Rundschau.
— Der Tel-grapheuarbeirer I. Wagner in Stuttgart halte Ecke der Reuchlin- und Noihedühlslraße an einer Telegraphenstange emporzukletteru, um die Drahlleitung zu verlegen. Bei dieser Gelegenheit zerbarst die Stütze und infolgedessen auch die Trlegraphen- stange, so daß der Arbeiter aus beträchtlicher Höhe herabstürzte und am Kopfe so erheblich verletzt wurde, daß er alsbald verstarb.
Heilbronn, 9. Okt. Eine zeitgemäße Einrichtung wird uächstdem unsere Stadt durch die Einrichtung eines Feuermeldetelc- graphen erhalten, welche der Stuttgarter Firma Fein übertragen wird. Die Ausführung nach Stuttgarter Muster kommt auf ca. 7000 und die Kosten werden aus der Kasse des FenerlöschcorpS bestritten. Die Zahl der Feuermcldcstcllcn ist vorläufig auf 15 festgesetzt.
Sulzbach a. Murr, 10. Oktbr. Heute nacht 3 Uhr brannte in der Erlacher Glashütte das Gasthaus zur Krone vollständig nieder. Der Besitzer mit seiner Familie konnte kaum das nackte Leben retten. Die benachbarte» Feuerwehren waren rasch zur Stelle, aber bei dem herrschenden Wassermangel und den bedeutenden Vorräten an Stroh und Futter war wenig zu retten, selbst das Vieh ist mitverbrannt. Die Entstehungsursache des Brandes ist noch nicht bekannt.
Ostdvrs bei Balingen, 9. Okt. Heute nachmittag wurde der frühere Stiftungspfle- ger Christian Sloll, der ein Alker von über 96 Jahren erreichte, zu Grabe getragen. Der Verstorbene hat die Befreiungskriege mitgemacht; der hiesige Militärverein erwicS ihm die militärischen Ehren.
— Der Kaiser hat eine Patenstellc bei dem am 13. September geborenen Sohne des Schuhmachermeisters Theodor HornS- mann, dem so genannten ersten Helgoländer Rekruten, anznnehmen geruht.
— (Ein zwei Kaiser-Unfall) hat sich anläßlich des Jagdaufenthalts des deutschen und des österreichischen Kaisers bei Mürzsteg zngetragen. Auf der Fahrt von Mürz- stkg nach Neuberg scheuten am 6. d. Mts. die Pferde vor dem Wagen, in dem die beiden Kaiser saßen, und rannten an die Barriere, so daß die Wagenstange brach: doch konnten die Pferde sofort zum Stehen gebracht werden. Ais die Pferde gegen den Zaun mit aller Kraft anrannten, sprang Kaiser Wilhelm behend aus dem Fuhrwerk und rief dem österreichischen Kaiser zu, gleichfalls hinauSznspringcn. Franz Josef aber blieb im Wagen und sagte lächend: „Das ist ein interessantes Intermezzo." Die Pferde wurden von einem Arbeitsmann sestgehallm.
— Das Hamburger Komite für ein BiS- marck-Denkmal sandte 74,000 an das Generalkomite in Berlin ein. Für die Moltke- Stiftung sind daselbst 5700 ^ eingegangen.
Woidenburg i. d. M., 8. Okt., Hier wurde dieser Tage ein Polizeiverbot bekannt gemacht, daß hinfort Lehrlinge weder Cigarren rauchen, noch Tanzlokale besuchen, noch geistige Getränke in Schankstättcn genießen dürfen, widrigenfalls sie eine empfindliche Geld- bezw. Freiheitsstrafe zu erleiden haben.
Speyer, 7. Okt. Der Stadtrat beschloß vom 1. Januar 1891 ab alle Hafengebühren sür anlausende Dampfer und Segelschiffe aufzuheben.
— Die in Krvbsdorf (Kreis Löwenberg
in Schlesien) auf Näharbeit befindliche Nähterin Mcnz aus Negensburg ist durch einen Schuß, der durch das Fenster abgegeben wurde, getötet worden. Sie war das Opfer eines Irrtums. Der Schuß galt der in demselben Hause wohnenden früheren Wirtin des Mörders, eines Menschen Namens Kittelmann, die diesen wegen einer Schuld- forderung von 41 ^ verklagt hatte. Der Mörder ist verhaftet.
Aschaffenburg, 6. Okt. Ein scheußliches Attentat auf das Leben eines unschuldigen KindeS wurde am Samstag Abend in der „oberen Anlage verübt. Eine schlecht beleumundete Person aus Glattbach versuchte ein ihr in Pflege gegebenes L'/sjähriges Kind, einem Witlwer aus Goldbach gehörig, mittelst Vitnollösung zu vergiften. Sie schüttete ihm ein Quantum dieser Flüssigkeit in den Mund und ließ es hilflos auf der Erde liegen. Glücklicherweise hörten iu der Nähe wohnende Leute das schrecklich wimmernde Kleine, nahmen es zu sich und gaben ihm Brechmittel ein; doch ist Gesicht und Hals so verbrairnt, daß an seinem Auskommen gezweifelt wird. Dasselbe liegt im städtischen Krankenhaus?. Die ruchlose Thätcrin wurde heute früh verhaftet.
— (Ueber den Zustand eines italienischen Klosters), welches anscheinend eine Strafanstalt für Nonnen ist, werden in der Presse sensationelle Nachrichten verbreitet. Auf Grund einer aus den Kreisen der Bürgerschaft eingegangenen Denunziation hätten am Sonntag der Präfekt ovn Neapel und der Untersuchungsrichter ein dortiges, seit unvordenklichen Zeiten von weltlichen Personen nicht mehr revidirtes Kloster besucht und dabei 16 Nonnen in völlig verwildertem Zustand, zu Skeletten abgemagert, gefunden. Die Aufhebung des Klosters soll »»geordnet sein. — Eine nähere Nachricht bezw. eine Richtigstellung bleibt abzuwart-n.
