steil Falle handelte es sich um daS zwölf Monate alte Söhnchen des Schneiders CH. Dulk in Westminster, das buchstäblich ver­hungert war. Die Mutter des Kindes sagte aut, ihr Söhnchen habe seit längerer Zeit gekränkelt; sie habe aber kein Geld gehabt, um einen Arzt zuziehen zu können und habe sich gescheut, ins Armenhaus zu gehen, ob­schon sie kein Stück Brot, keine Möbel und kein Feuer im Hause gehabt und mit ihren sechs Kindern, nur mit Lumpen bedeckt, auf dem nackten Fußboden geschlafen hätte, eine Aussage, die von dem Beamten des Lcichen- beschauers vollständig bestätigt wurde. Im zweiten Falle war die 61jährige Frau des in Pell Place, St. Georges, East, wohnen­den Dockarbeiters George Mills ebenfalls buchstäblich Hungers gestorben. Der dritte Fall betrifft den 82jähr>gen Ingenieur W. Turner, der am Weihnachtsabend in seiner Wohnung plötzlich gestorben war. Der Aus­sage der Frau des Verstorbenen zusolge hatte ihr Mann, der schon seit Jahren blind war, eine Pension von 5 "Lstrl. das Jahr, mit der sie Miete bezahlten, im übrigen lebten sie von 2 all. 6 ä. die Woche, die sie ver­diente; sie hätten meistens nur von einem

Stück Brot den Tag gelebt und seien nie von Armenwegen unterstützt worden, doch sei zuweilen ein Missionar zu ihnen gekom­men und habe ihnen Auszüge aus der hl. Schrift vorgcleseii, ihnen sonst .aber keiner­lei Unterstützung verabreicht. Das Verdikt lautete in diesem Falle auf natürlichen Tod, obschon nur wenig Zweifel darüber obwal­ten konnte, daß der alle Mann langsam ver­hungert war. Man wird sich vielleicht dar­über wundern, warum die Leute lieber das entsetzlichste Elend erdulden, als ins Armen­haus gehen ; aber die Gefangenen im Zucht­hause werden hier gewöhnlich weit bester be­handelt, als die Armen im.Arbeitshaus«?.

Aus Kamerun wird mitgeteilt, daß im November vor. Jahrs in Belltown ein großer Brand ausgebrochen sei, wodurch das Schulhaus des Lehrers Christallcr in große Gefahr kam. Die Mannschaften der Kriegsschiffe Habicht und Hyäne wurden da­bei zu Hilfe gerufen. Um dieselbe Zeit wurde der Vertreter der Firma Jantzen und Thormühlen Namens Eggert durch ein>n Elefanten getötet. Derselbe hatte mit einem Manlicher-Gewehr auf daS Tier geschossen aber nicht gut getroffen, und wurde nun'

von demselben eingeholt, in die Höhe ge­worfen, in dem nahen Fluß unter Wasser getaucht und sodann vollends getötet.

Unser Körper besitzt merkwürdige Eigentümlichkeiten Ein getunder Mensch wiegt im Sommer ungefähr 3 Pfund weniger als im Winter. Wir sind am Abend kleiner als am Morgen, und zwar beträgt die Diffe­renz 2^/- Centimeter. Von allen Tieren, welche ungefähr dieselbe Größe wie der Mensch haben, besitzt dieser das schwerste Gehirn und zwar 12001500 Gramm. Der Mensch hat, wie schon Aristoteles, der große grichische Philosoph und Lehrer Alexanders des Großen, wnßte, das relativ schwerste Gehirn von allen Geschöpfen. Unser Herz ziebt sich, um den ganzen Organismus mit Blut zu versorgen, in einer Stunde unge­fähr 4500mal zusammen und schickt das Blut nach den peripheren Teilen mit einer G «chwindigkeit fort, welche etwa 40 Meter in einer Minute beträgt. Alles in unserem Köiper vorhandene Blut kommt in jeder Minute ungefähr 18 mal durch das Herz. Wir besitzen 249 Knochen und zwar 60 im Kopf, 67 im Rumpf, 62 in den Armen uno Händen und 60 in Beinen und Füßen.

Hin Werchängnis.

Novelette von F. v. Limburg.

Nachdruck verboten.

1 .

Schräge, goldige Sonnenstrahlen sielen von Westen her über die purpurne Haide, daß sie aufglühte in wunderbarem Glanze. Unabsehbar dehnte sic sich aus bis fern nach den bläulich dunklen Bergen. Leise strich der Abendwind über die weite Grasfläche und die Myriaden von Blumen und Blümchen stießen geheimnisvoll mit den Köpfen zu­sammen, als hätten sie gar manches erlebt, und sich viel, viel za erzählen.

Und da waren ja auch zwei dunkle, träumerische Mädchenauge», die ans der pur­purnen Fläche ruhten und sich nicht satt an ihr zu sehen vermochten. Es schien, als sei die unbekannte Blumensprache plötzlich ver­ständlich geworden, als lausche das junge Mädchen dort am Wiesenrain derselben, um aus ihr das uralte, ewig junge Wunder des Menschcnhcrzens zu erfahren.

Liebe," murmelten die rosigen Lippen deS jungen Mädchens,werde ich je diesel­ben verstehen ? Werde ich selbst einen Mann lieben können? Nein, nein, ich bin ja so kaltblütig, die Leute sagen, mein Herz gliche einem Stein, und doch pocht gerade jetzt recht ungestüm."

