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Der Kampsum eineMiUwn.
Criminalnovclle von W. Roberts.
Nachdruck verboten.
28.
„Aber lebt nicht Richard Johnson, Allan BurnS nächster Anverwandter und bevorzugter Neffe noch?" frug Madame Lund jetzt scharf.
„Ja, Richard Johnson lebt noch," ent- gegncte Ralph mit Mühe seine Verlegenheit meisternd, „aber schwerlich wird derselbe nach England zurückkehren und nock weniger kann derselbe jetzt als der bevorzugte Neffe und Erbe von Allan BurnS angesehen werden. Zwingende, peinliche Umstände nötigen R. Johnson für immer England den Rücken zuzukehren, und da Richard an gewissen schlimmen Dingen nickt unschuldig ist, so wurde er von seinem Onkel jo gut wie verstoßen, allerdings erst dann, als Richard selbst sich eine Art freiwillige Verbannung auferlegt hatte.
„Wir hörten zu unserem Bedauern von dieser traurigen Angelegenheit, und ich wie meine Töchter können eö heute nock nicht fassen, wie Richard Johnson, der jehrliebcnde und nobele Gentleman, so gröblich gegen Ehr- und Pflichtgefühl verstoßen haben soll. Vielleicht ist Richard im Uebercifer seiner Erfindungen auch viel zu weit gegangen und hat sich ohne wirklichen Grund entehrt gefühlt. Offen gestanden, lieber Vetter, ich halte Richard Johnson einer ehrlosen That gar nicht für fähig, und werde, wenn ich Gelegenheit dazu habe, es Allan Burns sehr an'S Herz lege» , den armen Richard de» Leichtsinn nicht so schwer entgelten zu lassen.
„Das wünsche ich auch," erwiderte R. lebhaft, biß sich dabei aber verlegen auf die Rippen. „Ich habe Onkel Burns schon öfters vorgestellt, daß er Richard wenigstens eine angemessene Pension auSsetzen soll."
„Und an eine baldige oder spätere Rückkehr Richards glauben Sie unt r keinen Umständen?" frug Madame Lund den jungen Mann und heftete dabei ihre grauen Augen fest auf dessen Antlitz, als wenn sie die Antwort mehr daraus als aus Ralphs Worten zu erhalten hoffte.
„Wer kann von uns Menschen die Zukunft genau wissen," meinte Ralph mit heuchlerischer Miene, „ich kann nur soviel sagen, daß ich nicht daran glaube, daß R. Johnson je zurückkehren wird, denn seine Rückkehr dürfte gleichbedeutend mit der Bekanntschaft mit dem Zuchtpolizeigericht sein."
„Entsetzlich!" flüsterte Madame Lund und erbleichte. „Doch wir sind ganz von drr Sache abgekommen, wegen welcher Sie hier hergekommen sind, Vetter Lockwell," sagte die Dame dann nach einer kleinen Pause. „Ich werde ernstlich mit Elisabeth über Ihren uns beehrenden Antrag sprechen und hoffe Ihnen binnen wenigen Tagen einen günstigen Bescheid erteilen zu können. Mädchenherzen müssen manchmal Zeit haben, geduldigen Sie sich ein wenig mit der Antwort!"
Erfüllt von großen Hoffnungen verließ Ralph daS Lnnd'jchc Haus und begab sich noch an demselben Tage zu Allan Burns. Diesem wollte er wie seinem väterlichen Gönner seine Absichten in Bezug auf Elisabeth Lund wissen lassen und auch weitere Schritte zu lhun, um sich ganz in das Vertrauen
Verantwortlicher Redakteur: Bern
des Millionärs einzuschleichen und Richard Johnson vollständig ans dessen Herzen zu verdrängen.
„Lieber Onkel," begann Ralph, als er dem ehrwürdigen Greise gegenüberstand, „darf ich um Ihren väterlichen Rat und Segen in einer der wichtigsten Angelegenheiten meines Lebens bitten?"
„Sehr gern will ich dabei thun, was in meiner Macht steht," erwiderte Allan Burns und blickte Ralp fragend an.
„Ich liebe Elisabeth Lund und habe bereits bei der Tante Lund um Elisabeths Hand geworben," fuhr Ralph fort und schlug mit erheuchelter Verletzung die Augen nieder.
„Und in was war das Resultat Ihrer Werbung?" frug der Greis.
„Tante Lund ist meinem Anträge günstig gesinnt und bat sich nur wegen Elisabeths Entschließung einige Tage Bedenkzeit aus."
„Also besteht zwischen Ihnen und Elisabeth noch kein stilles Einverständnis und Sie wissen überhaupt noch gar nicht, ob Elisabeth Ihre H-rzenszuneigung teilt?" frug Allan Burns mit erhobener Stimme.
„Meine Schüchternheit und Zurückhaltung in dieser delikaten Angelegenheit ließ mich Elisabeth gegenüber noch nicht die rechten Worte finden," stotterte RAph, „aber ich glaube hoffen zu dürfen, daß ich Elisabeth nicht gleichgiltig bin."
