Rundschau.

Die Kammer der Abgeordneten ist am letzten Dienstag wieder znsammengetre- tcn und ehrte gt.ich in der ersten Sitzung das Andenken jenes küzlich verstorbenen lang­jährigen Mitglieds, des ritlerschaftliche Ab­geordneten Freiherrn Wilhelm König von Königshofen. Derselbe war stets ein äußerst pflichttreuer, umsichtiger m d patriotisch denkender Abgeordneter, dabei ein gewandter Redner und überaus fleißiger Berichterstatter, deshalb auch bei allen Parteien geachtet und beliebt. Nur einmal während seiner viel- jährigen parlamentarischen Thätigkeit ging ihm die Zunge unfreiwillig durch, als er in Bekämpfung eines neuen Hundestcuergesetze» seine Kollegen mitMeine Hunde" anstatt Meine Herren" anredete und damit stür­mische Heiterkeit hervorriet.Die Kammer der Abgeordneren hat nun zunächst die Auf­gabe der Budgetbcratung vor sich. Es wird auf den mehr oder minder großen Redeeiser der Herren Abgeordneten ankommen, welche Zeit die Beratung des Hauptftnanzetats er­fordern wird. Außer diesem und den hie­zu gehörigen Nachträgen hat die Kammer auch eine VolkSjchulgesetznovelle zu beraten, welche der Staatsminister des Kirchen- und Schulwesens den beiden Kammern vorgelegt hat. Dazu kommen noch eine ganze Reihe von Petitionen, namentlich solche um Ge­haltsaufbesserungen der Volksichullchrer und mehreren Kategorien von Staatsbeamte». Da die Finanzlage fortgesetzt eine sehr günstige ist unsere Staarseisebahnen versprechen in diesem Jahre noch ein höhere« Erträgnis als im Votzjahr so dürften die Abgeord­neten wie die StaatSregierung den Bittstellern ein geneigtes Ohr leihen.

Ludwlgsbnrg, 12. März. Anläßlich des heutigen Geburtsfestes des Prinzregentin Luitpold von Bayern waren heme, wie die Ludw. Zig. mitteilt, die Kasernen des seinen Namen tragenden FeldartillerieregimentS mit Fahnen in den deutschen, württembergischen und bayerischen Farben, sowie mit Tannen- rciS und Wappenschilder» u. s. w. geschmückt. Um halb 11 Uhr trat das ganze Regiment in Paraveanfstellung im WagenhanShof an, wobei der Regimentskommandeur Overst- licut'Nanl v Flaiz eine Ansprache hielt, die mit einem Hoch auf den Prinzregentenschloß. Mittags wurden die Mannschaften festlich bewirtet; die Offiziere vereinigten sich um 1 Uhr zu einem F stessen in ihrem Kassino. Die Mannschaften nnd Unteroffiziere waren nachmitagS dienstfrei. Die Unteroffiziere der ersten bis vierte» Batterie hielten gestern abend im Festfaal des Bahnhotels eine» Ball ab, weichem mehrere komische Aufführ­ungen und ein hübsches Theaterstück voraus­gingen Diese Aufführungen wurden h-mte abend im großen Neithause wiederholt.

Reutlingen. 11. März. Seit dem I. d. M. si >den hier in der Bundeshalle jeden Tag zwei religiöfe Versammlungen statt. Dieselben werden abgehalten von dem Reise- prcdiger Schrenk. Jede» nachmittag uni 3 Uhr ist Bibelstunde und jede» Abend um 8 Uhr Evangelisationsversammlung. Diese Versammlungen werden so stark besucht, daß die großen Räumlichkeiten der Bundeshalle jedesmal überfüllt sind. Die Besucher kom­men nicht mir von der hiesigen Stadt nnd der nächsten Umgebung, sonder» auch von den ferne gelegenen Alberten nnd aus den Oberämtern Urach nnd Tübingen.

Ettlingen, 13. März. Das weithin be­kannte Gasthaus z. Sonne ist gestern nacht abgebrannt. Das Feuer wurde erst bemerkt, als schon der ganze Dachstuhl brannte. Die anstoßenden Gebäude, besonders das katho­lische Pfarrhaus, waren in großer Gefahr, wurden jedock gerettet.

Gundershofen, 8 . März. Ein hiesiger Bürger fand beim Sandgraben in der Grube einen Beutel, der mit 20 000 Francs in französischem Gelde gefüllt war.

Berlin, 11. März. Heule Mittag hat eine Sitzung des Staatsministeriums statt- gefunde». Nach derselbe» ist der Reichs­kanzler v. Caprivi zum Kaiser zum Vor­trag gefahren. Es hat sich um den Rück­tritt des Cultnsministers V. Goßler gehandelt, der sein Abschiedsgesuch eingereicht hat. Das Gesuch ist angenommen und der bisherige Oberpräsident Graf v. Zedlitz-Trützschler in Posen zum Nachfolger v. Goßlers ernannt worden.

Berlin, 14. März. Windtherst ist heute früh 8^i Uhr gestorben. Der Tod selbst war sehr sanft ohne Kampf. Im Abgeord­netenhause sprach Präsident v. Köller einen Nachruf, worin er die oft ausschlaggebende Stellung des Verstorbenen hervorhob, sowie die fühlbare und schmerzliche Lücke, welche durch den Tod desselben cnistchl, betonte.

AuS Deutsch-Afrika wird ein bedeu­tender Sieg Majors v. Wißmann über einen schwarzen Völkerstamm gemeldet, dessen mo­ralische Wirkung ans die Schwarzen wie auf die arabischen Sklavenhändler von ebenso großen als andauernder Tragweite sein dürfte.

