Rundschau.

Stuttgart, 30. Sept. Se. M. der König wird sich am 16. Oktober von Friedrichs- Hasen direkt nach Bebenhansen zu 14tägigem Aufenthalt daselbst begeben.

Volksfest. Wie wir erfahren, sind über die 3 Volksfesttage ^auf der Stuttgar­ter Straßenbahn über 90 000 Personen be­fördert und dafür etwa 12 000 ^ verein­nahmt worden. Dank den getroffenen Maß­regeln hat sich dieser ungeheure Verkehr prompt und ohne Unfall abgewickelt. Die Gesellschaft selbst hat nur den Verlusteines Pferdes zu beklagen, das am Samstag in Berg zwischen zwei sich greuzende Wagen kam und dabei seinen Tod fand.

Cannstatt, 2. Oktober. Gestern abend um halb 7 Uhr wurden auf der Steig von der Brückenstraße znm Burgholzhofe die Pferde eines Fuhrmanns infolge eines in der Nähe abgegebenen Schusses scheu und sprangen die steil! abfallende Steige herun- ler, wobei der Fuhrmann zu Boden kam. Die Fabrikantenwitwe (Lang von Eßlingen, die ein Kind aus dem Wege schaffen wollte, geriet ebenfalls unter das mit Ziegelsteinen schwer beladene Fuhrwerk und es wurden ihr beide Berne vollständig abgedrückt. Dieselbe wurde ins Krankenhaus verbracht, wo ihr beide Beine abgenvmmen werden müssen. Gestern abend fand im Gasthaus z. Hirsch eine Arbciterverfammlung mit der Tages­ordnungZwölf Jahre Sozialistengesetz" statt, in welcher der Referent, Schriftsteller Stern-Stnttgart, den Ablauf deS Sozialisten­gesetzes feierte. Die Versammlung verlief in ruhiger Weise.

Ludwigsburg, 30. Septbr. S. K. H der Prinz Wilhelm begab sich gestern mor­gen z» Wagen auf den Cannstatter Wasen und nahm dortfclbst die Prämiierung der Tiere der Kreisrindviehausstcllung vor. Spä­ter kehrte Höchstdcrselbc hieher zurück.

Heilbronn, 23. Scpt. Unser Mitbür­ger H. Sauber, Weingärtncr, Sonncngasse hat gestern in seinem Weinberga» derNeckar- fulmerstraße die ersten Trauben (Frizhklevner und Malingre) gelesen. Das Gewicht des Wein-Mostes hieraus beirägt 77 und 80 Grad, also bedeutend mehr als im letzter, Jahre. Die Lese des gleichen Stückes fand im vorigen Jahr aber schon am 23. August statt. Im Allgemeinen ist der Stand der Weinberge hier sehr schön, namentlich im Vergleich zu dem Bottwar- und Weinsberger- Thal, nnd ist immer noch Hoffnung vorhan­den, dieses Jahr einenguten Tropfen" zu bekommen.

Nagold, 24. S pt. Nachdem die städtische Wasserleitung vollständig fertiggestelll ist, habe» die bürgerlichen Kollegien einmütig den Beschluß gefaßt, nach einem einheitlichen Plan eine Kanalisation der ganzen Stadt im Laufe der nächsten Jahre durchzuführen. Ebenso soll ein neues Schlachthaus erbaut werden.

Hall, 30. Sept. Beim Graben eines Kellers hinter dem Brauereianwesen des Riltkiwirls Wacker hier wurde ein Mam- mutszahn von der Größe eines Meters ge­funden. Derselbe ist leider während der Arbeit zerstückelt. Er wurde in einer Lchm- schichte in einer Tiefe von etwa 6 Meter angetroffen.

In. der Nacht vom 30. Sept. auf 1. Oktober brach in dem Luftkurort Schön- walv bei Triberg ein großer Brand aus,

wodurch 12 Wohnhäuser zerstört, 21 Fami­lien obdachlos wurden. Menschenleben gingen nicht verloren.

In einem Wald bei Nürnberg aßen 6 Kinder r on den Beeren eines Tollkirschen- strauches; die Folgen waren entsetzlich; die Kinder wurden, durch das Gift in förmliche Raserei versetzt, aufgefundcu. Ein Knabe starb die Nacht darauf, die andern 5 Kinder hoffe» die Acrzte retten zu können.

Ein Doppelselbstmord wird aus Char­lottenburg gemeldet. Der 28jährige, bis vor einem Jahre in der K. Arliilleriewcrkstätte in Spandau beschäftigte Sattler Albert Sig- manowsky und der 25jährige Vizefeldwebel vom 6. schlessischen Feldartillcrieregimeut zu Neissc Joseph Brückner, der auf Besuch nach Charlottenburg gekommen war, wo er mit Sigmanowsky bei dessen Schwester wohnte, haben am Montag früh durch Schüsse in die rechte Schläfe ihrem Leben ein Ende ge­macht. Dieselben sollen zum Selbstmord dadurch getrieben worden sein, daß ein von ihnen gemeinschaftlich begangenes Verbrechen zu Kenntnis der Behörden gekommen war.

In Großnmstadt im vorderen Oden- waldc ist am Samstag Feuer ausgcbrochen, dem 20 Hofreihen mit zahlre chen gefüllten Scheuern, Stallungen u. s. w. zum Opfer gefallen sind.

Durch die deutschen Blätter laufen zuweilen Nachrichten, daß aus Rußland AuS- gcwiesene an der deutschen Grenze zurückge- wiesen werden. Das Schicksal solcher Leute ist nicht beneidenswert; es wird jedoch in Zukunft noch bedauerlicher sein. Der rus­sische Minister des Innern hat nämlich dem Rcichsrat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der solche Leute, sofern sie nicht freiwillig das russische Gebiet verlassen, auf administra­tivem Wege zur Ansiedelung in den Gou­vernements TomSk und Tobolsk verurteilt. Außerdem soll die eigenmächtige Rückkehr nach Rußland mit Gefängnisstrafe belegt werden.

