Sedan!

Nun wieder rauscht's, ihr deutschen Eichen, das hohe Lied von jenem Tag An dem bei Sedan ward geschlagen die große Schlacht auf weitem Hag, Die Schlacht, in deren Wettertosen der Deutsche sich zum Deutschen fand, In deren heißem Kampfgcwühle uns schon das neue Reich erstand

Wo sich zuerst emporgeschwungen der deutsche Aar zu frischem Flug,

Der ihn, zum Trutze aller Neidern, nach immer stolzer« Höhen trug: Hier hält er Wacht, der Kaiseradler mit seinen Fangen, scharf bewehrt, Daß N'emand, sei's im Ost wie Westen, den Völkerfrieden frevelnd stört I

Wohl, phönixglcich emporgestiegen ist aus den Flammen jener Schlacht Das junge Reich in seinem Klange, des neuen Deutschlands stolze Pracht: Altdeutschlands Einheit, Macht und Größe das ist die Frucht aus blut'ger Saat,

Die einst gestreut auf Sedans Fluren hat unsrer Krieger Waffenthat Ein einig Volk in allen Gliedern, ein ganzes Deutschland nun fortan, Das war's was dort auf fränkischen Feldern sich unser gutes Schwert gewann:

O, deutscher Mann, das halt' in Ehren, o, deutscher Monn, das halte fest, Wenn neue Stürme Dich umtoben, sei cs von Osten, sei's von West!

D'rum, was die Väter einst errungen bei Sedan in dem grimmen Streit, Das sei den spätesten Geschlechtern, das sti für f.rnste Zeit geweiht

Es glänz auf Deutschlands Ehrentafeln in Flammcnzügen ewig fort,

ES halt' mit seiner Kraft zusammen das Vaterland im Süd wie Nord! D'rum nun zum Feste aller Deutschen laßt stolz des Reiches Flagge weh'n Und laßt die Freudcnfeuer glühen auf unsrer heimschen Berge Höh'n Und allgewaltig mög erbrausen vom Memel» bis zum Mosclstrand Der Deutsch?» Ruf: Wir steh'» in Treuen, zu Kaiser, Reich u. Vaterland!

Schrckscrtswege.

Novelle von Th. Hmßev

Nachdruck verhyteg.

2.

Die Gräfin kränkelte, seit sie ihrem Ge­mahl vor einem halben Hahre einen Sohn geschenkt hatte, und bat ihre Freundin zur Aufsicht über ihp Kind und zu ihrer Ge­sellschaft wieder zu ihr zu kommen. Frgu Walther ahnte nicht, welch' schweren Pflich­ten sie entgegenging, als sie die Reise an­trat, dankbaren Herzens glaubte si- , einen erfreulichen Wirkungskreis gesunden zu ha­ben. Sie kam auf dem prächtigen Schloß an und stieg am Anne des Grasen die teppichbcl-gten Stufen hinauf. Hurch eine Anzahl glänzend eingerichteter Gemächer schritt sie hindurch und sah sich endlich der Gräfin gegenüber, welche sie in Jugendfrische und Schönheit verlassen. Heute fand sie ein Opfer, welches der TodeSengel schön mit seinem Fittich berührt. Bleich und müde ruhte die. junge Frau, in einem Lehnstuhl, nicht im Stande, der so sehnlich Erwarteten auch nur einen Schritte entgegcnzugehen. Wöder die Liebe he,s Gatten, noch der Freun­din treue Pflege, noch die Kunst der Aerzte vermochten die Gräfin dem Leben, für sie so reich an Glück, zu erhalten. Vor ihrem Scheiden mußte Frau Walther ihr noch ge­loben, ihr Kind nie zu verlassen.

Ein stilles Leben begann in dem glän­zenden Schlosse, nachdem man die junge Herrin in die Gruft gesenkt ; Graf Salten suchte im Getriebe des politischen Lebens und auf weiten Reisen Zerstreuung, selten nur kam er auf einige Zeit nach Hause, wo alles ihn an sein zerstörtes Glück mahnte. Dem kleinen Grafen Arwcd, welcher unter Frau Walthers mültterlicher Pflege fröhlich hcr- anwhchS, blieb cs Vorbehalt«;, dem Vater die Heimat wieder lieb zu machen. Der Graf engagjerte eigen tsichisgen Lehrer und

fand seine Freude daran, des Sohnes Er­ziehung und. Unterricht auch selbst zu über­wachen. Hin munterer Ton kehrte wieder in dem Schlosse ein, dessen weite Räume VW dem Lachem und Scherzen de- fröhlichen Knaben wiederhallten.