In Italien scheint eine Ministerkri­sis oder eine Parlamentsauflösung, vielleicht beides im Anzuge zu sein. DaS Kabinet Rndini ist nicht aus gleichmäßigen Elementen zusammengesetzt und deshalb unter sich un­eins. Die ital. Parlamentarier sind ohnehin unsichere Kantonisten, und so kann es wohl kommen, daß das neue Kabinet plötzlich eine Mehrheit im Parlament gegen sich hat. Große Aufregung herrscht in ganz Italien über die grauenhafte Entdeckung, daß die italienische Polizei >» Massauah, um sich zu bereichern, eine große Anzahl Morde verübt hat. Der Hauptschuldige, ein früherer Gen­darmerie-Lieutenant Livraghi ist zwar verhaf­tet, aber seine Mordihatcn wären offenbar nicht möglich gewesen oder doch nicht so lange verborgen geblieben, wenn nicht auch die Oberbehörden in Massanh die Hand mit im Spiele gehabt hätten.

Exkönig Milan von Serbien und sein früherer Ministerpräsident Garaschanin, wel­cher jetzt mit der Exkönigin Naialia aller­lei Jntrigucn spinnt, beschuldigen sich gegen­seitig, zwei Frauen im Gefängnis ermordet zu haben.

(Der vergrabene Ehegatte.) In der ungarischen Ortschaft Altar ist am 6. d. ein grausiges Verbrechen an's Tageslicht ge­kommen. Als nämlich ein Dorfeinwohner in seiner Kammer ein Pfosten in die Erde graben wollte, stieß er auf ein menschliches Skelett. Dasselbe wurde von der Behörde ansgegraben und es tauchte sofort die Ver­mutung auf, daß man jin dem Skelett die Uebcrreste des vor etwa 10 Jahren verscholl­enen Vincenz Patter, der früher in dem Hause gewohnt hatte, zu erblicken habe. Die noch lebende Frau des Verschollenen wurde sofort in Untersuchung gezogen und cs ge­lang dem Untersuchungsrichter Gelbe, dieselbe

zum Geständnis eines Verbrechens zu bringen. Nach demselben sei Patter vor elf Jahren eines Abends betrunken nach Hause gekom­men nnd die Frau habe ihm bei dem ent­standenen Wortwechsel einen Leuchter so ener­gisch zum Kopse geschlagen, daß der Mann sofort gestorben sei. Sie habe ihn dann mit Hilfe ihres damals erst 12 Jahre alten Sohnes in der Kammer vergraben. Beide Verbrecher wurden auf Grund dieses Ge­ständnisses in Haft genommen.

(An den Unrechten gekommen.) In der Kaserne Saint-Roch zu Avignon bombardirten dieser Tage zum Zeitvertreib einige Soldaten vom Kascrnenfenster aus die Vorübergehenden mit verschiedenartigen Wurfgeschossen, namentlich mit Erdäpfeln. Unbändiges Gelächter, wenn ein Schuß traf. Plötzlich erschien ein vornehm gekleideter Herr mit einem glänzenden neuen Hut von hoher Form.Ein famoses Ziel I" rief einer der Soldaten, ergriff sofort ein mäch­tiges Stück Kommißbrod, zielte etliche Mi­nuten und paff! . . . . war der Hut platt gedrückt wie ein Teller. Eine dröhnende Lachsalve erscholl, aber sie war von kurzer Dauer. Der Herr mit dem Hute wandte sich um, sah, von woher das Geschoß kam, und trat ein. Fünf Minuten später wußten die übermüthigen Soldaten, daß der Bom- bardirte Niemand anders gewesen sei, als General Quenot, der Befehlshaber der 30. Militärdivision. In der Kaserne Saint-Roch hat man jetzt aufgehört zu lachen.

Von Wölfen zerfleischt EininRai- grod (Rußland) wohnender Förster Halle sich von Grajewo nach seinem Heimatorte gegen Abend mittelst einspännigen Schlittens begeben. Als er in der Dunkelheit einen Wald passieren mußte, überfiel ihn ein Wolf, den er mit einem Schüsse niederstrcckte. Er stieg vom Schlitten, um den schönen Wolfs­pelz nicht im Stiche zu lassen. Während­dessen wurde das Pferd scheu und rannte davon. Der Förster lud nun den Wolf ans seinen Rücken und schlug den Heimweg zu Fuß ein. Als er eine Strecke gegangen war, überfiel ihn ein ganzer Rudel Wölfe, das den Förster buchstäblich in Stücke zer­riß.

Lynchgericht. In einem kleinen, etwa 16 Meilen von San Antonio (Texas) ent­fernten Städtchen hat am 7. März ein ent­setzliches Lynchgericht stattgefundcn. Als am 7. März ein Polizist versuchte, einen Mann Namens Jvc Scvage, welcher der Ermord­ung eines Farmers beschuldigt war, in einer Wirtschaft zu verhaften, zog dieser seinen Revolver und feuerte mehrere Schüsse auf den Konstabler ab, welche dessen sofortigen Tod zur Folge hatten. Es gelang Scvage, in der entstehenden Verwirrung zu entfliehen. Er wurde am nächsten Morgen jedoch von seinen Verfolgern eingeholt und sofort an einen Baum geknüpft. Ein Vorschlag, seine Kleider mit Petroleum zu begießen u. dann in Brand zu stecken, fand geneigtes Gehör. Er wurde sofort ausgcführt und Richter Lynch entfernte sich, nachdem er den Martern des brennenden Mörders einige Augenblicke zu­geschaut, in dem erhebenden Bewußtsein, in gerechter Weise seines Amtes gewaltet zu ha­ben.

Der Temps meldet aus Tunis: In Menzel bei GabeS ist die Synagoge einge- stürzk; zahlreiche Kinder wurden verschüttet; bisher wurden 4 Leichen aufgefunde».