Rundschau.
Stuttgart, 29. Okt. S. Maj. der König wird kommenden Freitag Miltag zwischen 12 und 1 Uhr mil seinem Gefolge aus Bebenhansen hier einlrefsen und im kgl. Residenzschloß Wohnung nehmen. Se. Majestät gedenkt den ganzen Winter über in Stuttgart zu bleiben. Ter neue Wintergarten des Kgl. Residenzschlosses wird in einigen Tagen fix und fertig sein, so daß er mit Bäumen, Stränchern und Blumen besetzt werden kann.
— Morgen Dienstag den 4. November werden bei den Truppenteilen des königl. Armeekorps die Rekruten zum Dienst mit der Waffe eingestellt. Die Rekruten zum Dienst ohne Waffe (Oekonomiehandwerkcr und Krankenwärter) sind bereits am 1. Okt-, die Kavallerie-Rekruten am 3. Okt., eingestellt worden. Die Rekruten für die 16. (k. w.) Eisenbahnkompagnie werden am 3., für das 8. Juf.-Regt. Nr. 126 am 6. Nov. eingestellt. Sämtliche Rekruten werden in den Bezirksstabsquartierlen gesammelt und von Begleitmannschaften, welche die Jnf.- Regimenter Tags vor dorthin senden, den Truppenteilen zugführt.
Stuttgart, 29. Okt. Die würtl. Generale Frhr. v. Schott und Frhr. v. Falkenstein werden nach Preußen kommandiert werden.
Stuttgart, 31. Okt. Wie der S. M. vernimmt, ist das Abschiedsmahl, das vom Offiziercorps des K. württ. Armeccorps dem zurückgetretenen kommandierenden General, General der Kavallerie v. Alvensleben, gegeben wird, auf Mittwoch 5. November an- bcraumt. Das Mahl wurde bei Cafetier Bechtel bestellt.
Ludwigsburg, 30. Okt. In dem Laden eines hiesigen Juweliers ließ sich, wie die L. Ztg. berichtet, dieser Tage ein Schulknabe, angeblich im Aufträge seines Vaters, als welchen er einen hiesigenKommissionär nannte, zur Auswahl vier silberne Ketten im Werte von zusammen 40 c/A geben. Da der Juwelier indessen dem Knaben die Ketten nicht ohne weiteres geben wollte, ließ er ihn durch sein Töchtcrchen nach einem Hause am Kaffce- berg begleiten, wo, wie er sagte, sein Vater wohne. Dort angekommen, sprang der Knabe die Treppe hinauf und versteckte sich unter die Dachverschalung, unter welcher erst nach längerem Suchen entdeckt wurde. Die Ketten, die er noch in der Tasche hatte, wurden dem Eigentümer wieder eingehändigt.
Heilbronu, 30. Oki. Unter den Ersatz- reservlsten 1, Klasse, welche kürzlich hier ihre lOwöchige Dienstzeit abdienten und letzten Samstag entlassen wurden , befand sich ein junger Mann von hier, der die Anlegung von Waffen verweigerte, weil ihm sein Glaube (er gehört einer hiesigen Sekte a»), dieses verbiete. Alle Vorstellungen waren umsonst, er blieb bei seiner Weigerung. Derselbe wurde hierauf 4 Wochen in Arrest verbracht, alsdann 14 Tage wieder frei behandelt und nach seiner wiederholten Weigerung nochmals mit 4 Wochen bedacht. Heute wurde er sreigelassen,
Tübingen, 30. Oktbr. Der zum Tode verurteilte Raubmörder Mickelcr von Rottenburg ist von S. M. dem König zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe begnadigt worden.
Reutlingen, 30. Okt. Vorgestern abend kam es zwischen dem zurzeit beschäftigungs
losen Mechaniker Böhler und seiner Frau, wie schon oft, wieder zu Heftigem jStreit, in dessen Verlauf der Mann seiner Frau 12 Messerstiche in Kopf, Hals und an der Hand beibrachte, die für das Leben der Frau das Schlimmste befürchten lassen. Der Mann machte hierauf, die Schwere seiner Thai cin- seheud, lt. Sch. KreiSztg. einen Selbstmord versuch, indem er sich mit dem Messer ebenfalls verletzte. Derselbe, wurde bald darauf verhaftet.
Hcnighofen, OA. Tettnang, 30. Oktbr. Der Bauer Fidel Opillcr von Matzenwciler, Gemeinde Flunau, verunglückte laut O- Z. dadurch, daß sein Gefährt infolge zu scharfen Anziehen des Pferdes umgeworfen u. Opiller herausgeschleudert wurde. Er erlitt einen Schädelbruch und starb am andern Tag. Eine Frau und ein Kind, welche sich auch in dem Fuhrwerk befanden, blieben unverletzt.
Ravensburg, 31. Okt. Gestern erfolgte die Verhaftung des Stiftungsverwaltcrs R. wegen Unterschlagung. Bis jetzt ist ein Fehlbetrag von 12,000 ^ ermittelt.
Frankfurt, 30. Okt. Von einer sparsamen Häushälterin erzählt ein Berichterstatter folgende Geschichte, die, wenn nicht wahr, jedenfalls hübsch erfunden ist: Ein hiesiger Privatier, ehedem ein wohlhabender Mann, kam in seinen Verhältnissen immer mehr zurück und es wäre ihm schlimm ergangen, wenn sich nicht die Haushälterin seiner erbarmt hätte. Diese ist seit zwanzig Jahren bei ihm bedienstet und hat es durch Sparsamkeit im Lauf der Zeit zu einigem Vermögen gebracht, das sie ihrem Herrn unter der Bedingung anbot, daß er gleichzeitig ihre Hand annehmc. Der Mann war damit einverstanden und wird demnächst aus seiner Haushälterin eine Hausfrau machen, womit beiden Teilen geholfen ist.
