Rundschau.

Stuttgart, 24. Okt. Wie derSchw. Merk." erfährt, ist gestern nackmittag dir Enthebung deS kommandierende» Generals v. Alvcnsleben von dein Kommando über das 13. (»igl. württ.) Armeekorps erfolgt. Des Ferneren wurde durch Allerh. Ordre vom 19. d. M. die Stellvertretung deS koni- mand. Generals dem Kommandeur der 20. Division, Gcnerallieutcnaut v. Wölcker» bis zur Ernennung eines kommandierenden Gene­rals übertragen.

AlvenSleben ist nickt zur Disposition gestellt, sondern zu den Offizieren von der Armee, mit dem Wohnsitz in Berlin, ver­setzt und wird voraussichtlich mit einem Kom­mando in Berlin betraut werden. Seit dem l9. Mai 1886 stand er an der Spitze des 13. Armeekorps. DemSchw.-Merkur" zufolge verlieh ihm der König anläßlich sei­nes Rücktritts das Großkreuz deS Militär- Verdienstordens.

Calw, 24. Okt. Gestern abend wurde im Gasthof zum Waldhorn der Abschied zweier geachteter und beliebter Beamten ge­feiert: der des in gleicher Eigenschaft nach Reutlingen beförderten Straßenbaninspektors Stuppel und der des Oberamtsrichters From- mann, der nach Hall befördert wurde.

Ulm, 27. Okt. Heute früh schoß ein schlecht beläumnndeter Schlcsserlehrling in der Wcrkstätte seines Meisters einen Nebenlchrling mit einem Revolver in die Hüfte, so daß dieser sofort umsank. Der Thäter ergriff sogleich die Flucht und ist noch nicht bcigebracht. Es scheint keine Ab­sicht, sondern Fahrlässigkeit vorzuliegen, da der That keine Streitigkeiten vorausgingen. Der Verletzte wurde in das Spital verbracht.

UltN, 25. Oktober. Der Fürst und die Fürstin Radziwill ans Berlin und die barm- herherzige Schwester Prinzessin Hedwig Rad­ziwill ans Potsdam sind gestern abend von Wörishofen, wo sie bei Pfarrer Kneipp eine Kur dnrchgemacht haben, hier einge troffen und im Russischen Hofe abgestiegen.

Pforzheim, 25. Okt. Dieser Tage wurde der von der Wagenfabrik W. Dicm in Heil­bronn a. N. für die hiesige Stadtgemeinde gelieferte Kinder-Leichen-Wageu von Seiten der städtischen Verwaltung übernommen. Die Form dieses Wagens ist die eines Landauers, bequem vwrsitzig, bei welchem sich nach dem Kutscherbock der Raum zum Stellen des Sarges befindet. Ter ganze Wagen ist in äußerst leickler, sehr gefälliger Form gebaut, der Sarg-Anfsatz, im Renaissancestyl, ist mit reicher Bildhanerurbeit versehen. Aller­seits wird der Wagen als höchst solid aner­kannt und macht dem Wagenbauer Diem alle Ehre, wie auch die innere Ausstattung bis aufs Kleinste sehr geschmackvoll gefertigt ist. Noch besonders wichtig für unser Ter­rain und besonders hervorzuheben ist der Umstand, daß ein leichter und ruhiger Gang des Wagens ermöglicht ist und dieser de» Pferden wesentlich zur Erleichterung dient. So viel wir hören, soll auch der neue Leichen­wagen für Erwachsene angekommen sein, der an Eleganz und Gediegenheit dem Kinder- leichenwage» mindestens gleichkommcn dürste.