Newyork, 7. Oktbr. Der Mormoneu- Kongreß zu SaltlakeCity beschloß die Abschaffung der Vielweiberei.
Verschiedenes.
(Ein telegraphischer Schnitzer.) Ein Wiener Blair schreibt: „Komme morgen zum Nachtmahl. Pauline." jAus einer steierischen Sommerfrische langte vorgestern Abend an den Hofschauspieler Schreiner ein Telegramm an, dessen Wortlaut im Vorstehenden mitgcteilt ist. Herr Schreiner schüttelte verwundert den Kopf und schwor seiner Frau, daß ihm keine Pauline bekannt sei, welche auch nur mit dem geringsten Rechtstitel ihm ihre Anwesenheit beim Souper in Aussicht stellen durfte. WaS Frau Sch. von dem Telegramm und von der Verantwortung ihres Herrn Gemahls dachte, darüber schweigt die Geschichte, nur so viel sei verraten, daß cs ziemlich lange dauerte, bis sich die Gattin des Hofschauspielers beruhigte und sich damit zufrieden gab, ihren Mann nach der gestrigen Aufführung der „Ahn- fran", in welcher Herr Schreiner beschäftigt ist, abznholen. Arm in Arm kehrte das Eh paar in die Wohnung heim und ward freudig überrascht, den Schwiegcrpapa des Herrn Schreiner, den Hoftischler Herrn Fr. Paulik, hier anzutreffen. Herr Paulik erzählte seinem Schwiegersohn, eS habe ihn in der steierischen Sommerfrische nicht länger geduldet, nachdem er vernommen, daß in seinem Bezirke, auf der Landstraße, der
Wahlkampf auf das erbitterste entbrannt sei und daß cs auf jede Stimme ankomme. „Ein alter Fortschrittsmann wie ich", sagte Herr Paulik, „bleibt der Urne nicht ferne, und ich habe eS Euch ja telegraphiert", Kinder: „Komme morgen zur Nachwahl. Paulik." Der Telegraph hatte aus Nachwahl — Nachtmahl und aus Paulik — Panline gemacht.
(Auch ein Kunstfreund.) Ein Maler, der das Prahlen lieble, erzählte seinem Freunde, daß er sein neuestes Bild für zehntausend Thaler verkauft habe. — „Da hast Du sehr Unrecht gcthan!" entgegnete der Freund.
— „Wieso?" — „Nun, ich kenne Jemand, der Dir das Doppelte geben würde, nur um cs sehen zu können." — „Das Doppelte! Du scherzest wohl?" — Nickt im geringsten. Der Betreffende ist nämlich blind."
.. (Trauung mit Hindernissen.) In der Gegend von Kösen mußte dieser Tage eine völlig vorbei citete, standesamtliche Trauung und darum auch die Hockzeit aufgeschoben werden, weil statt der vorgeschriebcnen standesamtlichen Bescheinigung aus dem Heimatsorte des Bräutigams, dem Torfe Bergwitz, daß der Eheschließung ein Hindernis nickt entgegenstehe, die verblüffende Meldung cin- Iraf, daß in der Nacht zuvor — der Aus- hängckasten samt dem Aufgebote des Brautpaares gestohlen worden war I
.'. (Von seinem Standpunkt.) Der Einbrecher Böttcherkarl (bei der Arbeit überrascht): „Die Unsicherheit wird in Berlin immer größer, da kommt schon wieder 'n Wächter und 'n Schutzmann."
.-. (Bestätigung.) Käufer: „Ihre Sicherheits-Zündhölzer sind miserabel — die brennen ja überhaupt nicht!" —Hausierer: „Na, mehr Sicherheit können S' doch nimmer verlangen!"
— (In der Schule.) Lehrer: „Wodurch erwarb sich Columbus seinen unsterblichen Ruhm? Nun, Karl?" — Karl: „Er hat das Ei erfunden."
— Für unsere Hausfrauen. In dm Buchhandlungen sicht man gegenwärtig das Heft, mit welchem die bekannte Zeitschrift „Wiener Mode" ihren 4. Jahrgang eröffnet. Das ist eine ungemein anmutendc literarische Erscheinung; das ist keine jener Probenummer von Modeblättern, wie uns deren alljährlich durch die Hand gehen, sondern ein mit erlesenem Geschmack ausgestattetes, inhaltsreiches Buch für Frauen. Da gibt's Toiletten (die schönen Wiener Toiletten), Hüte, Wäsche, Handarbeiten, da gibt's allerhand Praktisches und Nützliches für's Haus und eine gediegene literarische Beilage macht den Beschluß. Wir verstehen wohl den Erfolg der österreichischen Zeitschrift, welche jährlich in 24 solcher Prachlhefte die graziöse, kleidsame Mode Wiens bekannt giebl und die eS so schnell erwirkt hat, daß diese Mode heute überall als die maßgebendste gilt. Denn nicht blos in deutschen Landen ist die unserer Art sich minder anschmicgende französische Mode in den zweiten Rang gedrängt worden
— auch in England hat die i» einer Ricsen- auflage dort verbreitete „Oontwöntal l?as- inon", (die englische Ausgabe der „Wiener Mode") den Wiener Geschmack siegreich eingebürgert. Wir nehmen den Beginn des 4- Jahrganges der „Wiener Mode" mit Vergnügen zum Anlaß, die« Blatt unseren Hausfrauen warm zu empfehlen.