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Rundschau.

Nach der jetzt vorliegenden Abrech­nung sind für die bedürftigen Hagelbc- schädigten des Jahr s 1890 im ganzen Lande Württemberg insgesamt ^ 176 694 gesammelt worden. Damit waren 4553 bedürftige Familien in 71 Gemeind?» zu unterstützen. Der gesamte Hagelschaden dieser Gemeinden berechnet sich nach amtlicher Schätzung auf -/A 3 902 995 und der Ver­lust jener bedürftigen Familien auf ^ 688 353, so daß im Durchschnitt die Unter­stützung für 1 Familie 39 oder auf den erlittenen Schaden 25'/s Prozent ergibt.

Stuttgart, 18. Marz. Wegen Ablebens S. Kais. Hoh. des Prinzen Napoleon ist Hoftrauer von beute an auf 3 Tage in 4. Abstufung der Hoftrauerordnung angeordnet worden.

Stuttgart, 17. März Unter den hies. Angehörigen de« Bäckergewerbes ist eine Be­wegung im Gange, welche zum Ziele hat, den Sonntag für alle Bäckereien frei zu be­kommen. Die Vorräte, welche für Sonntag erforderlich sind, sollen am Samstag herge­stellt und von den Kunden abverlangt wer­den ; am Sonntag bleiben die Bäckerbetriebc geschlossen.

Die Wahl des Abg. Frhrn. v. Münch ist von der Wahlprüfungskommifsion des Reichstages für giltig erklärt worden.

Der glückliche Gewinner der ersten Prämie Nr. 68316 der Lotterie für das Krankenhaus der barmherzigen Schwestern in Stnttgark ist laut U Ztg. Buchhalter Dähn vom goldenen Ochsen in Ulm.

Ludwlgsburg, 20. März. Gestern nach­mittag ertrank im Neckar bei Poppenweiler der invalidierte Schützenwachtmeister M. von hier. Derselbe bekleidete die Stelle eines Kontrolleurs der Ortskrankenkasse und jhattc gestern beruflich in einigen am Neckar ge­legenen Gemeinden zu thun. Als er sich auf dem Rückweg über den Fluß setzen ließ, stürzte er, ehe der Fuhrmann es verhindern konnte, ins Wasser, und bis der Nachen ihn erreichte, war er tot. Er hinterläßt eine Witwe und mehrere unversorgte Kinder.

Ulm, 19. März. In der heutigen Sitz­ung des Gemeindcrats wurde u. a. die er­ledigte Stelle des Polizeiamtmanns wieder besetzt. Die Wahl fiel auf Amtmann Goll ans Cannstatt. Das Wasser der hiesigen Wasserleitung war nach dem heurige» Schnee­gang ziemlich trübe. Die Ursache ist ein Erdfall in der Nähe des kalten Brunnens. Heute nachmittag begaben sich die Mitglieder der bürgerlichen Kollegien an Ort ».Stelle, um die Sachlage in Augenschein zu nehmen.

Ulm, 19. März. Um die Stelle des Direktors der Ulmer Gewerbebank haben sich gegen 400 Bewerber gemeldet, darunter auch mehrere hiesige Kaufleute. Vom Verwalt­ungsrat wird bei der neuerdings erfolgten großen Ausdehnung des Geschäftsbetriebes auf einen ganz erfahrenen Bankbeamten re­flektiert.

Freudenstadt, 19. März. Heute hatten wir starken Schneefall, so daß Wald und Flure» ein vollständiges Winterkleid tragen.

Mannheim, 19. März. Welchen großen Umfang die Schiffahrt auf dem Rheine in den letzten Tage angenommen hat, beweist die Thatsache, daß vom 11. bis zum 18. März hier 170 Schiffe angckommcn sind, Welche insgesamt 965 000 Ctr. Güter brach­

ten, u. a. 394 000 Ctr. Kohlen u. 246 000 Ctr. Getreide.

Eine Handlung unglaublicher Grau­samkeit beschäftigte am 18. d. Mls. die Ber­liner Strafkammer I. Am 30. September v. I. wurde auf einer Bank in der Bülow- straße ein achtjähriges Mädchen gefunden, welches Gegenstand des aufrichtigsten Be­dauern des Publikums war. Das Kind war ohnmächtig zusammengesunken; man hatte es auf die Bank gelegt und bald die Ursache seines erbarmenswerten Zustandes enrdeckt, als es so weit zu sich gekommen war, daß es wimmernd auf seine Füße zeigen konnte. Man zog ihm die Schuhe und Strümpe aus, und nun zeigte sich, daß beide Füße bis über die Knöchel hinaus völlig verbrüht waren: jeder Fuß bildete eine einzige fingerhohe Brandblase. Der Beamte erfuhr von dem Kinde, daß es Auguste Holzheimer heiße und in einer be­nachbarten Straße wohne. Dem Beamten waren die Verhältnisse des Kindes aus einer Anzeige bekannt, die kurz zuvor ein gegangen mar. Die Mutter des Kindes war eine Wittwe Holzheimer, die mit dem Kellner- Hermann Karl Braun zusammen lebte. Letzterer war kürzlich angezeigt worden, weil er das Kind in unmenschlicher Weise miß­handelt haben sollte. Das Mädchen gab bei den ersten Vernehmungen an, daß es an dem genannten Abend von demOnkel", dem erwähnten Kellner Braun, gezwungen worden sei, ein Fußbad zu nehmen. Der­selbe habe hierzu Wasser aus der Maschine genommen und in einen Napf gegossen. Als das Kind die Füße mit dem Wasser in Be­rührung braLie, zog eS dieselben mit lautem Aufschrei zurück, denn daS Wasser war fast siedend. Ohne sich davon zu überzeugen, ob die Furcht des Kindes begründet sei oder nicht, habe der Onkel es unter Androhung von Schlägen gezwungen, die Füße dennoch in die Flüssigkeit zu tauche» und die Mut­ter habe gleichzeitig den Stuhl, auf dem das Kind saß, der Kleinen unter dem Körper fortgezogen, so daß sic genöligt gewesen sei, in dem Napfe zu stehen. Die Flüssigkeit sei bei ihren durch den Schmerz hervorge­rufenen Bewegungen verschüttet worden, und nun erst habe ihre Mutter kälteres Wasser genommen. Man habe sie gezwungen, Strümpfe und Schuhe wieder anzuzichen und sie dann fortgeschickt, um einen Ein­kauf zu besorgen. Unterwegs sei sie vor Schmerz ohnmächtig geworden. Der Kellner Braun wurde wegen Körperverletzung unter Anklage gestellt. Im ersten Verhandlungs­termine verweigerte daö Kind aber seine Aussage. Keine Vorhaltungen des Präsi­denten vermochten es zu bewegen, gegen den Angeklagten Zeugnis abzulegen. Der Ge­richtshof gewann die Ueberzeugung, daß daS Mädchen von dem Angeklagten eingeschüch- tert worden sei; es wurde deshalb beschlossen, den Angeklagten in Untersuchungshaft zu nehmen und diejenigen Zeugen zu vernehmen, Welche die früheren Angaben des Kindes ge­hört halten. Im neuerlichen Termin wieder­holte das Kind die Darstellung von dem Sachverhalt, wie cs ihm früher angegeben. Unter Thränen gestand cs ein, daß der Onkel" e« vor dem vorigen Termine mit Schlägen bedroht habe, wenn es die Wahr­heit sage. Der Gerichtshof gewann volle Ueberzeugung von der Schuld des Ange­klagten, der leider nur zu sechs Monaten