Neun Jahre waren bereits seit der Grä­fin Tod verflossen, als der Graf eines Tages zur Jagd gieng. Der Abend brach herein, und der Graf kehrte nicht zurück. Die Dienerschaft durchsuchte den ganzen Wald und fand endlich seine Leiche, eine Kugel hatte das Herz durchbohrt. Ob er seinem Leben absichtlich ein Ende gemacht? Dazu tag nicht der geringste Grund vor. War eS aus Unvorsichtigkeit geschehen, oder hatte Mörderhand ein Bubenstück vollbracht'^ ES ward nicht ermittelt. Man hegte jallcrbings Verdacht gegen einen Mann, welcher vor wenigen Jahren aus der Ferne hierhergezogen in einem einsamen Haus im Walde mit seiner Frau lebte, und als Kohlenbrenner sein tägliches Brot verd'ente. Er hatte mit Niemand Verkehr und ward von allen Sei­ten mit Mißtrauen angesehen. Von einem glühenden Haß beseelt gegen alle, die besser gestellt waren, übertrug er diesen auch auf den gutherzigen, mildthätigcn Grafen und machte seinem Zorn oft in bösen Worten Luft, ohne auch mir den geringsten. Grund dazu zu haben. Ma» nahm an, daß er bei einer zufälligen Begegnung mit dem Grafen einen Wortwechsel gesucht und diesen, vom Jähzorn übermannt, getötet habe. Er ward eingezogen, mußte 'aber wegen Mangel an Beweisen endlick wieder freigelassen werden. Nach diesem Vorgänge lebte er noch immer einsamer als vorher mit seinem kleinen Kinde. Sein? Frau war gestorben, als er im Gefängnis saß, unv nu» wurde er noch mehr gemieden vom ollen Mensche», welche an seine Unschuld nicht glauben, wollten, und ihn eines Verbrechens leicht sürfähighülten.

Mütterlicher nur. noch nahm Frau W.

Perantwsrtlichtr RedakteurB e rn-ha-raH öfman n.)' Drückt und Verlag von Äl

den ganz verwaisten kleine« Grafen an ihr Herz. Die alte Gräfin Salten, die Mutter des verstorbenen Grafen, deren Stotz sich auch durch die schmerzlichen Verluste nicht hatte beugen lassen, suchte verschiedene Male den Enkel aus der Nähe der bürgerlichen Elemente zu entferne» , stieß aber auf den entschiedensten Widerspruch des Vormundes, welcher sich streng an der Gräfin .sowie des Grafen letzter, schriftlicher Willenskraft hielt, daß ihr Sohn für den Fall ihres Ablebens unter der Pflege und Aufsicht von Frau Walther bleiben solle. Die hochmütige Grä­fin mußte sich fügen. Auch all ihre Ver­suche, ihren Enkel dem Einfluß seiner Pflege­mutter möglichst zu entfremden und ihn auf den Standpunkt zu führen, welcher die Vor­rechte des Adels auf die höchste Spitze trieb, in den bürgerlich gebornen aber eine völlig untergeordnete Klasse zu erblicken, schlugen fehl. Graf Arwcd hing mit sich stets gleich- bleibender Liebe an feiner treuen Pflegerin. Sein dankbares Gemüt vergaß nie, wie sie ihn, den völlig verwaisten, welcher trostlos an des Vaters Sarge weinte, mit mildem Tröste an ihr Herz nahm. Die Frau Grä­fin konnte nichts thun, als bei ihren seltenen Besuchen Frau Walther beweisen, daß sie in ihr nur eine untergebene Dienerin erblicke. Die Zeit ging hin. Unter Aufsicht seines Erziehers besuchte der Graf ein Gymnasium, aber so oft er noch der Heimat zurückkchrte, bewies er Frau Walther die Liebe eines Sohnes, pflegte sie auch oft in harmlosem Scherz sein Mütterchen zu nennen. Auch nachdem er längst mündig geworden, blieb sie für ihn die treue Beraterin und Freun- din. Jetzt, nach beendigtem Studium, nahm er nur einen kurzen Auseythall in dem hei­matlichen Schlosse, um sodann für längere Zeit auf Reisen zu gehen.

Die Stunden des düstern. Wintertages schlichen langsam dahin, Sorge und Bangig­keit, ihr sonst so fremd, lagen heute aus Frau Walther wie ein Alpdruck. Sie ver­mochte nicht Herrin ihrer Gefühle zu gver- den, so oft sie auch eine Arbeit zur Hand nahm» sie warf dieselbe immer wieder schnell von sich, um von einem Fenster zum andern eilend den in dichten Flocken herabfallenden Schnee zu beobachten, oder aus den heulen­den Sturm zu lauschen, welcher um die Zin­nen des hochgelegenen Schlosses tobte. Längst hotte die zum Diner bestimmte Stunde ge­schlagen, die Tafel im Speisezimmer stand gedeckt, die Köchin lauschte mit bedenklicher Miene auf die Rückkehr des Herren, kaum noch im Stande, die Leistungen ihrer Koch­kunst frisch zu erhalten. Schon war es nötig, Vorsälc und Treppe» zu beleuchten, auch in den Zimmern zündele der Diener die Lampen an. Vergebens lauschte Frau Walther hinaus in den düstern Winterabend, ob nicht irgend ein Geräusch den Ankom­menden verrate. Alles blieb still. Dunk­ler ward es von Minute zu Minute, kein einziger Mondesstrahl durchdrang die schwe­ren, grauen Wotken, wie ein Leichentuch be­deckte der Schnee die Erde, cs war heule ge­rade wie damals, als sie den Grafen ver­geblich von der Jagd zurückcrwarteten. So lebhaft, als sei es erst heule geschehen, stand das furchtbare Ereignis vov ihrer Seele.

(Fortsetzung folgt.)

rnharb Ho fmann in Wildbad,