Rundschau.

Aus Stuttgart wird geschrieben: Trotz gegenteilige» Zntungsmcldungen kann jetzt auf das Bestimmteste versichert werden, daß das Abschiedsgesuch des kommandieren­den Generals V. AlvenSlebcn genehmigt ist, und daß derselbe bis Anfang Oktober die Wohnung im Gebäude des Generalkomman­dos räumen wird. Von einer Wicderan- steilung des Generals in Preußen scheint, wenigstens für die nächste Zeit, abgesehen zu werden^, denn Herr v. AlvenSlebcn unter­nimmt mit seiner jungen Frau eine längere Reise nach dem Süden.

In Brettach OA. Neckarsulm fand ein 1'/«jähriges Kind dadurch seinen Tod, daß es beim Besteigen eines Tisches mit der um den Hals hängenden Schnur seines Schnullers" an der Tischlade festgehalteu wurde und erstickte.

In Tübingen ist am 5. Sept. der auch in weiteren Kreisen durch seine öfsentl. Thätigkeit bekannte Rechtsanwalt, tit. Ober- justiz-Prokurator Lammfromm verstorben.

Köln, 8. Sept. Die große Maschinen­halle der KriegSkunstausstellung ist NachtS abgebrannt. Die anderen Gebäuden blieben unbeschädigt.

Word und Selbstmords In Ber­lin wurden am Sonntag Morgen gegen sechs Uhr auf dem Boden de« Hauses Kottbuser Ufer 45 die Leichen des Arbeiters Andreas Behrendt, Cuvrystraße 14 wohnhaft, und seiner Braut, der unverehelichten Anna Maria Hartmann, Tochter einer im Hause wohnenden Schankwirtswilwe, aufgefunden. Beide Leichen zeigten Schußwunden unmit­telbar über 'den Ohren und waren bereits erstarret. Der im Jahre 1881 zu Bern­burg geborene Arbeiter Behrendt, welcher wegen Diebstahls wiederholt, zuletzt mit Zuchthaus bestraft und unter Polizeiaufsicht gestellt war, unterhielt seit längerer Zeit ein LiebeS-Verhältnis mit der achtzehnjährigen Anna Hartmann, welches die Billigung der Mutter dcS jungen Mädchen« begreiflicher­weise nicht finden konnte. Alle Mahnungen der Mutter, von dem verkommenen Men­schen zu lassen, blieben aber fruchtlos: das Mädchen verkehrte nach wie vor gegen den Willen der Mutter mit Behrendt, welcher hier zunächst als Kellner, dann auch als Ar­beiter in einer Knopffabrik des Frankfurter Viertels Beschäftigung fand. Seit etwa acht Tagen war B. stellungslos und hielt sich vielfach in dem Schankkeller der Witwe H. auf, wo er Gelegenheit fand, mit der dort beschäftigten Tochter Zusammenkünfte zu ver­abreden. Am Sonnabend gegen 7 Uhr ver­ließ Behrendt mit der Anna Hartmann den Schankkeller. Als das Mädchen abends ge­gen 11 Uhr noch nicht heimgekehrt war, stiegen in der Mutter Sorgen auf, ob die Tochter nicht etwa ihren zu Gästen oft ge­äußerten Selbstmordplan ausgcführt haben möchte. Einige Zeit später vermißte die Mutter den Hofschlüsscl, welcher zugleich auch in das Bodenschloß paßte, und als sie dar­auf bemerkte, daß auch der Schlüssel zu ihrem Bodenverschlag verschwunden war, da beschlich sie die fürchterliche Ahnung, daß die Tochter auf dem Boden ihrem Leben ein Ziel gesetzt haben könnte. Sie bekämpfte indeß ihre Unruhe, in der Hoffnung, daß sich die Tochter doch »och, wie schon so häu­fig, im Laufe der Nacht einfinden würde. Am Sonntag Morgen gegen 6 Uhr aber

sandte die geängstigte Mutter das Dienst­mädchen nach dem Boden; dasselbe kehrte bald schreckensbleich mit der Nachricht zu­rück, daß in dem Bodenverschlage die blut­überströmten Leichen der beiden Liebenden lägen. Nach dem Befunde ist es zweifellos, daß das Liebespaar im Einverständnis mit einander den Tod gesucht und gefunden hat. Behrendt hat danach zuerst seine Braut er­schossen, und dann sich selbst entleibt. Zu­dem wurde in der Tasche der Anna Hart­mann ein von ihr mit Bleistift beschriebe­ner Zettel vorgesnnden, dessen Inhalt lautete: Liebe Mutter! Da Du Deine Einwillig­ung zu unserer Heirat nicht geben willst, so haben wir den Tod gesucht. Laß uns Beide von dem Gelbe beerdigen, welches mir aus meines Vaters Erbteil noch zukommt.

Prag, 4. Sept, Der Einsturz von zwei Brückenbogen der altehrwüedigen steinernen Brücke erfolgte heute halb 6 Uhr früh. So- wohl die Wölbung mit den darauf befind­lichen Kolosfalmonumenten, als auch die Brüstung versanken in den Fluten. Um 10 Uhr vormittags stürzte lt. Fr. Ztg. unter fürchterlichem Krachen und entsetztem Aufschrei der herandrängcnden Menschen­mosten auch der achte Brückenbogen ein, so daß der siebente allein stehen blieb, was einen schauderhaften Anblick bietet. Ob Men- schen beim Einsturz umgrkommen sind, ließ sich bis jetzt nicht seststellen. Der Kai beim böhmischen Nationaltheater beginnt zu bersten. Auf der Schützcninscl wurden sieben Per­sonen vom Tode deS Ertrinken« gerettet. In der Stadt herrscht die größte Aufregung.

