Rundschau.

In der Kammer der Abgeordneten wurde am Mittwoch noch Art. 2 der Vor­lage , welcher das Alter sür die Wählbar­keit auf 25 Jahre festsetzt, und der von der Kommission beantragte Artikel 2a wonach bei Erledigung des OrlsvorsteheramteS die Bestellung eines Amtsverwesers durch das Bezirksamt nach vorgängiger Anhörung der bürgerlichen Kollegien erfolgen soll, ange­nommen. In der Donnerstag-Sitzung setzte die Kammer die Beratung über die Verwaltungsreform Vorlage fort, Art. 3, welcher das Verfahren bei OrtSvorsteher- wahlcn in lhnnttchste Übereinstimmung bringt, ruft eine längere, von Haußmann angeregte Debatte über das in die Ortsvorsteherwahlen hinüberzunehmende Stichwahlsystem hervor. Für dasselbe tritt außer Haußmann nur noch Eener ein, dagegen sprechen Minister v. Schmid und Sachs. Art. 3 wird nach der Regierungsvorlage mit einem Amende­ment der Kommission angenommen, dagegen die Beratung über Art. 4 und 5 ausgefetzt, bis die Frage des Disziplinarhofcs erledigt ist. Angenommen wird ohne Debatte Art. 6, welcher tagt, daß der OrtSvorsteher kein Wirt sein darf und Ausnahmen von diesem Verbot nur ausnahmsweise zuzulasfen sind.

Vaihingen a. E-, 14. Jan. Auf recht bedauerliche Weise verlor der N.-Ztg. zu­folge der am hiesigen Arbeitshaus ange- stellte Aufseher Großmann sein Leben« In der Nacht vom letzten Sonntag auf Mon­tag wurde er während des Dienstes von hef­tigen Leibschmcrzen geplagt, er nahm des­halb wie er scheint's schon öfter gethan von der ihm in der Anstalt zugänglichen Opiumtinklur^ader unglücklicherweise zu viel, andern Morgens erkrankte er an allen Zei­chen der Vergiftung und schon mittags war er zum großen Jammer seiner Familie eine Leiche. Emc selbstmörderische Absicht ist voll­kommen ausgeschlossen.

Bitzseld, 14. Januar. Der 24 Jahre alte MüllerSknccht Johann Schanzenbach war gestern am Mühlrad mit Freimachen des Eises beschäftigt. Plötzlich setzle sich das Rad in Bewegung, erfaßte den Unglücklichen und verletzte in laut N.-Ztg. so, daß er nach einer Viertelstunde den Geist ausgab.

Heilbronn, 15. Jan. Die Influenza ist mit Beginn des neuen Jahres hier wie­der ausgetreten. Von der hiesigen Garnison sind ca. 80 Mann von dieser Krankheit er­griffen worden; auch in der Stadt sind viele an verschiedenen Katarrhen erkrankt.

Freudenstadt, 15. Jan. Dem Hirsch- Wirt ging ein Dienstknccht mit 200 die dcrsede zur Bezahlung eines Lieferanten er­hallen hatte, durch. Der ungetreue Knecht wurde nach hier eingegangener Drahtnach­richt in Hamburg verhaslel.

Reutlingen, 15. Jan. Die bürgerlichen Kollegien haben beschlossen, wie bei der Kranken- und Unfallversicherung auch bei der Jnvalidiläts- und Altersversicherung die Beiträge der städtischen Bediensteten und Ar­beiter ganz auf die Stadlkasse zu überneh­men.

In der Dorfkirche in Manon County, Alabama, wurde am 12. ds. eine junge Frau unmittelbar nach der Trauung von einem durch das Fenster der Kirche abge- feuerten Schuß tot niedergestrcckt. Der Ver­dacht der That fällt aus erneu verschmähten Liebhaber der Ermordeten.

Lanhheim, 15. Jan. Heute früh um 4 Uhr wurde Fcuerlärm gemacht; es brannte in dem Wohnhausanbau des Kaufmanns Settele. Das Feuer hatte Holz und Stroh ergriffen und dehnte sich ziemlich rasch aus, so daß für das Wohnhaus große Gefahr vorhanden war; den Anstrengungen der Feuerwehr gelang es aber, dasselbe zu be­wältigen, so daß der Schaden verhältnis­mäßig nicht bedeutend ist. Unzweifelhaft liegt hier wieder Brandstiftung vor und cs ist dieses seit 4 Wochen der sechste Brand­fall in hiesiger S adt. Die Bevölkerung ist in stäler Aufregung und wünscht nichts Sehn­licheres, als daß der Uebctthäter cimittelt werden möchte.

Balingen, 15. Januar. Färbermcistcr Karr Elsete, der s sich zur Aufgabe gemacht hat, das Fischwa ser unserer Gegend von Fischottern zu säubern, hat ldieser Tage im Nänkte" (Steinach) mittels Falle ein Pracht­exemplar von über 20 Pfv. Gewicht er­beutet. Seit langer Zeit dürfte eine so große Fischotter in unserer Gegend nicht erlegt worden sein.

Aus Badm 15, Jan. Eine merk­würdige Maßregel hat der Großh. badische Obcrjchulrat getroffen und dadurch in be­teiligten Kreisen Erbitterung hervvrgerufen. Künftighin soll jeder Lehrer an Gymnasien, Real-, Töchterschulen und dergl. von jedem übernommenen Privatunterricht nicht bloß bei der Direktion Anzeige machen, sondern auch die Dauer desselben und insbesondere das Honorar pro Stunde bei Srrafvermeibcn genau angcben. Hierüber hat jede Direktion geordnete Listen zu führen, die nicht bloß jedesmal bei Inspektionen vorzukegen ist, sondern auch jezuwcilen von der Behörde einverlangt werden kann. Wie wir ver­nehmen , gedenke» sich die Lehrer direkt an den Lanbts'ürsten zu wenden, um die Auf­hebung dieser Verfügung zu erwirken.