Berlin, 26. Okt. Die hiesige» Feiern zu Ehren des Gcneralfeldmarschalls Grafen Moltke wurden gestern abend durch den groß­artigen Fackelzug eröffnet, der sich unter Teilnahme von etwa 20 000 Personen prä­zis 7 Uhr nach dem prachtvoll geschmückten

Generalstabsgebande in Bewegung setzte. Beim Eintreffen dcs'Zugs stand Moltke un­ter dem Portal und wurde dort vom Vor­sitzenden deS Komiles mit einer Ansprache und Ueberreichung eines silbernen Lorbeer­kranzes begrüßt. Moltke dankte in herzlichen Worten. Als der Zug beim Vorübergehen zum zweitenmal anhielt, wurden patriotische Lieder gesungen. Zuletzt sprach herab vom Siegeswagen eine Germania (Fräulein We- gener) eine poetische Huldigung Wilden- bruch's und überreichte einen grünen Lorbeerkranz. Der Jubilar trat dem Wa­gen entgegen und erwiderte: Die Germania, die sie so schön dargestellt haben, mag stolz sein auf ihre Rcichshauptstadt, wo ein pa­triotischer Gedanke hinreicht, alle Bürger zu versammeln. Ich nehme die Huldigung für daS deutsche Volk an." Als der Zug vor­über war, mußte der Jubilar noch einige Zeit am Fuße des Portals verweilen, um die stürmischen spontanen Ovationen des her­andrängenden Publikums entgcgenzunehmen. Am heutigen Tage verhinderte die Ungunst der Witterung die öffentliche Entfaltung der Feier. Die Auffahrt der Gratulanten mußte in geschlossenem Wagen statlftnden. Die Mitglieder des Generalstabs waren die ersten, welche ihre Glückwünsche darbrachten; um 11 Uhr trat vor dem Gebäude das Kadet- lencorps an. Moltke trat in Uniform, mit allen Orden und Ehrenzeichen geschmückt, aus dem Portal und schritt die Front des Kadettenkorps ab, von jeder Kompagnie mit brausendem Hurrah begrüßt. Einzelne ihm bekannte Kadetten beehrte der Gcneral-Feld- marschall durch kurze Anreden. Das rings­um stehende Publikum brachte dem Jubilar durch ununterbrochene jubelnde Zurufe seine Huldigung dar. Um 11'/« Uhr traf der Kaiser zu Wagen ein, schritt die Front des Kadettenkorps ab und begab sich sodann in die Wohnung des Jubilars. Der König von Sachsen, die preußischen Generalftld- marschällc und Generalobersten und die kom­mandierenden Generale der preußischen und bayerischen, sowie des württembergischen Ar­meekorps hatten sich schon gegen halb 12 Uhr nach dem Generalstabsgebäude begeben.

sSoll mau Kindern Geld in die Hände geben lieber diese Frage äußert sich Theodor Schmidt in derSchweizer Hauszeitung" folgendermaßen:Soll man Kindern Geld in.die Hände geben?" Wie oft wird diese Frage mit einem entschiedenen Stein" beantwortet, und wenn man weiter fragt:Warum nicht?", so wird Einem ebenso ohne Bedenken erwidert:Weil ein Kind den Wert des Geldes nicht kennt und deshalb mit Geld nicht umzugehen versteht." Darauf frage ich aber:Wann soll ein Kind Geld und Geldeswert kennen lernen? Wenn es Verstand hat, wenn cS nicht mehr ein Kind ist? Der Knabe vielleicht, wenn er die Schule verläßt und in die Lehre kommt?" Wer dann erst Geld in die Hand be­kommt, wird selten, zum minocsten schwer lernen, mit Geld umzngehen; man gewöhne im Gegenteil ein Kind bei Zeiten daran, daß cs den Gcldeswert kennen lernt. Selbst­verständlich darf ein jüngeres Kind keine größeren Summen anvertraut bekommen. Man fange damit an, daß man einem Kinde sobald es den Begriff vonGeld" versteht, ein kleines Taschengeld gibt ein paar Pfennige in der Woche. Das gibt dem Kinde einen unschädlichen Stolz und erweckt