Wien, 1. Okt. Kaiser Wilhelm ist um 9 Uhr morgens hier eingetroffen und von Kaiser Franz Jofoph, sowie de» Erzherzögen Albrecht, Wilhelm und Rainer auf dem Bahn­hof empfangen worden. Die Majestäten umarmten einander und küßten sich zweimal innig. Kaiser Wilhelm begrüßte die Erz- heizögc durch Händedruck und sprach sodann dem Bürgermeister von Wien seinen Dank aus. Sodann fuhren beide Kaiser unter enthusiastischen Kundgebungen der Bevölker­ung nach der Hofburg.

DieAbendpost" in Wien sagt in einem offiziösen Artikel anläßlich der An­kunft des Kaisers Wilhelm, die Sympathien der österreichischen Völker seien dem, hohen Zielen zustrebcnden, Herrscher zugewendet. Mit Wien sei ganz Oesterreich-Ungarn einig an diesem Tage der Freude. Es gedenke der hohen Friedensliebe des Monarchen und sei tief bewegt von den in Gravenstein ge­sprochenen Worten des Kaisers Wilhelm, wo derselbe die engen Beziehungen innigster Freundschaft und festester Waffenbrüderschaft mit dem österreichischen Kaiser verkündete. Solche Worte bleiben den österreichischen Völkern unvergeßlich."

Ein entsetzlicher Mord wurde in der Nacht von Freitag auf Samstag auf dem Wolfschacht zu Mölke (Kreis Neurode in Schlesien begangen. Der zum Feuern deS Wetterofens bestellte Bergmann ist in die

glühenden Flammen des Ofens geworfen worden und elendiglich verbrannt. Es liegt ein Racheakt vor.

Die Zementfabrik von Gutmann u. Jeserich in Rüdersdorf ist am Montag morgen gänzlich niedergebrannk.

lieber einen vor 14 Jahren im Kreise Sonnebcrg (Sachsen-Meiningen) ver­übten Mord ist jetzt das Dunkel gelichtet worden. Auf seinem Sterbebette hat ein an der schrecklichen That Beteiligter sein Ge­wissen durch ein Geständnis erleichtert, durch das aber auch ein noch lebender Spielwaren- Arbeitcr so belastet wird, daß seine Verhaf­tung erfolgte. Der Betreffende war schon gleich nach der That in Untersuchungshaft; wie damals, so leugnete er auch heute.

(Ein Selbstmord während des Gottes­dienstes) wurde am 28. September in der berühmten Paulskirche zu London verübt. Ein Mann Namens Edward Caston erschoß sich, während der Geistliche, Eyton, der wie gewöhnlich die Kirche füllenden Sonntags- gemcinde die Predigt hielt. Mitten in der­selben hallten zwei Schüsse durch das große Gebäude, was im Publikum nicht geringen Schrecken und Verwirrung hervorricf. Der Selbstmörder ward nunmehr entdeckt; er lag bereits im Sterben, und noch ehe er ins Hospital übergeführt war, hatte ihn der Tod ereilt. Zwei Kugeln war ihm durchs Herz und zum Rücken wieder herausgegangen; man fand sie abgeplattet an einer Wand der Kirche. Mit der Andacht war eS dies­mal natürlich vorüber. Von dem Selbst­mörder hat man bis jetzt nichts mehr als den Namen ermittelt.

Ein mit Blut überspritzter Mann trat nachmittag in oaö Polizei-Kommissariat der Place Ventadour in Paris und erklärte dem Kommissar:Ich heiße Ernst Teste; ich habe soeben fünf Kugeln auf meine Frau abgeschosscn und hoffe, daß sie tot ist. Las­sen Sie mich verhaften, ich wünsche binnen kurzer Frist hingerichlet zu werden." Nach­dem der Kommissar sich versichert hatte, daß der Mann nicht verrückt war, ließ er sich von ihm nach seiner Wohnung in der Rue Montmartre führen und fand dort Frau Teste auf ihrem Bette liegend, noch atmend, mit Wunden und Blut bedeckt. Er ließ die Un­glückliche nach dem Hotel Dieu schaffen und erfuhr nun von den Nachbarn, das das Paar schon seit längerer Zeit in tiefem Unfrieden lebte. Teste hatte feine Geliebte geheiratet, um ein Kind zu legitimieren, aber dieses war gestorben, und nun setzte die Mutter, wie es scheint, ihren früheren liederlichen Lebens­wandel wieder fort. Tief betrübt, beschloß der Mann, allem ein Ende zu machen. Er­kaufte einen Revolver und sagte seinen Ar­beiterinnen er ist Schmuckfedernfabrikant sic brauchten nicht mehr zu kommen, es gebe keine Arbeit mehr. Da er geständig und die vorsätzliche Tötung erwiesen ist, wurde er nach dem Polizeidepot geschickt.

In einer der großen Chicagver Räuchereien brach Sonntag nacht ein Feuer aus. 7000 geschlachtete Schweine und eine große Menge eingesalzeneS Fleisch verbrann­ten. Die Flammen griffen mit rasender Schnelligkeit um sich, und die Löschmann­schaften konnten sich kaum dem brennenden Gebäude nähern. Als das Feuer endlich dag Stockwerk erreichte, wo der Salpeter lagerte, mußte die Feuerwehr, halb erstickt durch die furchtbaren sich entwickelten Dämpfe, schleunihsi