfasser der Briefe der Kawaß des russischen Generalkonsulats Andrea Sohorukow ist. Da- Ministerium des Auswärtigen wandte sich darauf an den deutschen Generalkonsul, Baron Wangenheim, und legte ihm die Beweisstücke vor, die in so unzweifelhafter Weise die Urheberschaft de« Kawassev dar- thaten, daß Baron Wangenheim die Verhaftung Sohorukow- verfügte. Die Sache konnte gerade angesichts der frischen Ermordung des Finanzministcrs Beltjchew nicht unbeachtet bleiben, und das Ende wird wahrscheinlich ein Antrag auf Ausweisung des Kawasse» Andrea Sohorukow aus Bulgarien sein, der
sich stütze» dürfte auf den nachweisbaren Mißbrauch der Exterritorialität dcS russischen Generalkonsulats zum Zwecke von schlimmen Stilübungen, die durch die Gesetze aller Staaten der Welt untersagt sind.
(Frostschäden in Belgien.) Der Schaden, welchen der vergangene strenge Winter an den Wintersaaten in Belgien angcrichtet, läßt sich jetzt erst in seinem vollen Umfange übersehen. Der Weizen, dessen Anbau sich über 276,000 du erstreckt, ist zu Drciviertel durch den Frost vollständig vernichtet. Der Direktor der Gartenbauschule von Vilvordc, GillckcnS, schätzt den hierdurch der Land- wirthschaft entstehenden Verlust auf 27 Mill. Franken. Der durch das Erfrieren von Frühgerste erwachsene Schaden wird auf 2 Mill. Franken angegeben.
— In Budapest zerstückelte im Wahnsinn der Eiscndreher Penninger mit der Hacke seine Frau und zwei Söhne- Ein Axthieb gegen sich ist nicht tödlich.
Verschiedenes.
.'. (Zeitungsnotiz.) Außer einem Zwanzigpfennigstück gab der Verunglückte kein Lebenszeichen von sich.
Auszug aus dem Standesbuch
der
Stadt Wildbad.
Geburten:
1. März Chr. Fr. Günihner, Holzhauer in Sprollenhaus 1 Sohn,
4. „ Karl Schrasft, Fuhrmann u. Holzhänd
ler i» Christophshof 1 Sohn,
6. „ Wilh. Fr. Eisele, Schreinerm. 1 T.,
11. „ Wilh. Schmid, Bäckermeister 1 T.,
14. „ Gustav Riexinger, Buchbinder 1 T-,
16. , Wilh. Schmid, Amtsdiener, 1 T-,
19. „ Theodor Lässig, Musiker, 1 Sohn,
25. „ Johann Hesselschwerdt, Holzhauer in
Sprollenhaus, 1 Tochter,
21. „ Karl Fr. Hartmann, Fuhrmann in
Sprollenhaus, 1 Sohn,
27. , Christian Pfau, Flaschner, 1 Sohn,
Sterbesälle:
4. März Regine Barbara Großmann, geborene
Krauß, 68 I. alt,
5. „ Karl Christian Treiber, 8 Mt. alt,
13. „ Johannes Fr. Wilh. Treiber, 2 Mt. a-,
16. „ Walther Schill, 8 Monate alt,
29. „ Marie Sophie Bocenhardt, 7 Mt. a.,
30. „ Karl Fr. Günthner, in Sprollenhaus,
4 Wochen alt,
30. „ Karl Eugen Aberle, 3 Jahre alt,
31. „ Karl Robert Bocenhardt, 6 Jahre a-,
Weiße Kcrccrre.
Novelle von H. von Ziegler.
Nachdruck verboten.
1.
ES war ein kalter, klarer Muttertag; leichter Schneec lag über der Landschaft und auf den nahen, bläulich duftenden Bergen, glitzernde Sonnenstrahlen funkelten darüber hin und kein Zweig, kein Ast der weißbc- schneiten Bäume ringsumher bewegte sich in der Luft.
Durch den Waldweg klangen scharfe Hufschläge und soeben erschien eine noch junge Reiterin zwischen den Stämmen, das Antlitz von der Kälte gerötet, die Augen leuchtend vor Freude über den köstlichen Anblick, den die winterlich friedliche Gegend darbot.
Es war kein schönes Gesicht, welche« der weiche runde Filzhut beschattete; die Züge machten einen schroffen starre» Eindruck, um den Mund prägte sich ein bittrer Zug und die ganze Kopfhaltung hatte etwas entschieden Hochmütige-, fast Unsympatischc«. Nur die Augen vermochten zu versöhnen, denn e« lag eine eigene Melancholie, ein halb unbewußtes Sehnen und Suchen in ihnen, welches bisher wohl dem jungen Mädchen selbst noch nicht zum Bewußtsein gelang«. Mit festem, kurzen Ruck hielt die Reiterin jetzt auf der Anhöhe ihr Tier an und blickte sinnend hin in die sich sanft senkende Schlucht, welche vor ihr lag.