Gefängnis verurteilt wurde. Der Staats­anwalt batte ein Jahr beantragt.

Frankreich. Der ehemalige Kricgs- ministcr General Campenon, ist gestorben.

Aus Südsrankreich werden große Ueberschwemmungen gemeldet; bei Mont- luel verursachte die Seraiue eine Eisenbahn- Überschwemmung und richtete großen Scha­den an. Die Rhone, deren Nebenflüsse stark angeschwollen sind, ist um 3 Meter gestiegen.

Paris, 20. März Das Testament des Prinzen Napoleon enterbt tatsächlich den Prinzen Viktor und erklärt den Prinzen Ludwig Napoleon zum Erben der bonapar- tistischen Thronrechte. Die Annahme des Prinzen Ludwig ist zweifelhaft. Unterdessen erkannte die Familie Bonaparte bereits den Prinzen Viktor als Oberhaupt an.

(Dreifache Blutthat.) Man berichtet aus Paris, 18. März: Ein seit einiger^ Zeit dienloser Koch Namens Hcrbellot ge- rieth gestern um 10 Uhr Nachts mit seiner' Frau in Streit. Hcrbellot, plötzlich wüthend - geworden, bemächtigte sich des Küchenmessers - und stieß dasselbe seinem vierjährigen, schla-' senden Töchterchen in den Hals. Das Kind j war augenblicklich eine Leiche. Hierauf wen-^ dete sich seine Wut gegen die Schwieger­mutter, der er zahlose tiefe Stiche beibrachte und schließlich verfolgte er die Frau, die sich in das Stiegenhaus geflüchtet hatte und von dem Wüterich furchtbar zugerichtet wurde. Die Schwiegermutter hatte noch die Kraft, das Kind in die Arme zu nehmen und die Treppe herabzusteigen, doch vor der Portier­brach sie entseelt zusammen. Frau Hcrbellot konnte sich noch auf die Straße schleppen,, von wo die Passanten die Unglückliche, der das Fleisch von Gesicht und Brust in FetzeiH herabhing, in hoffnungslosem Zustand nach der Rettungsstation brachten. Nach vollbrachter Unthat kleidete sich Hcrbellot an und lieferte sich auf der Straße dem nächsten Sicher­heitswachmann aus. Frau Hcrbellot lebt noch. Man nimmt an, daß Eifersucht das Thatmoliv HcrbellotS war, da seine Gattin eine hübsche junge Frau war und Hcrbellot nicht dulden wollte, daß sie außer-Hause arbeite, obwohl dies für den Unterhalt der Familie nötig war.

Kairo, 16. März. Prof. Dr. Robert Koch, der gestern hier eingetroffen ist, hat sich für die Errichtung von Baracken zur Aufnahme von Lungenkranken in Theben aus­gesprochen, da er das dortige Klima für be­sonders günstig hält.

In Syrakuse, im Staat New-Dork, zerstörte ein am Samstag früh 6 Uhr aus­gebrochenes Feuer 13 Häuserkomplexe, dar­unter mehrere Hotels, zahlreiche Magazine, Werkstätten und Fabriken. Der Verlust' wird auf zwei Millionen Dollars geschätzt.

Aecht amerikanisch ist es in der Nacht zum Sonnabend in New-Orleans zugegangen. Die Jury hatte am Freitag die der Ermord­ung des Polizeichefs Hennessy angeklagten sechs Sizilianer freigesprochen. Darauf hiel­ten Hennessys Freunde in der Nacht ein Meeting ab; es wurden in die Menge Re­den gehalten, worauf eine aus mehreren Tausend Personen bestehende Menge die Waffenläden plünderte und eine Hinterthüre des Gefängnisses erbrach. Die sechs Sizi­lianer jwurden in ihren Zellen erschossen, zwei an der Ermordung angeblich ebenfalls beteiligte Knaben jedoch verschont. Die Menge erbrach daraus noch andere Zellen