„Sie könnten sich aber auch täuschen," meinte Allan Burns lächelnd, die Herzen junger Damen sind oft ganz unberechenbar oder halten zuweilen auch mit unerschüttter- licker Festigkeit an ihrer ersten Liebe fest. Soviel ich weiß, hatte Elisabeth Lund voriges Frühjahr sich heimlich mit Richard Johnson verlobt. Freilich ist mein unglückseliger Neffe nun seit Jahr und Tag so gut wie verschollen und das Verlöbniß, welches überdies nur ein stilles war, könnte als aufgelöst betrachtet werden- Soweit ich indessen den Charakter Elisabeths kenne, ist dies nicht ohne Weiteres anzunchmen, sondern sie wird noch viel mehr wie ich die wenn auch trügerische Hoffnung hegen, daß Richard einst doch zurückkehren und sich sein Fehltritt nicht unsühnbar vor den Menschen zeigen werde."
„Dieser Fehltritt Richards ist aber unsühnbar," erwiderte Ralph mit einer Schärfe, welche dem Greise einen unheiml. Schrecken einflößle.
„Woher wissen Sie jetzt das auf einmal, lieber Neffe?" frug dann Allan B. mit ängstlicher Geberde.
„In einem Briefe, welchen ich bereits in voriger Woche von Richard erhielt, steht es mit schrecklicher Deutlichkeit, warum er niemals nach England zurückkehren kann und unter einem angenommenen Namen sein Leben in einem ferne» Lande verbringe» muß," cntgegnete Ralph mit unheinlicher Erregung. „Ich habe Ihnen, theurer Onkel, diesen Brief Richards nur bisher nicht zeigen wollen, weil ich davon eine nachteilige Einwirkung auf ihre Gesundheit fürchtete. Aber wenn Sie jetzt, wo es sich um eine Herzensfrage zwischen Elisabeth Lund, die vielleicht einem unwürdigen noch Liebe u. Treue halten zu müssen glaubt, und mir handelt, den letzten Brief Richards lesen wollen, um in der Sache klar zu sehen und ein anderes Paar, um mich und Elisabeth glücklich zu
hard Hofmann.) Druck und Verlag von B e
machen, so werde ich Ihnen den Brief sofort lesen lassen."
„Wo ist der Brief?" stammelte der Greis und erhob sich seufzend von seinem Sessel.
„Hier ist er !" erwiderte Ralph und ein vämonisches Feuer blitzte in seinen Augen, als er dem Onkel den Brief überreichte.
Mit zitternden Händen las Allan Burns den angeblichen Brief Richards, den Ralph so geschickt gefälscht hatte, und mit einem jähen Ausrufe in den Sessel zurücktaumelnd rief der Greis mit bebender Stimme:
„Ein Mord, ein Mord brennt dem Unglückseligen in der Seele! Verloren, verloren für immer ist mir Richard!"
„Ja, leider ist dies der Fall und wir müssen mit der traurigen Thatsache rechnen," erwiderte Ralph mit erheuchelter Teilnahme.
„Dieser Kummer wird meine letzten Lebenslage verkürzen," begann Allan Burns nach längerem Schweigen. „Noch in dieser Woche werde ich den Notar kommen lassen und meine testamentarischen Bestimmungen ändern. Sie, lieber Ralph sollen mein Universalerbe sein und zu Ihrer beabsichtigten Verbindung mit Elisabeth Lund gebe ich meinen Segen."
„O, so viele Güte habe ich nicht verdient," rief Ralph mit vollendeter Heuchler- micne, fiel vor dem Onkel auf die Knie und küßte dessen Hand.
7. Kapitel.
Die Nemesis.
Im Boudoir der Frau Mary Lund lag Elisabeth vor den Knien der Mutter und flehte diese unter heißen Thräncn an, sic nicht zu zwingen Ralph Lockwells Gattin zu werden.
„Nicht Liebe, nickt Vertrauen hege ich zu Ralph, sondern Grauen und Abscheu empfinde ich vor ihm!" beteuerte Elisabeth, „und lieber will ich unverheiratet mein Leven verbringen, als eines Mannes Weib werden, den ich nicht lieben und nicht achten kann."
„Deine Empfindungen sind aber vielleicht doch ganz unbegründeter, launenhafter Natur, Elisabeth," meinte Frau Lund, „und Du sollst noch einmal mit Dir zu Rate gehen, ehe Du eine solche Partie von Dir weist."
„Ich habe nicht mit mir darüber weiter zu Rate zu gehen," entgcgncte Elisabeth mit ruhiger Würde, „denn in dieser Hinsicht steht mein Entschluß felsenfest."
„Also soll ich Ralph, der jede Minute kommen kann, einen unbedingt ablehnenden Bescheid erteilen?"
„Ja, Mutter, thue es!" bestätigte Elisabeth mit einer Entschiedenheit, die keinen Zweifel über des jungen Mädchens Empfindungen aufkommen ließ.
Elisabeth verließ jetzt das Zimmer der Mutter, um eine Begegnung mit Ralph zu vermeiden, und Frau Lund flüsterte der davongehenden Tochter nach: „Sie hängt noch mit voller Liebe an dem unglücklichen Richard Johnson, meine arme Elisabeth. Mag Gott geben, daß sie nicht darüber schwermütig wird.
(Schluß folgt.)
rnhard Hofmann in Wildbad.