Hiesiges.
Wildbad, 29. Nov. Nachdem gestern Herr Geh. Hofrat Dr. v- Renz von Berlin zurückgekehrt, erstattete derselbe heute in einem von ihm geladenen engeren Kreise hiesiger Herren im Privatzimmer der Restauration Funk Bericht über seine dort gemachten Erfahrungen und seinen Besuch bei Professor Koch. Redner ist von der ung-heuren Wichtigkeit des Kochschm Heilmittels überzeugt und hob, in voller Uebereinstimmung mit den milgeladenen hiesigen Aerzten, besonders hervor, daß das Kochsche Heilverfahren auch für viele unser Wildbad besuchende Kranke mit Gelenk-, Knochen- Drüsentuberkulosc von großem Werte werden dürfte. Eine vorbereitende Station für derlei Kranke am hiesigen Platze vor Beginn der Saison wurde ärztlicherseits für unerläßlich erklärt. Schließlich brachte derselbe ein mit allscitigem Beifall aufgenommcnes Hoch auf Professor Koch aus, worauf Stadlschultheiß Bätzner dem Geh. Hofrat v. Renz den Dank der Anwesenden anssprach.
Rundschau.
— Von den Landständen. Wie der Schw. M. hört, steht das Erscheinen des HauplsinanzetatS für die Jahre 1891/93 jetzt in Bälde zu erwarten. Um seine Fertigstellung zu beschleunigen, wurde in der Druckerei Nachtarbeit angeordnet. Es ist vorgesehen, daß der Landtag möglichst bald im neuen Jahr zusammentritt. Wenn die Beratungen über die Gemeinde- und Verwaltungsreform, die bis Ende Januar dauern werden, abgeschlossen sein werden, wird wohl eine Pause von etwa einem Monat eintreten, nach der der Landtag der Etatsberatung seine Arbeit zuwenden wird. Die Session wird sich wohl kaum bis über den Monat Juni ausdehnen.
Ludwigsburg, 30. Novbr. Heute früh kurz nach 2 Uhr war in dem 2stockigen Hintergebäude des Schreinermeisters Silier in der Mathildenstraße Feuer ausgebrochen. Obgleich Hilfe bald zu Stelle war, brannte das Haus bis auf seine Grundmauern nieder. Eine größere Anzahl Maschinen wurde ruiniert und vieles Material ein Raub der Flammen. Die Ursache deS Brandes ist noch unbekannt. — Von anderer Seite wird noch weiter über diesen Brand mitgeteilt, daß das benachbarte Mehlmagazin des Mehlhändlers Schnäble ebenfalls mit den darin anfgehäuften Mehlvorräten niedergebrannt ist. Das abgebrannte Magazin stand in allernächster Nähe des K. Gewehrmagazins.
Nagold, 30. Nov. Der 61 Jahre alte Adlerwirt Slockinger hier wurde vor drei Tagen von einem Pferd so unglücklich auf den Unterleib geschlagen, daß gestern abend der Tod bei ihm eintrat. — Die Influenza, welche vor drei Wochen die Schließung des Seminars veranlaßt, scheint jetzt wieder vollständig verschwunden zu sein.
Ulm, 28. Nov. Als Bewerber um die am 1. Januar 1891 freiwerdende Stelle eines hiesigen Stadtvorstandes werden genannt: Regierungsrat Schmidlin, Staatsanwalt Lödel und Polizciamtmann Wagner, sämtlich hier, ferner Oberamtsrichter Korn in Tcttnang (ein geborener Ulmer).
Friedrichshasen, 29. Nov. Gestern früh ist Professor A. Stendel, früher am Gymnasium in Ravensburg, gestorben, der seit einigen Jahren hier Wohnung genommen
hatte. Der Verstorbene galt auf dem Gebiete der Archäologie und Ethnologie als eine berühmte Persönlichkeit. Seine Alpen-Pa- noramen erfreuten sich einer besonderen Beliebtheit; auch der Verein für Geschichte des Bodensees verliert in ihm ein sehr geschätztes rühriges Mitglied, dessen Beiträge in den VereinSschr'ften auch außerhalb Deutschlands großes Interesse hervorriefen.
— In Frankfurt a. M. wurde am Freitag abend gegen 6 Uhr auf der neuen Zeit, gegenüber dem Polizeipräsidium, ein Raubanfall verübt. Die Angefallene, ein etwa 20jähriges Mädchen, trug ein Paket mit Wertsachen, das der Straßenräuber, ein noch junger Mann, ihr zu entreißen versuchte. Als die Hilferufe der Bedrohten Vorübergehende herangezogen, entfloh der Räuber, ohne daß cs ihm gelungen wäre, des Pakets habhaft z» werden.
Berlin, 29. Nov. Die kaiserliche Familie siedelt um die Mitte des Dezember nach Berlin über. Die Hofststlichkeiten, welche für die Carnevalszeit veranstaltet werden, sind abhängig von dem zu erwartenden Familienereignis. — Das Kriegsministerium hat den Entwurf für den Bau von 1350 Arbeiterwohnungen, nebst einer Badeanstalt, einer Bibliothek, einem Unterhaltungssaal und einem Park in Spandau genehmigt.