Der Postbote Reffcrl von Ladenburg, welcher, wie bcrcus mitgcteilt, vor einigen Tagen wegen deö erdichteten Raubanfaüs in das Untersuchungsgefängnis Mannheim ein- getieferl wurde, hat ein Geständnis dahin abgelegt, daß er selbst die Wertbriefe geöffnet habe und sich ans einen Steinhaufen fallen ließ, wodurch er eine Kopfverletzung erlitt, die man anfänglich als von einer körper­lichen Verletzung herrührend annahm.

Berlin, 15. Januar. Bei dem Finanz­minister M>q»cl fand gestern abend ein Essen statt, au welchem auch der Kaiser mit mili­tärischer Begleitung teilnabm; er saß Mi­guel gegenüber. Reichskanzler v. Caprivi laß rechts vom Kaiser- Weiter waren bei Tische die Staaissekr. v. Bötticher und v. MarschaU, Hr. v. Lucanus und etwa 20 Reichs- und Landtagsabgcordnete. Der Kaiser unterhielt sich lebhaft, namentlich »uch über die Schutfrage.

In Moskau ist nach einer Meldung vom 14. ds. das Hotel Royal ein Rand der Flammen genorden. Der Schaden ist beträchtlich, cin Bc vohncr des Hotels, Gene­ral Schutgi», ist eestickt, mehrere Feuerwehr­leute erlitten bei den Rettungsarbeiten schwere Brandwunden.

Der Seedampfer Tenace ist von Eis­bergen arg beschädigt worden. Die Mann­schaft war genötigt, sich auf die Eisblöcke zu retten, von wo aus sie ein HiifSdampfer in Sicherheit gebracht hat.

E>n grausiger Brudermord wird aus

Lugos in Ungarn gemeldet: Der Gemeinde- Wächter von K'apolnas machte im nahen Walde einen grauenhaften Fund. Teil eines zer­fleischten menschlichen Körpers, Kleider und sonstige Gegenstände tagen umher, und der Boden war von Blut gewinkt. Auf dem Gemcindehanse wurde konstatiert^ daß die Gegenstände von dem 14j ihrigen Bauern- burschen Juon B.rmfel herrühren, der seit einigen Tagen vermißt wird. Anfangs wurde angenommen, derselbe sei Wölfen zum Opfer gefallen, die Birkiser Gendarmerie jedoch fand Anhaltspunkte sür den Verdacht, daß hier ein Mord vorliege und setzte die Re­cherchen sehr energisch for,. Es wurden etwa 30 Personen verhaftet, bis sich endlich die Ermordung Juon's Nachweisen ließ. Der Mörder war kein Anderer, a.s der 17jährigc Bruder Juon's, Alexander Bamfel, der die furchtbare Thal aus Eifersucht vollbracht hat. Die beiden Burschen liebten nämlich ein und dasselbe Mädchen vnd dieses bevor­zugte den körperlich sehr enlwickelten jüngeren Bruder. Deshalb beschloß Alexander, den Bruder zu ermorden und drohte ihm wieder­holt mit dem Tot, wenn er von dem Mäd­chen nicht läßt. Ein Weib, welches diese Drohung bei einer Gelegenheit anhörte, führte aus die Spur des Mörders, welcher jetzt dem Gerichtshöfe übergeben worden ist.

Aus Hamburg, 14. Jan., meldet man der Voss. Zlg: Von der Etvmündnng kommt eine Hiobspost nach der anderen. Die Gewalt der anfgttürmnn, durch die Flut bewegten Eisberge ist fo groß, daß gestern zwei Mann auf einem Hamburger Schiff vom Steuer weg hoch in die Lust geschleu­dert wurden. Diese Nacht ersolgte Sturm­warnung. Heule wird gemeldet, das erste Feuerschiff in Cuxhaven habe acht Schiff- orüchige von zwei verschiedenen Schiffen aus­genommen. Auf Helgoland sind achtzehn Schiffbrüchige gelandet. Der englische Dampfer Kaffraria ist geborsten, mehrere große Segelschiffe sind gestrandet und vov der Mannschaft verlassen worden. Dagegen ist die Verbindung mit Helgoland wieder hergestellt. DerBundcSral" ist in See gegangen. Auch Vermißte von dem Bremer Dampfer Senator Jkcn sind aus dem ersten Feuerschiff gelandet.

DasEts. Tgbl." erzählt, ohne den Ort des Geschehnisses zu melden, folgendes: Zur Belehrung und zur Warnung derjeni­gen welche ihr Vergnügen daran finden, ihre NeujahrSwün che in Form von Scherz­karten zum Ausdruck zu bringen, mag fol­gender Vorfall, der sich in unserem Städt­chen abjpiette, diene». Erhält da ein ge­wisses Fräulein L. eine solche Witzkarte beleidigenden Inhaltes. Nun wurde aber bemerkt, daß dte Karte bereuS zum zweiten Mal ihre Wanderung angctretcn hatte, indeni die vordere Seite mit einem Stück Papier beklebt war. Dies ließ sich leicht ablösen, und siehe, die ursprünglichen Empfängerinnen, die doch nicht so schlau waren, ihre eigene Adresse zuerst auszukratzcn, entpuppten sich als zwei eifersüchtige Angehörige des schönen Geschlechtes. Es wurde nun Klage erhoben, und die beiden Fräulein mußten ihre Neu- jahrSgratulationcn mit einer Geldbuße von 20 , die an die Spitakvcrwattung zu

zahlen waren, sühnen. Ein schöner Spaß sür 20 und ö