— Man glaubt in München, daß die Entscheidung des BundeSrates auf den bayerischen und sächsischen Antrag bezüglich Erleichterung der Viehcinfuhr in Bälde erfolgen werde. Darüber, wie die Entscheidung ausfallen werde, ist man jedoch nicht sicher. Man besorgt, es möchte am Ende roch das Gewicht der norddeutschen Agrarier den Ausschlag geben.
— Die Vermählung der Prinzessin Victoria von Preußen mit dem Prinzen Adolf von Schaumburg-Lippe, welche nunmehr end- giltig auf den 19. November festgesetzt ist, wird nicht in Berlin, sondern in Potsdam stattfinden, und zwar mit Rücksicht auf die Kaiserin, welche der kirchlichen Einsegnung ihrer Schwägerin beizuwohnen gedenkt. Von dem urspringlich für die Hochzeitsfeier in Aussicht genommenen Geburtstag der Kaiserin Friedrich, dem 21. November, ist auf den besonderen Wunsch der letzeren Abstand genommen worden, da dieselbe diesen Tag, wie im vorigen Jahre, in stiller Zurückgezogenheit verbringen will- Der historische Fackeltanz, welcher bei Vermählungsfeierlichkeiten von Mitgliedern der preußischen Königsfamilie getanzt zu werden pflegt, soll dieses Mal nicht aufgeführt werden, wie überhaupt die Festlichkeiten sich in bescheidenem Rahme» halten sollen. Zur Hockzeitsreise des jungen Paares, welche sich bekanntlich bis nach Indien auSdehnen soll, ist den, Prinzen vom Kaiser ein einjähriger Urlaub erteilt worden.
— Dieser Tage kam, wie der „Düss. A." berichtet, eine Frau aus Lünen in Dort
mund zum Markt, die ein kleines, ungefähr 6 Monate altes Kind in einem Korbwagen mit sich führte, dasselbe für 10 Mark zum Verkauf auöbietend. Das seltene Schauspiel hatte eine Menge Neugieriger angelockt, die über die Mutter ihre Entrüstung kundgaben.
-- Aus Gent wird geschrieben: Gens- darmen, die einen Deserteur verhaftet wollten, wurden von Sozialisten in einer Vorstadt avgegriffen, die Steine auf die Gensdarmen schleuderten; mehrere wurden schwer verwundet. Alsdann wurde Feuer auf die Menge gegeben, eine Anzahl Personen wurde getroffen. Dennoch gelang es, den Gefangenen zu befreuen. Die wütende Menge wurde endlich auseinandergetriebcn, nachdem sie die GenSdarmcn bis zu den Thoren der Stadt verfolgt halten.
— Admiral Freemantle eroberte Witu und brannte den Ort nieder.
— Die Einsetzung einer Regentschaft in Holland für den König, der nicht leben und nicht sterben kann, stößt auf Schwierigkeiten. Gewitzigt durch die heftigen Vorwürfe ihres Gemahls nach seiner letzten Wiedergenesung will die Königin Emma die Regentschaft vorerst nicht übernehmen und das Ministerium muß zusehen wie es die Regierungsgeschäfte ohne einen Regenten weiterführt.
— (Bestrafung von Rohheitsvergehen.) Vor einigen Tagen hat der Königliche erste Staatsanwalt zu Beuthen O.-S, folgende sehr berechtigte und zeitgemäße Warnung veröffentlicht, welche deshalb von hochwichtigem Interesse ist, weil sie zur Nachachtung nicht genug empfohlen werden kann: Die große Zunahme der Körperverletzungen und anderer Rohheitsvergchen veranlaßt mich, darauf hinzuweisen, daß das Königliche Landgericht zu Beuthen O.-S. dergleichen Strafthaten, namentlich wenn sie mittelst einer Waffe, insbesondere eines Messers oder eines anderen gefährlichen Werkzeuges, mittelst eines hinterlistigen Ueberfalles, von Mehreren gemeinschaftlich oder mittelst einer das Leben gefährdenden Behandlung verübl sind, unnach- sichtlich mit hohen Strafen, meist mit einem Jahre Gefängnis beginnend, zu belegen pflegt. Ebenso hat das Königliche Schwurgericht hier am 2. Okt. cr. einen Arbeiter, trotz seiner Jugend und bisherigen Unbescholtenheit, mit 5 Jahren Zuchthaus und gleichdauerndcm Ehrverlust bestraft, weil ein von ihm Ge-t stochener der erhaltenen Verletzungen erlegen ist. Ich mache warnend auf die Folgen solcher Ausschreitungen aufmerksam.
Wien, 30. Okt. Der Kaiser empfing den Obersten Grafen Hartenau, der zunächst das Kommando des 2. Bataillons des Grazer Regiments übernimmt.
— Wie ans London gemeldet wird, wurde ein 32jähriges, schlecht beleumundetes Frauenzimmer in Hampstead mit vom Rumpfe fast gänzlich getrenntem Kopf und fürchterlich verstümmelt aufgefunden. Der Polizei konnten keinerlei Anzeichen zur Auffindung des Mörders gemacht werden; auch keine Verhaftung ist vorgenommen worden.
— In Bremen sind in den letzten beiden Tagen 10,000 Auswanderer nach Brasilien aus Russisch-Polen und Wolhynien eingetroffen. Weitere Zuzüge werden in den nächsten Tagen erwartet.
— In einer Volksversammlung wurde der Geburtstag Moltkes in Newyork festlich begangen. Als Festredner traten auf Depew und General Sigel.