Es war eine schlanke Mädchengestalt, die hier sinnend stand, kastanienbraunes Haar rahmte daS feingeschnitlenc Gesicht ein, der kleine rote Mund lächelte kaum merkbar und die Hand legte sich schütz-nd über die klaren, großen Augen. Das junge Mädchen trug ein schlichtes, dunkles Kleid, unter dessen Mieder eine blütniweiße Blouse von feinem Battist sich ansbanschte; die Tracht war mehr ländlich als städtisch und dennoch konnte das Mädchen unmöglich eine schlichte Bauern- tochter sein.

Lauschend wandte das junge Mädch ii jetzt den Kopf. Von links herüber schollen Hufschläge durch den Wald, sic unterschied Stimmen sowie Gelächter und gleich darauf erschienen zwei Offiziere zu Pferde auf

der Wiese, augenscheinlich unschlüssig, wo­hin sie sich wenden sollten.

Potz Donner , und Blitz," rief der eine derselbe, sich im Sattel wendend,will denn diese Gegend noch gar kein Ende nehmen! Wir sind doch wahrlich heiß und müde ge­nug, aber hier auf der schönen, roten Erde ein Dorf zu finden oder auch nur einen Hof, das ist verzweifelt schwer I"

Wo kommen Sie ins Quartier, Herr von Lingen?" frug der zweite, ein hübscher stattlicher Mann mit blitzenden Augen und dunklem Schnurrbart,ich habe ein Quar- tierbillet für den o Pardon, welche Ucbcr- raschung."

Das Pferd des Offiziers parierte vor dem jungen Mädchen, welches ohne Schreck oder Befangenheit seitwärts trat, um die Herren vorbei zu lassen. Doch artig grü­ßend wandte sich der ältere derselben, mit Lingen angcredete zu ihr und sagte:Dürfte ich wohl die Frage an sie richten, mein Fräulein, wo sich der Ho° des Haidemeiers hier befindet, ich komme ins Quartier dort­hin und muß gestehen, daß mir die Gegend gänzlich fremd ist."

Ah," warf der andere Offizier dazwi­schenda liege ich auch welch seltsamer Zufall I"

Auf dem Hofe des Hardemaiers ?" frug das junge Mädchen, über deren Gesicht ein feines Lächeln flog,den kenne ich und will die Herren dahin führen."

Mit einer leichten Handb?wegung jwandte sie sich zurück und schritt den Weg am Wald­rande entlang, während die Offiziere ihre Pferde gleichfalls herumwarfen und sehr er­staunt der schönen schweigsamen Führcrin folgten, deren sicheres, vornehmes Benehmen jeden auch noch so unschuldig m Scherz ans- schloß. Wer mochte sie wohl sein?

Die Gegend war von sclisamer Schör- heit. Weit und breit lag wie ein leucht u- der Teppich das Hawelond vor ihnen, hier und da unterbrochen durch einen Busch oder durch malerisch aufgetürmtes Gestein. Im Hinte-gründe erhoben sich die Berge, teil« im Schmucke grüner, hier und da goldig an-

gevauchtcr Buchen, teils umrahmt von ern­stem dunklen Nadelholz.

Schön ist doch das gesegnete Westfalen, finden Sie eS nicht auch, Herr von Mar- now?"

Gegend und Menschen meine ich," bemerkte Herr von Lingen halblaut, mit einer bezeichnten Geste auf das voranschreitende Mädchen.

Hm ja," lautete die etwas gedehnte Antwort,wenn nur jener Haidemaier gut wohnt."

Ja so, Sie machen zum ersten Mal unsere Manöver mit, Kamerad, und kennen die hiesigen Meier-Höfe noch gar nicht. Wis­sen Sie, wie so ein Meierhof beschaffen?"

Nein, wie sollte ich es auch wissen, die ganze Gegend ist mir noch völlig fremd."

Hm, unsre liebliche Führerin spricht ganz rein hochdeutsch und könnte uns man­ches berichten."

Sie ist ohne Zweifel ein Kind hiesiger Gegend. Sehen Sie den ländlichen Anzug I"

Still, Kamerad, wir scheinen am Ziel zu sein."

DaS schlanke Mädchen wandte sich zu­rück und ein fein ironisches Lächeln schwebte um ihre Lippen, alS sie auf ein großes massives Bauernhaus deutend, sich nun höher aufrichtete.

Wir sind angelangt, meine Herren," sagte sie mit glockenheller Stimme,dies ist der Hof des Haidemaiers mein Vater wird sich eine Freude daraus machen, Sie als Gäste bei sich aufznnehmen."

Voll höchstem Erstaunen, ja fast er­schrocken, standen die beiden Offiziere, welche aus dem Sattel gesprungen waren, vor dem schlanken Mädchen, dessen zartes Gesicht sich kaum höher gefärbt hatte.

Aber, mein Fräulein," stotterte der ält re der beiden,wir hatten keine Ahnung auf Ehre und sind sehr bestürzt nickt eher gewußt zu haben, daß Sie die liebenswürdige Tochter unsres Wirtes sind."

(Fortsetzung folgt.)

ivkraniwrrtlichtr Redakteur: Bernhard Hofms!tn.) Druck und Btrlag von Bernhard Hosmannin Wildhad.