Auf gefährlicher Dahn.
Novelle von H, v. Ziegler.
Nachdruck verboten.
15 .
„Ja," sagte sie einfach, „so gewiß ich weiß, daß ich Dir vergeben habe, so bestimmt bin ich überzeugt, daß es auch Gott thun wird, der ja jedem renigen Sünder vergiebt I"
Lange, lange saß das Ehepaar beisamen und Kuno erzählte, nicht den heutigen Unfall allein, sondern seine ganze traurige Le- bensgeschichte seit jener Zeit, da der rote Mathow auf de» Hof gekommen war, bis zu dem Augenblicke als Graf Rudolf besinnungslos blutend am Boden lag.
„Mein armer Kuno !" flüsterte Hannah. „Wie hat der Elende Dich verführt! Er sprach von Gütergemeinschaft aller Menschen, von dem verächtlich. Reichlhume, den die Vornehmen anhäufen und nun — ist er ein gemeiner Dieb geworden, eben um jenes geschmähte» Geldes der Reichen willen! Er leugnete Gott und die Obrigkeit und wird dennoch eines Tages seiner verdienten Strafe nicht entgehen !"
„Und ich war ein Erbärmlicher, ich sog die giftigen Morte und schändlichen Lehren des Mathow gierig ein!" klagte Kuno.
Nur das eine Geständnis gelang dem Bauern nicht, wenn er in seines Weibes liebevolles Auge blickte; er konnte ihr nicht sagen, daß er die Gräfin geliebt und um ihretwillen den Grasen gehaßt; er wollte büßen, furchtbar büßen für seine Verirrungen, aber — dies Bekenntnis vermochte er Hannah heute nicht abzulege», jetzt nicht, nachdem er ihre liebevollen Worte v rnom- men. —
Auf dem Hofe Kornmanns war inzwischen eine große Erregung ausgebrochen. Wie ein Lauffeuer hatte sich die Nachricht im Dorfe verbreitet, der Bauer Kuno Korn- mann habe den Grafen Schwarzbach erschossen und nun standen die Leute voller Aufregung zusammen, um zu berate» was man beginnen solle, denn bei einem „Mörder" wollten sie kcinenfalls bleiben.
Plötzlich ging die Hauslhür auf, der Bauer selbst stand auf der Schwelle und zwar so bleich und verstört, so gänzlich verändert gegen sonst, daß Niemand zweifelte, er habe das Verbrechen wirklich begangen.
Wie vor einem Aussätzigen wichen die Leute vor ihm zurück, keiner der Knechle lüftete wie sonst den Hut vor seinem Herrn, keine der Mägde grüßte und Kuno wankte wie ei» geächteter hinaus.
„Wann wird ihn nur die Polizei abholen," zischelten die Leute, ob er wohl hingerichtet wird oder nur ins Zuchthaus kommt ? Ach, die arme, arme Hannah! Sie hat wahrlich keine guten Tage gehabt, besonders wegen des roten Mathow."
„Der ist ja nun auch fort," meinte die Obermagd, „und hat unsrem Herrn alles Geld gestohlen. Ja, ich sagte es immer, die rothaarigen Spitzbuben, besonders wenn sic einev Buckel haben, sind die schlimmsten. Ah, da kommt die Bäurin."
Hannah, die vom Fenster aus die Reden der Dienstleute mit angehört halte, beschloß eine gütliche Aufforderung an dieselbe zu versuchen und trat deshalb.ruhig, freundlich mitten unter sic.
verantwortliches Aedakteur -. Bern!
«Habt Ihr schon gehört, Leute," siug sie mit fester Stimme, „welch ein Unglück geschehen ist?"
Sie nickten alle schweigend, nur der Och- senknecht antwortete: „Ja, man sagt', daß unser Bauer — den gnädigen Grafen — totgeschossen habe."
„Das istjnicht wahr," erwiderte die Frau, während dunkle Röte auf ihre Wangen trat, „ich will Euch den ganzen Hergang erzählen, und wenn Ihr mir nicht glaubt, dann geht zur Frau Gräfin, die wird Euch alles bestätigen."
Lautlos hörten die Leute zu. Hannah war sehr beliebt bei ihnen und ihre überzeugenden Worte machten auch in der That lebhaften Eindruck ans sie, sodaß zuletzt die Mägde mit der Schürze über die Angen fuhren, um eine Thräne des Mitleids zu trocknen und die Knechte murmelten: „Ja, wen» es so ist, dann ist unser Herr doch unschuldig. Hätl's nicht gedacht, aber wenn es die Frau sogt, ist's so gut wie ein Eid. Die lügt niemals."
„Und nun hört mich an," fuhr Hannah fort, „Ihr wißt, daß der elende Spitzbube, der Malhow, geflohen ist und zwar mit allem Gelde, was mein Mann besaß. Wir sind nun um unser Vermögen gekommen und müssen uns jahr-lang mühsam behelfen, um durchzukommcn. Aber natürlich kann ich Euch nicht alle behalten, und so stelle ich es Euch frei, Euch einen andren Dienst zu suchen, werde aber die, welche noch nicht gleich einen solchen haben, behalten und bezahlen, bis sie ein Unterkommen gesunden haben."
