Rundschau.
— Zur Feier der Bahncröffnung (26. Nov. Tuttlingen—Sigmaringen ist laut „S. Merkur" folgende Depesche von Sr. Mas. dem König eingelaufin: „Se. K. Majestät haben die aus Anlaß der heniige» Eröffnung der Bahn nach Sigmaringen von den bürgerlichen Kollegien in Tuttlingen ausgesprochene Danksagung wohlwollend angenommen, lassen einen schönen Verlauf wünschen und boffen, daß die neue Bahn für die beteiligte Gegend, insbesondere der Stadt Tuttlingen, eine Quelle reichen Segens werden möge."
Llldwigsbnrg, 28. Nov. Der gestern auf dem hiesigen Bahnhose Verunglückte ist nicht aus Pflugfelden, sondern aus Oßwttl gebürtig; es ist der Ablader Friedrich Lachenmayer in der Frankfchen Cichoeienfabrik. Derselbe hatte unbefugterweise das Eisenbahn- geleisc betreten und wurde von der Rangiermaschine erfaßt und überfahren.
Ebingen, 27. Nov. Nachdem in den letzten Tagen furchtbare Stürme über unsere Berge hingetobt hatten, stellte sich die rauhere Jahreszeit mit Donner u. Blitz ein. In Hausen a. d. L. schlug der Blitz in ein Wohngebäude und zertrümmerte Ziegel und Dachsparren, auch bedeckten Schloßen in Größe von Erbsen, und Haselnüssen handhoch den Boden. Es fiel hierauf massenhaft Schnee, so daß heute bei einer Kälte von 6 °k. bereits eine treffliche Schlittenbahn zur Benützung einladet.
— Ein eigentümlicher Fall von Kindsmord liegt der Staatsanwaltschaft in Tübingen vor. In der Papierfabrik Dettingen, OA. Urach kamen von verschiedenen Orten Ladungen Lumpen an. In einer derselben fand man eine in Leinwand eingehülltc Kinds- lciche. Die gerichtsärztlichc Sektion ergab nach den Eindrücke» aufs Gehirn gewaltsame Tötung. Der Leichnam ist scdoch eine vollständige Mumie, so daß der Zeitpunkt des Mordes nicht festzustellen ist.
— In Tuttlingen ist am Montag bei einem furchtbaren Sturm vom Thurm der katholischen Kirche eine steinerne Kreuzblume mit solcher Wucht herabgestürzt, daß sic das Dach und die Decke der Kirche durchschlug und eine Kirchenbank zertrümmerte. In den Waltungen wurden durch den Sturm eine Menge Bäume entwurzelt.
Saulgan, 28. Gestern abend 9 Uhr ist die Scheuer des FuchSwirts Staudt hier vollständig niedergebrannt. Brandstiftung ist zweifellos. Die neue Hydrantenanlage hat sich glänzend bewährt.
Müttsingen, 27. Nov. In Feldstctlen wurde gestern nachmittag die Familie eines Maurers in großen Schrecken und Trauer versetzt. Der 13 Jahre alte Sohn wurde nämlich in der Scheuer seiner Eltern mit den Füßen auf dem Boden stehend an einem Seil erhängt gefunden. Seine zwei jüngeren Schwestern waren etwa "/« Stunden vorher dabei anwesend gewesen, wie der K. scherzweise äußerte, jetzt probiere er das Hängen, und haben auch noch gesehen, wie er den Kopf in die Schlinge eines herab- hängenden Seils steckte, sind aber aus Angst über sein bleiches Aussehen davongelanfen. Als die jüngste der Schwestern erst nach etwa ^4 Stunden den Vorfall der Mutter erzählte und nach dem Knaben gesehen wurde, war er eine Leiche. Bemerkenswert ist, daß 14 Tage vorher der Knabe der Erzählung einer Frau über zwei Erhäugungssälle be
gierig lauschte und nachher sagte, er glaube nicht, daß man ersticken könne, wenn man beim Erhängen mit den Füßen auf dem Boden stehe.
— Vor kurzem trat bei einem Bauer» in der Näh° Von Landau ein Knecht Oesterreich in den Dienst. Er war ein flotter, gefälliger Bursche, der seinem Dienstherr» bald erzählte, daß ihm eine große Erbschaft be- vorßehe. Dieser Tage kommt er plötzlich ganz beglückt mit einem von der Post erhaltenen Schreiben zu seinem Dienstherrn und giebt ihm solches zu lesen. Der Dienstherr war ganz erstarrt, als er den Inhalt gelesen hatte, worin dem Knechte von einem Bankhause in Frankfurt mitgeleilt war, er solle seine Erbschaft von 32,000 Mark in Empfang nehmen. Nun lud aber auch der glückliche Erbe seinen Dicnstherrn ein, mit ihm nach Frankfurt zu gehen, um seine Erbschaft zu holen, worin derselbe auch einwilligte. Dem Erben fehlten jedoch die nötigen Kleider rc. und er sagte es seinem Dienstherrn. „Sei ganz beruhigt," erwiederte derselbe. „Morgen früh fahren wir nach Landau und kaufen alles Nötige ein", was denn auch geschah. Nun ging die R-ise nach Frankfurt, um das Glück einzuheimsen, wozu der Dienstherr den Betrag von 500 ^ mit sich nahm. Dort angekommen, berichtete ihm sein treuer Diener, daß es wohl jetzt zu spät sei, nach dem Bankhause zu gehen, und so blieb man alsdann in einem Hotel ersten Ranges und zechte auf die zu erhaltende Erbschaft hin, wobei cs an Mithelfern, die dem Knechte jedenfalls nicht fremd waren, auch nicht mangelt^ Später übergab der Landwirt dem glücklichen Erben noch 400 Dieser ging einen Augenblick hinweg und — kam nicht wieder. Der Bauer wartete und wartete und fuhr am andern Tage arg bedrückt nach Hause. Heute sucht die Polizei nach dem Schwindler.