„Da geht der Weg nach Schloß Nord- rck," murmelte sie halb scheu, „ich brauchte nur wenige Minuten ihn zu verfolgen, so würde ich das Schloß sehen, welches ihm gehört. — Aber nein, ich will nicht, ich darf mich nicht einem Gefühl hiugeben, welches Wahnsinn, Thorheit sein würde. Ich weiß ja gar nicht, ob er mich jemals lieben würde, ob er nicht, wie die meisten andern Menschen, meine scharfe Zunge und meine Heftigkeit fürchtet. O Gott, und ihm gegenüber bin ich doch eine andre I Mein Herz pocht, das Wort stockt mir im Munde und nur mit aller Selbstbeherrschung vermag sich kühl und ruhig auözusehcn, um nicht durch
das Auge zu verraten, wie es in meinem Innern aussieht. Wenn nur Lilli u. Mama nichts davon merken!"
Da- feurige Pferd wieherte ungeduldig und plötzlich hob die junge Dame erschrocken den Kopf; aus geringer Entfernung ant- wortet5 ein andres Roß dem ihrigen mit lautem Wiehern, und schon vernahm sie herannahende Hufschläge.
„Wenn er es wäre," murmelte sie unschlüssig, warf aber sodann kurz entschlossen ihr Pferd herum, den Weg, welchen sie gekommen, abermal« cinschlagend.
Ein stattlicher Reiter ward nun auch bald neben der Reiterin sichtbar und nur an ihrem tiefen Atemzuge und dem leisen Beben der Hand, welche den Zügel hielt, konnte man die Gemütsbewegung der Dame erkennen, von welcher sie erfaßt worden war, während ihr Antlitz farblos und ernst wie zuvor blieb.
„Guten Morgen, gnädiges Fräulein," rief der Besitzer von Schloß Nordcck, denn dieser war der Reiter, und lüstete grüßend seinen Jäger-Hut mit der Spielhahnfeder, der dem männlich schönen, gebräunten Antlitz außerordentlich wohl stand; überhaupt war der Reiter eine stattliche Erscheinung, welcher da- blitzende Auge und der dunkle kurze Vollbart sehr vorteilhaft standen.
„Guten Morgen, Herr von Nordcck," klang die Antwort des jungen Mädchens zurück und freundlich grüßend senkte sie das Haupt und die leichte Gerte, „so hat es Sie auch herausgelockt bei dem köstlichen Winlcr- morgen? Wo kommen Sie her?"
„Von ihrer Frau Mutter, Fräulein von Wehlen," lächelte der stattliche Mann, der etwa dre-ßig Jahre alt sein mochte, „ich habe Ihrer Frau Mutter und Fräulein Schwester die Bitte vorgetragen, eine kleine Mit- tagsgcsellschaft, welche ich nächste» Sonntag zu geben beabsichtige, mit Ihrer aller Ge- gcwart zu erfreuen. Ich war so glücklich, eine bejahende Antwort zu erhalten, und hoffe nun auch auf Ihre persönliche Zustimmung, Fräulein Julie?"
Unwillkürlich fühlte das junge Mädchen
Druck und Verlag von B e
wie unter seinem forschenden Blick eine tiefe Röte ihr Antlitz überzog; war es denn nur eine Täuschung oder Wahrheit gewesen, daß während seiner Worte seine Augen aufleuchteten in vollem Glücksschimmer? Und er nannte sie bei ihrem Taufnamen wie noch nie zuvor I Ihr Atem flog, eine ihr sonst völlig fremde Verwirrung bemächtigte sich ihrer und mit einigen zustimmenden, hastigen Worten verabschiedete sie sich, dem Pferde die Gerte gebend, daß eS wild dahinflog.
(Fortsetzung folgt.)
Kunst und Wissenschaft.
— Die Crinoline wird wieder getragen, lesen wir in der „Wiener Mode" vom t. April. „Ohne Lärm ist sie Ungezogen in die Welt und hat ihren alten Thron bestiegen. Wie um ihre Gegner zu höhnen, hat sie dazu eine Zeit gewählt, in der man in England daran geht, die Frauentracht zu reformiere», zu vermännlichen, ihr Alle-zu nehmen, wa« sie unbequem, unpractisch und schwerfällig macht, die Zeit, in der die Frauen alle Privilegien des starken Geschlechts auch für sich beanspruchen -- die Universität, das Wahlrecht, starken Tabak u. s. w. Die Crinoline erscheint geradezu als eine Reaction gegen alle diese Bestrebungen: sie macht das Weib wieder zum Weibe, sie duldet keine Excentriciläten. In einer Crinoline kann man weder medicimsche Vorlesungen besuchen, noch zu einer Wahl gehen . . . Kurz, in einer Crinoline kann man nicht die Gedanken eines Manne- denken. Sic gestaltet nur würdige und gemessene Bewegungen, räumt aber den Frauen in der Gesellschaft jenen Platz ein, de» ein so weitläufiges Toilettestück erfordert." — Dies Alles erzählt das bekannte Wiener Blatt und gibt dazu ein Modebild, welches die neuerstandene Crinoline zur Anschauung bringt. Dieser gelungene Aprilscherz charakterisiert drastisch, wie in der munteren Kaisersladl Ernst und Scherz einander begegnen.
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Vorrecht geht oft vor Recht. rnhsrd Hofmann in Wildbao.
Verantwortlicher Redakteur: Bernhard Hvsmann.)