ein gewisses Selbstvertrauen in ihm, welches ein jeder Mensch haben soll und daS, je früher in einem Menschen angeregt, um so besser für die Zukunft ist; es lehrt das Kind auch, bei Zeiten das Geld zusammen­zunehmen und auf eigene Kosten Anderen Freude machen. Das Kind soll jedoch über seine kleinen Geldmittel Buch und Rechnunng führen, damit cs wirischaften lerne und sich an Ordnung und Sparsamkeit gewöhne. Die Ellern sollen aber nicht beständig Einblick in das Ausgabebuch nehmen, um das Kind betreffs seiner Ausgaben nicht zu sehr zu beeinflussen; sie sollen nur dann tadelnd oder hindernd eingreifen, wenn das Kind das Geld vernascht oder in anderer Unrech­ter Weise verthnt. Nach den Beobachtungen, welche ich in dieser Beziehung an den ver­schiedensten Kindern gemacht habe, kann ich wohl mit Recht behaupten, daß es Eltern selten zu bereuen hatten, ihren Kindern in dieser Weise bei Zeiten Geld anvertraut zu haben, während ich mancherlei Fälle kenne, wo cs, besonders bei Knaben, geradezu zum Unglück geführt hat, wen» dieselben, so lange sie schulpflichtig waren, nie auch nur über einen Nickel frei verfügen konnten.

Spa, 14. Okt. Ein launiger Auftritt ereignete sich dieser Tage am hiesigen Bahn­hof, als die Königin von Belgien im Be­griffe stand, unseren Badeort zu verlassen. Die ganze offizielle Vertretung Spas hatte sich an der Station eingefunden, um durch Blumensträuße, Reden u. s. w. das Be­dauern über das Scheiden der Regentin kund zuthun. Die Königin war bereits in den Sonderwagen eingestiegen und vor ihnen standen aus dem Bahnsteig entblößten Haup­tes die städtischen Behörden und harrten deS Augenblicks der Abfahrt. Plötzlich rief die Fürstin aus dem Wagen:Bedecken Sic sich doch, meine Herren, sonst könnten Sie sich als Andenken an mich noch einen Schnupfen holen." Zögernd folgten die Herren der Aufforderung, nnr der Bürgermeister ließ seinen würdigen Scheitel unbedeckt, und als dies die übrigen merkten, ließen auch sie ihre Hüte verstohlen wieder vom Haupte ver­schwinden.Setzen Sie doch ihren Hut auf, Herr Bürgermeister," meinte die Köni­gin lachend. Ader der Angcsprochcne ließ es bei einer liefen Verbeugung bewenden.Nun denn," fuhr die Fürstin zu einem dasteh­enden Arzte aus Spa gewandt fort, dann fordern Sie den Herrn im Namen Ihrer Fakultät auf, meinem Wunsche zu entsprechen." Aber vergebens blickte der Jünger Aeskulaps flehend zu dem Bürgermeister hinüber. Letz­terer war nicht in der Lage, dem Befehle zu gehorchen, weil er keine Kopfbedeckung mitgebracht hatte.

Ein steierisches Lourdes, Aus Graz wird gemeldet: In einem Bauernhauseiin Walde nächst Klein-Sonntag bei Luttenberg lebt ei» 12jähriges Mädchen, das seit mehr als einem Monat auf einem Tannenbaume täglich 2 Uhr nachmittags und abends vor Sonnenuntergang die Mutter Gottes zu sehen behauptet, die sie beauftrage, den Gläu­bigern ihre Wünsche zu melden. Nun kom­men ganze Prozessionen aus Ungarn, Kroa­tien und selbst aus entfernteren Gegenden Steiermarks, das Wunder zu sehen. Au einzelnen Sonntagen kamen bereits 3000, an Wochentagen durchschnittlich 500 Men­schen an dieWunderstätte". Wenn die zweite Stund? kommt, lnieen hie Leute nieder.