Auf gefährlicher Bahn.
Novelle von H. v. Ziegler.
Nachdruck verboten.
6 .
„Nun, der Ohm vermißte Geld; auch kamen andere bedenkliche Dinge im Hause vor, die Dein Vater dem Mathow zulraute. Doch, Kuno, das war anfangs nur starker Verdacht und keine Gewißheit — Mathow hat aber doch schließlich" gestanden, daß er einmal einige Geldstücke vom Tische genommen- Natürlich mußte er denselben Abend aus dem Hause.
„Hm, Mathow war ein arbeitsamer Mensch und ich meine fast, sein Fehltritt ist zu hart bestraft worden."
„So hättest Du einen offenbaren Dieb und Störenfried im Hause behalten?" frug Hannah sehr ernst, „und Dir von demselben alle Leute aufsässig machen lassen?" Kuno antwortete nicht, sondern griff zur Mütze, die am Nagel hing.
„Ich Sche ins Dorf," sagte er hastig, „Graf Rudolf zieht jetzt mit seiner Gemahlin ein und ich will es gern sehen."
„Das ist recht, Kuno," nickte das blonde Mädchen freundlich, „Du kannst Deinem Vater dann heute Abend von dem Einzug des gräflichen Paares erzählen; das wird ihn erfreuen, denn er hängt mit großer Liebe an Graf Rudolf. Also auf Wiedersehen!"
Hannah verschwand mit ihrem Schlüsselbund in der Küche, und Kuno schritt gemächlich den Weg nach dem Dorfe entlang.
Bald erblickte er dann auch all die getroffenen Empfangsvorbcreitungen. Am Eingang der nach dem Schloß führenden Straße erhob sich ein Triumphbogen aus Tannengrüu, geichmückt mit Fahnen, Bändern und Blumen. Die stattlichsten Burschen des Dorfes hielten zu Pferde in der Nähe, um auf ein angegebenes Zeichen sofort dem sich nähernden Wagen entgegen zu sprengen.
„Na Kuno," sagte der Ortsschulze herablassend, „Du bist just zur rechten Zeit eingetrosfm, seht nur, sie kommen schon. Die Jungen dort am Waldrande brennen eben einen Kanonenjchlag los."
Die Reiter setzten sich in Bewegung, der Schulze las nochmals die vorbereitete Ansprache durch und die Musikanten hielten ihre Instrumente bereit; drüben wirbelte eine Staubwolke auf, fröhliches Hoch- u. Hurrah- rusen ertönte und wenige Minuten darauf hielt der Wagen des gräflichen Paares dicht an der Ehrenpforte I Graf Rudolf neigte sich freundlich hinaus, die Dame an seiner Seite schlug den Schleier zurück und der Schulze begann eine blumenreiche Rede.
Kuno aber stand wie gebannt seitwärts. Was war es, was auf den trotzigen jungen Mann einen solchen Eindruck machte? Stieg ein Engel vom Himmel hernieder, um den hier versammelten Menschen znzulächeln? Gräfin Margarethe Schwarzbach war das bezaubernde Wesen, das schöne liebreizende Weib dort im Wogen und der junge Graf an ihrer Seite besaß sie für das ganze Leben. Noch nie halte bis zu dieser Stunde ein weibliches W>sen Kunos trotziges Herz höher schlagen lassen, erst diese schöne, vornehme Dame, welche so hoch über ihm stand, bewirkte dies Wunder. Große, träumerische braune Augen blickten aus dem zarten Gesicht der jungen Gräfin, lockiges kastanien-
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braunes Haar umgab das Antlitz derselben und ihre zarten kleinen Hände vermochten kaum den großen duftenden Strauß zu halten, welchen die Dorfgemeinde ihr huldigend darbrachte.
Wie lange der junge Bauer so gestanden, wußte er selber nicht, nur das war ihm klar, daß eine Veränderung in seinem Innern vorging. Hatte er bisher dann und wann Graf Rudolf gegrollt um des verstorbenen herzlosen Vaters willen, von jetzt an beneidete, ja haßete er ihn, weil er dies schöne Weib besaß, welches ja niemals dem niedriggeborcnen Bauern hätte angehören können.
O, wie Kuno die Vornehmen glühend haßte! Sie sollten alles Schöne, alles Angenehme besitzen und die niedriggeborcnen konnten sehen, was für sie übrig blieb. Zähneknirschend ballte er die Faust, da fiel des jungen Grafen Blick auf ihn, er winkte und nickte, doch Kuno lüftete nur von ferne den Hut und verschwand in der Menschenmenge, die nun jubelnd den weiter-fahrenden Wagen zum Schlosse begleitete.
Kuno eilte in den Wald, immer tiefer hinein, daß er keine Menschen mehr sehen, keine Musik hören konnte; er wollte allein sein mit sich und seinem erregten Gemüt, wollte ungestört an die schöne Gräfin denken, deren süßes Lächeln ihn halb wahnsinnig gemacht hatte.