München, 28. Nov. Zu einem neue» Sanatorium für Professor Dr. Kochs Heilmittel ist das Eumppenberg-Palais für 1 Million Mark angekauft worden. Das Aktienkapital der Gesellschaft, die sich für das Unternehmen gebildet hat, beträgt 2 Millionen Mark. — Die Eröffnung des neuen Sanatoriums findet voraussichtlich 15. Dez. mit 30 Betten statt.
Luxemburg. Am Donnerstag trafen in Frankfurt a. M. die Abgesandten der Könige von Sachsen und Württemberg zur Beglückwünschung des Großherzogs Adolf ein. — Aus dem Haag kehrte nach der Beisetzung des Königs Willem der Großherzog und Erbgroßherzog zunächst nach Frankfurt zurück, um von hier mit der Großherzogin Adelheid nach Luxemburg zu reisen. Die Großherzogin wird voraussichtlich nur wenige Tage in Luxemburg bleiben, während der Großhcrzog sich dort 2—3 Wochen aufzuhalten gedenkt. Mit Rücksicht auf die Landestrauer dürfte kein großer Empfang statt- finden. I» diesem Winter wird der Großherzog noch keine Besuche bei befreundete» Höfen machen.
— Aus Berlin wird geschrieben : Wie notwendig es ist, daß die Nutzbarmachung der Koch'schen Heilmethode für die Allgemeinheit seitens deS Staates in die Hand genommen wird, zeigt der Umstand, daß bis jetzt das Verfahren noch so teuer ist, daß cs für Unbemittelte oder auch nur mäßig bemittelte Personen unmöglich ist, sich desselben
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zu bedienen. Die Kosten des Verfahrens, wenn es eben nicht zu Versuchszwecken seitens der Aerzte angewandt wird, dürsten sich auf über 1000 ^ belaufen, wenigstens wurde einer uns bekannten Persönlichkeit seitens eines Arztes die Summe von 1500
für die sechswöchentliche Kur abgcfordert. Daß bei einem solch hohen Preise die segensreiche Entdeckung nicht ihre volle Wirkung im Volke ansüben kann, erscheint vollkommen verständlich; es müssen deshalb Sanotorien auch für Unbemittelte eingerichtet werden und um denselben von vornherein den Charakter von Anstalten, die auf hohen Gewinn spekulieren, zu nehmen, wird es das beste sein, wenn der Staat selbst die Einrichtung derselben in die Hand nimmt. Hat der Staat doch ein großes Interesse daran, die Volks- gesundhcit zu fördern und zu heben.
— Die Summe der. Beiträge, welche für ein in der Reichshauptstadt Berlin zu errichtendes Denkmal für den Fürsten Bismarck eingegangen sind, hat sich auf 866 209
erhöht.
— (Ein sonderbarer Heiliger ) Gestern Vormittag irrte auf der Friedrichsberger Chaussee ein Mann in mittleren Jahren umher und stellte an die dort entlang fahrenden Droschkenkutscher das Ersuchen, ihn nach dem Himmel zu fahren, er sei, so fügte er hinzu, am Sonntag von der Heilsarmee heilig gesprochen und müsse sich daher in die Gemeinschaft der Heiligen begeben. Einer der Kutscher lud den sonderbaren Mann ein, in seinem Wagen Platz zu nehmen, was auch geschah, aber anstatt noch dem Himmel brachte der biedere Rosselenker den „Heiligen" nach dem nächsten Polizei-Büreau. Ein rcquirirterter Arzt stellte fest, daß der Mann, der sich als ein bei seiner Mutter wohnender Schlosser Maynwald entpuppte, vom religiösen Wahnsinn befallen sei. So mußte er, anstatt in die Gemeinschaft der Heiligen, nach der Jrrenstation der Charitee befördert werden.
— (Ein dreifaches Fest) begeht am 28. November ein Gastwirt. Seine silberne Hochzeit, sein 25jährigeS Geschäftsjubilänm und die Hochzeit seiner Tochter. An den Verein der Berliner Gastwirte hat er zu dieser dreifachen Feier eine Gesamt-Einladung ergehen lassen.
Trier, 25. Nov. Durch das rätselhafte Verschwinden ihres 24jährigen Sohnes ist die Familie des auch in weiten Kreisen bekannten Dirigenten der hiesigen Liedertafel, Rcalgymnasiallehrer Ketlenhosen, in große Angst und Sorge versetzt. Der junges, an der Post beschäftigte Mann wohnte noch Sonnabend Abend einem Probcabend der Liedertafel bei und ist seit jener Zeit spurlos verschwunden. Sein Hut wurde Morgens vor der Eltern Haus gesunden. Da seine Obliegenheiten an der Post in bester Ordnung gefunden wurden, so bleibt nur noch die traurige Annahme, daß dem jungen Manne ein Unglück wiederfahren ist.
— Das neueste Opfer in Monte Carlo. Ein 27jährigcr Russe, von K. aus Kietv, erbte unlängst von seiner Tante ein Rittergut. Er verkaufte dasselbe. Nach Bezahlung der Schulden blieben dem'jungen Manne noch 70 000 Rubel, mit denen er sich nach Monte Carlo begab, in der Absicht, sein Vermögen durch Spiel zu — vergrößern. Er verlor aber das ganze Geld und schoß sich aus Verzweiflung eine Revvlverkugel in