— Den Tod seines Vaters verschuldete ein Angehöriger deS 1. Garde-Ulanen-Regi- ments in Potsdam dadurch, daß er ihm in einem Brief die Mitteilung machte, er sei entschlossen, freiwillig aus dem Leben zu scheiden, und sei bei Ankunft seines Schreibens bereits unter die Toten zu rechnen. Beim Lesen dieser Hiobspost stürzte der jäh erschreckende Vater tot zu Boden, ein Schlagstuß hatte seinem Leben ein schnelles Ziel gesetzt. Inzwischen hatte sich der Sohn rhatsächlich vom Regiment entfernt, sein Leben aber geschont, denn nach einigen Tagen wurde er im Nedlitzer Forst durch einen Unteroffizier aufgegriffen und arretiert,
— (Von der Lokomotive getötet.) Der 64jährige konservative Abgeordnete des englischen Wahlkreises Bassetlaw in Notting- hamshiere, Beckelt, wurde am 24. d. M., Nachmittags, in Wimborne von einem Zuge der London and South Western Eisenbahn überfahren. Er war um 3 Uhr von London in Wimborne angckommen, um einen unweit des Ortes wohnenden Verwandten zu besuchen. Auf der Rückkehr zur Station benutzte er den Bahndamm, als er von einem von Bournewouth kommenden Zuge, dessen Herannahen er nicht bemerkt hatte, erfaßt wurde. Der Wind wehte so stark, daß er unter den drillen Wagen geriet. Sein Körper wurde durch die Räder in Stücke geschnitten. Beckett, ein Bruder Lord Grimthorpes, war der Direktor der London and Souih Western Eisenbahn.
— Wie aus Prag gemeldet wird, wurden bei der Grubenkatastrophe in Brüx 87 Tote zu Tage gefördert. 68 Arbeiter wurden gerettet.
Wien, 30. Nov. In der Umgebung von WolkerSdorf (Niederösterreich) wurde ein heftiger Erdstoß verspürt. Die Glocken des Kirchturms erklangen.
Wien, l. Dez. Aufsehen erregt der Beschluß des obersten Sanitätsrates, daß die ambulatorische Impfung mit dem Koch- schen Heilmittel vorläufig nicht gestattet, daß jeder einzelne Fall behördlich überwacht und
ebenso die Aerzte unter staatliche Kontrolle gestellt werden müssen. Der Bericht der aus Berlin zurückgekehrtcn österreichischen Delegierten über das Kochsche Verfahren lautet sehr pessimistisch.
Goldap, 26. Nov. Eine Probe seiner Geschicklichkeit im Reiten legte ein Lieutenant unser Ulaneneskadron in Folge einer Wette ab. Nicht weniger als 3 Treppen, welche zusammen 50 Stuken haben, ritt genannter Herr mit seinem Hengst im Kasinogebäude hinauf und wieder zurück.
— In Wcttill ist am Mittwoch die 18jähr. Tochter des dortigen Polizeisergeauten mittels eines ihr über den Kopf geworfenen, mit einer betäubenden Flüssigkeit getränkten Tuches in Ohnmacht versetzt und ihr in diesem Zustand der Zopf abgeschnitten worden.
— Fruktifizierte Berühmtheit. Ein Freund StanleyS in Budapest wurde von 2 Damen, die der aristokratischen Gesellschaft angehörcn, ersucht, von dem kühnen Afrikas, für sie je eine Photographie mit seiner Namensunterschrift zu erwirken. Der besagte Freund kaufte zwei Stanley-Photographien, die er ihrem Original mit der Bitte zusandte, ihm dieselben mit seinem Namenszuge versehen zurückzuschicken. Stanley ließ hierauf durch seinen Sekretär erwiedern, er sei z > dem Dienste, »m den er angegangen würde, gern bereit doch koste jede Unterschrift zehn Pfund; billiger könne er es „nicht einmal seiner Mutter" machen. Zehn Pfund für eine Unterschrift und dazu czrix Lxs — ist das nicht die höchste Fruktifizicrung der eigenen Berühmtheit?
(Aus einer Dorfschule.) Lehrer: „ . . So, jetzt spricht Jedes einen Satz, und dann setzen wir denselben in die Befehlsform I" — Michel: „Der Ochse zieht den Wagen!" — „Lehrer: „Nun, Michel, sag die Befehlsform von diesem Satz!" — Michel. „Hüh I"
— Paris Mode. Das eben in Paris
erschienene erste Heft dieser Modezeitschrift, welche bekanntlich die französische Ausgabe der „Wiener Mode" ist, gehört zu den geschmackvollsten Neuheiten des Aeitschriften- marktes. Der farbige Umschlag bringt ein Mode-Genrebild von bestechender Anmut, eine Composttion, welche vor einigen Jahren, bevor die „Wiener Mode" noch ihre künstlerisch aufgefaßten Modezeichnungen publi- cierte, eine Porträlstudie genannt worden wäre. Und in derselben künstlerisch weit- strebenden Art ist das ganze Heft gemacht. Daß der Pariser Verleger, ohne Nennung des Ursprungs „Paris Mode" für eine franz. Publikation ausübt, ist an sich ein Kompliment für die Verleger der „Wiener Mode". Daß diese neue Pariser Fachschrift, welche in ihrem geläuterten Geschmack alle franz. Modezeitungen überragt, in Paris den Erfolg erringen wird, den die „Wiener Mode" in deutschen Landen gehabt, scheint uns zweifellos.
8 Im hiesigen Schlachthause wurden
im Monat November geschlachtet:
9 St. Ochsen 4 St. Kühe
55 „ Schweine 34 „ Kälber
12 „ Schafe 2 „ Ziegen.
Zusammen 116 Stück.
Von Auswärts eingebrachteS Fleisch: 1531 Pfund.
Schlachthausverwaltrrng: Vorstand F. Weber.