Die Prager Katastrophe spottet jeder Beschreibung. Fortwährend steigt das Was­ser. Aus vielen überschwemmten Häusern auf der Kleinseite dringt lauter Ruf:Brot! Brot I Wir vcrhunger!" Au« Kähnen wird mittelst Körben die Nahrung emporgereicht. Tausende von Familien flüchten, insbeson­dere aus den arg bedrohten Sommerfrischen. Jammerszenen spielen sich in den Straßen ab. Am Fenster erscheinen händeringend Weiber und Kinder, mit Tüchern Hilfe her­beirufend, jedoch umsonst, da alle RettungS- kähne überfüllt sind. Auf fast sämtlichen böhmischen Bahnen ist der Verkehr einge­stellt. ES verlautet, der Kaiser werde nach Prag kommen. Großes Elend herrscht in der Judenstadt, woselbst die Bäcker die Situa­tion zur Preiserhöhung auSnützten. Im Spitale der barmherzigen Schwestern reicht das Master bis zum Altäre. Die Drucke­rei der Bohemia ist total überschwemmt, weshalb das Blatt seit 2 Tagen nicht mehr erscheinen kann. Die letzten Nachrichten lauten noch keineswegs beruhigender.

In Prag sind 45 000 Menschen durch die Uebcrschwemmung geschädigt wor­den. Das Militär backt täglich 6000 Brote für Darbenden. Unter dem Statthalter und Oberstlandmarschall wurde ein Hilfskomite gebildet. Die Jungtschecheu bildeten ein be­sonderes Komite unter Gregr.

Von Dortmund ist ein eigentümliches Vorkommnis zu berichten, das auf Verbürg­ter Wahrheit beruht: Die 16jährige Tochter eines Bergmannes in einem benachbarten Dorfe litt seit Mai an heftigen Erbrechungen, wodurch das Mädchen sehr leidend wurde. Nachdem alle ärztlich verordnetcn Mittel wirkungslos geblieben waren, gaben die Eltern dem Mädchen starken Bitterschnaps ein. Es erfolgte darauf starkes Erbrechen, wobei eine

fünf Centimeter lange Eidechse zu Tage kam, die im Wasser aufbewahrt, noch mehrere Tage am Leben blieb. Das Mädchen ist jetzt wieder gesund.

Jammervolle Nachrichten kommen von der Obcrclbe. Der bekannte Badeort Schandau ist völlig unter Wasser. Die Fluten wälzen sich durch den Königspark und umspülen die Königsvilla und die Villa Quistsana. DaS ganze Badethal bis zum Kurhaus und zur Villa Martha ist in einen See verwandelt, die Häuser sind bis zum ersten Stockwerk im Wasser. Familien mußten auf die Dächer flüchten, einzelne konnten nur mit Lebensgefahr gerettet werden.

Aus Magdeburg wird berichtet: Ein vierzehnjärtger Knabe aus Kolbitz im Kreise Wolmirstedt, der mit einem Briefe nach dem über eine Meile entfernten Kröchern gesandt worden war, ist unterwegs ermordet worden. In der Nähe von Kröchern fand die Mutter den Hut ihres Sohnes und unweit davon die mit Fichtenzweigen bedeckte Leiche. Der Knabe war vollständig entkleidet, hatte am Halse eine tiefe Schnittwunde und war am Untcrleibe verstümmelt. Der Rumpf war vom Halse abwärts ausgeschnitten. Dem Mörder, der ein unzurechnungsfähiger Mensch zu sein scheint, ist man auf der Spur.

In der Nähe von Baue (Algerien) wurde der Leichnam eines Europäer«, der 8000 Fr. bei sich hatte, sowie derjenige seines Dieners ausgefunden. Den beiden waren die Köpfe abgeschnitten worden. DaS Verbrechen wurde in jener Gegend verübt, wo vor einigen Tagen der Courier von Philippeville nach Bone angegriffen worden war.

Wie«, 6 . September. DaS Master der Donau erreicht bereits die Schienen der Donau-Uferbahn. Die Bahnmagazive sind nur von einer Seite zugänglich; 2 Maga­zine de» ständischen Lagerhauses find über­schwemmt. In den Häusern der niederge- legcnen Teile der Leopoldstadt und Land­straße sind die Keller überschwemmt. Auf dem linken Donau-Ufer senkte sich der Jn- undationSdamm, welcher indessen durch die sofortige Anschüttung von Steinen vollkom­men gesichert wurde. Nach Privalberichten sind infolge von Wolkenbruch die Kamp und Thaya ausgetreten, wodurch vielfache Ver­heerungen angerichtet wurden ; Zwettl ist be­droht, Schwarzenau überschwemmt.

Die Direktion der Donaudampfschif­fahrt in Wien fistiertc nach einer Meldung vom 6. d. wegen des Hochwassers bis auf weiteres die täglichen Wien-Preßburger Pas­sagierfahrten, reduzierte die täglichen Wien- Budapester Postschiffahrten auf der Strecke Gönyö-Budapest und stellte infolge Ueber- flutung der Landungsplätze für die nächsten Tage die Güieraufnahme und -abgabe auf sämtlichen Donaustationen von RegenSburg bis Gönvö ein. Die Nordwestbahn stellte wegen deS Hochwassers den Gesamtverkehr zwischen Libeck und Melnick, Vysocan und Prag ein. Die Donau steigt noch immer langsam, doch ist bisher keine ernste Gefahr.

Laut einer Meldung au« Chartres wurde das Dorf Poutault im Departement Eure-Loirc fast vollständig durch Feuer zer­stört. Zwei alte Leute fanden unter den Trümmern ihren Tod.

Aus London erfährt daS B. Tage­blatt: Der Häuptling Loleugula ist mit 20 000 Mann ausgezogen, um der Vor-