Eine murmelte Beratung erfolgte, dann trat der Großknecht vor, drehte etwas verlegen seinen Hut und sprach endlich : „Bäuerin wir haben alle beschlossen , bei Euch zu bleiben und zwar für die.schlimmste Zeit für den halben Lohn. Ihr seid immer gut gegen uns gewesen und ein Christenmensch hilft dem andern aus. Wir wissen nun, daß der Herr kein — Mörder ist und freuen uns darüber. Also bleiben wir beisammen, in Gottes Namen."
Treuherzig schüttelte er die Hand der Bäuerin, welche vor Bewegung nicht zu reden vermochte und nur mit feuchten Augen dankte; dann löste sich der Kreis und ein jedes ging von Neuem an die Arbeit.
Währenddem war Kuno nach dem Schlosse gegangen, das Haupt gesenkt, doch im Her- z n um Vieles ruhiger als vor einigen Stunden auf dem Heimwege von der Försterei. Er war vollständig mit sich im Reinen, was er zu thün habe, und es verlangte ihn nur nach Versöhnung mit dem Grafen, gegen welchen er so schwer gefehlt. Mit fester Stimme frug er den ihm entgegen tretenden Diener nach der Gräfin und bat, man möge ihn melden.
Der Diener blickte ihn spöttisch von oben bis unten an und sagte dann abfällig:
„Die gnädige Gräfin werden wohl für Euch nicht zu sprechen sein; es weißt hier im Schlosse ein jedes, wie das Unglück geschah."
„Ja," fügte ein anderer hinzu, „außerdem ist der Korumann auch verrufen wegen seiner Verachtung und seinem Haß gegen alle adligen Herren, den können wir jetzt hier nicht brauchen."
„Meldet mich nur," sagte Kuno ein
aro Hofmann.) Druck und Verlag von B e
dringlich, seine Stirnaber schwoll bei den höhnenden Worten bedenklich, „und wenn Ihr Euch vor mir fürchtet — um so .besser, so komme ich nicht in Versuchung, meine Faust ans Eurem Rücken zu probieren."
Wie ein Wirbelwind stoben die Diener auseinander und gleich darauf erschien der erste wieder mit der Meldung : „Frau Gräfin wollten den Kornmann sprechen."
Ruhig und ohne jede linkische V rlegen- heit trat der Bauer in das elegante Boudoir der jungen Fra», dessen kornblumenblaue Poriiören, Vorhänge und Divans einen märchenhaften Eindruck auf den einfachen Mann hervorbrachten ; sein Fuß versank fast in dem köstlichen Smyrnatcppich, ein feiner Wohlgeruch erfüllte den Raum und Kuno meinte, es gäbe wohl nirgends in der Welt einen schöneren Raum.
Bescheiden wartend blieb er an der Thür stehen, und gleich darauf vernahm er aus dem Nebenzimmer einen leichten Schritt; ernst und traurig doch nicht zürnend stand im nächsten Moment Gräfin Margarethe vor ihm und grüßte ihn mit leisem Kopfneigen.
„So müssen wir uns Wiedersehen, Kornmann," begann sie das Gespräch. „Wie rasch wechselt im Leben Glück und Leid. Ich dachte heute früh nicht als ich erwachte, daß ich Abends an meines Gatten Krankenlager sitzen müßte."
„Es ist meine Schuld, Frau Gräfin," jammerte Kuno, hätte ich sogleich eingestanden, daß ich wirklich der Wildieb sei, den der Förster Wessel so lange schon sucht, dann wäre ich nicht in die Lage gekommen, demselben das Gewehr aus der Hand schlagen zu müssen, welches beim plötzlichen Entladen — den Herrn Grafen traf, ohne vaß ich es beabstchiigte."
„Dankt mit mir Gott, Kornmann, daß mein Gatte am Leben blieb und Sie nicht zum Mörder wurden I"
«I"," nickte der Bauer schmerzlich, „ich habe es schon gelhan ! Wäre der Schuß ins Herz gegangen, dann — lebte auch ich jetzt nicht mehr."
Teilnehmend blickte die Dame in daS wettergebräunte, schmerzzuckende Antlitz des Bauern. Alle Furcht, die sie noch heute Morgen vor der Leidenschaft Kornmanns empfunden, war verschwunden, er that ihr nur unsäglich leid.
„Nun, Kuno, ich kann Ihnen sonst gute Nachricht geben," entgegnete sie mild,, „mein Gälte ist ruhig und schläft jetzt; in der Nacht, meinie der Arzt, würde sich wohl Wundsteber einstelle», doch sei keine Gefahr vorhanden."
„Ich möchte so gerne — den Herren Grafen sehen — um ihn um Vergebung zu bitten."
„Heute nicht, Kornmann, ein andres Mal; er wird gewiß bald besser werden."
„Ich kann nicht warten, F-au G-äfin, ich muß morgen früh ganz zeitig in die Stadt — aus's Gericht, und weiß nicht, wann ich von dort wiederkomme."
Sein Ton klang so eigentümlich, daß die Gräfin aussah. „Aufs Gericht ? Was wollen Sie dort?"
„Ich will mich selbst anzeigen — als Wilddieb und Verbrecher."
(Fortsetzung folgt.)
rnhard Hofmann in Wildbad.