Da plötzlich klang au- einem klein-» Fichtendickicht ein heiseres Lachen hervor, Kuno erkannte cs auf der Stelle und rief erstaunt: „Mathow, Du bist hier? Was soll das heißen?"
„Nun, da Du vom Militärdienst zurück gekommen bist, Kuno, wirst Du wohl begreifen, daß ich mich an Dich wende um Entschädigung für die Schmach zu erhalten, die mir Dein Vater anthat."
„Du wurdest sortgejagt, weil Du gestohlen hattest."
„Ah, die wenigen elenden Geldstücke," meinte der Strolch verächtlich, „wer frägt »ach solcher Kleinigkeit? Hätte ich das Einkommen Deines Vaters, cs sollte mir eine Freude sein, dasselbe alle Wochen zu gleichen Teilen unter meine Leute zu vergeben."
„Du hast auch schlechte Schriften unter die Knechte und Arbeiter gebracht, Mathow. Was bist Du eigentlich für ein Mensch. Was bezweckst Du mit solchen schlechten Schriften?"
„So, schlechte Schriften. Hast Du sie gelesen, Kuno? Es sind dieselben Ansichten und Worte, welche ich so oft von Dir selbst vernommen habe. Nieder mit den Reichen, den Vornehmen! Gleichheit unter allen Menschen, Gemcinschast des irdischen Gutes. Das ist das Schlechte, was in den Schriften gestanden hat. Hahaha!"
„Nieder mit den Vornehmen," zischte Kuno durch die Zähne, und eS fiel ihm ein, wie durch das sociale Gesetz zwischen ihm und seinem einstigen Spielgefährten, dem Grafen Rudolf, eine berghohe Mauer sich türmte.
„Ja, die Melodie von Arm und Reich kennst Du auch," nickte Mathow hämisch, „aber höre Kuno, helfen mußt Du mir, ob Du willst oder nicht —"
„Oho, das letztere möchte ich denn doch wissen."
harv HofM » nn.) Druck und Verlag von B e
„Solltest Du solch kurzes Gedächtnis haben?"
Mathow trat dicht zu ihm heran und flüsterte ihm zu: „Kennt doch weder Euer Vater noch der Graf Schwarzach den Wilderer, welcher so oft sich im Forste umhertrieb, ich aber kenne denselben ganz genau!"
Als nach einer längeren Unterredung der Rothaarige endlich seinen Zweck erreicht und wieder davon eilte, sah Kuno todenbleich auS und seine Hände bebten. Er wandte sich eilig dem Hause wieder zu und trat über die Schwelle, so finster und weltfeindlich als je. „Was habe ich gethan!" murmelte er mit der Faust sich an die Stirn schlagend, „die Kette schleppt am Fuße — vielleicht fürs ganze Leben."
Freundlich wie immer trat ihm Hannah entgegen.
„Hast Du die Henschaft ankommrn sehen?" frug sie, „und ist unsre junge Gräfin schön?"
„Ja — wie ein Engel," antwortete Kuno zerstreut und ging an Hannah vorbei in seine Stube.
„Was mag ihm wiederfahren sein?" dachte das gute Mädchen verwundert, „er ist wie umgewandclt, und wenn ich nicht wüßte, daß der elende Mathow fort ist, ich dächte, Kuno hätte ihn wieder getroffen und wäre von ihm auffs Neue in seinem Herzen vergiftet worden."
„Mamsell," sagte eine Magd, jetzt hastig aus der Krankenstube eilend, „kommt nur hinein, ich glaube der Bauer ist schlimmer geworden und ich fürchte mich allein bei ihm zu fein."
„Sei nicht so ängstlich, Luise," meinte Hannah gelosten, aber auch auf ihren Wangen erblich die Röte und hastig, doch lautlos, trat sie an des Oheims Lager.
Die letzten Stunden hatten den Kranken völlig verändert und auf dem blassen, gelblichen Antlitz deS Bauern war der Stempel des Todes unverkennbar eingeprägt; Hannah preßte nur sekundenlang die Hand auf ihr pochendes Herz, dann wandte sic sich zu der Magd und sagte klanglos: „Hole den Kuno her. Sein Vater ist sehr schlimm, Kuno muß unverzüglich kommen."
(Fortsetzung folgt.)
Alles Falschheit.
Falsche Freunde, falsche Thränen, Falsche Wechsel, falsche Wahl,
Ein Gebiß von falschen Zähnen, Quell von falschem Material.
Falsche Münzen, falsche Scheine, Falsche Frauen große Schaar, Falsches Bier und falsche Weine, Falsche Moden, falsches Haar,
Falsche Kassenüberschreibung,
Falsche Z°ugen, falscher Eid, Falsche Ländereinverleibung, Schmählich falsche Frömmigkeit,
Falsche Steine und Juwelen, Falsches Silber, falsches Gold, Falsche Zungen falsche Seelen, Kurzum falsch, waS ihr nur wollt.
Falsche Perlen, falsche Ringe, Falsche Herzen weit und breit,
Alle diese falschen Dinge Sind ein Zeichen uns'rer Zeit.
rnh«rd Hrfmann in Wildbad,