Rundschau.

Balingen, 17. August. Der amtlich abgeschätzte Hagelschaden in unserem Bezirk beläuft sich in Balingen aus 37,400 <^5., in Geislingen auf 3ö,I00 , in Meß-

stetten auf 66,000 in Unterdigisheim austl 1,600 in Winterlingen auf 26,000, in Zillhausen auf 9000 ^

Ulm, 16. August. Heute nachmittag ertrank beim Baden in der Donau der 10- jährige Sohn der TrompeterSwitwe Kuhfuß. Derselbe 'war deö Schwimmens unkundig und v-rfchwand unter den Wellen, ehe ihm von der zu Hilfe eilenden Badcanfsicht Ret­tung gebracht werden konnte. Der Leichnam des Knaben wurde noch nicht aufgefnndcn.

Riedlingen, 17. Aug. Der 13'/- I, alte Gauner Johannes Eberhardt von Wei- denstellcn, welcher kürzlich in dem Gefäng­nis in Ulm auSgebrvchen ist, hat in den letzten Tagen unsere Gegend unsicher ge­macht. Unter Androhung grober Mißhand­lung hat er dieser Tage zwischen hier und Neufra einem achtjährigen Mädchen 1 geraubt. Der Bursche reist unter dem je­denfalls gefälschten Namen Johle. Bis jetzt war es noch nicht möglich, den Verbrecher cinzuliesern. Umfassende Maßregeln sind indes getroffen worden.

In Mindelsheim hat man durch einen Zufall entdeckt, daß ein Mädchen, wel­ches seit 10 Jahren als stumm galt und infolge dessen reichliche Unterstützung fand, das Stummsein simuliert hat. Man muß die Energie der Frauensperson bewundern, die es verstand, 10 Jahre lang Aerzte, Beicht­väter und Bevölkerung zu täuschen.

Gelegentlich der Parade hat, wie man erfährt, der deutsche Kaiser sich zu seiner Umgebung besonders anerkennend über die Führung der Lanzen seitens der Kavallerie ausgesprochen, In der That haben sich die Truppen wider Erwarten schnell an die neue Waffe gewöhnt. Während eine bedeutend längere Zeit für die Einübung mit derselben in Aussicht genommen war, sind bereits jetzt die Reiter ganz und gar mit der Lanze ver­wachsen, so daß sie ebenso sicher damit um- zugeheu verstehen, wie die Ulanenrcgimenter. Was die geplante Einführung der eisernen Lanzen anbetrifft, so soll dieselbe erst er­folgen, nachdem die jetzt in Gebrauch befind­lichen hölzernen Lanzen aufgebraucht sind. Die eisernen Hohlschäsle, welche leichter und zugleich widerstandsfähiger sein werden, will man, um der Hand des Reiters, besonders im Winter, besseren Halt zu geben, mit Bindfaden umwickeln, wie es beiden Griffen von Rapieren zu geschehen pflegt.

Ei» außergewöhnliches Vergnügen wollten sich bei dem letzten schweren Gewit­ter einige Herren und Damen machen, in­dem sie den Turm des altehrwürdigen Mün­sters in Freiburg i. B. bestiegen, um von da aus das Naturschauspiel genauer betrach­ten zu können. Jedoch wurde dies für sie zu einem Trauerspiel, bei dem ihnen glück­licherweise der schlimmste Schlußakt erspart blieb. Kaum waren sie nämlich oben an- gelangt, als ein Blitz den Blitzableiter ent­lang fuhr. Sofort lagen die meisten der Gesellschaft wie tot da und waren für's Erste auch nicht wieder zum Bewußtsein zu bringen. Zum Glück stellte es sich heraus, daß nur eine Ohnmacht sie befallen hatte und daß sie nicht vom Blitz getroffen waren. Nach

einer zweiten Münsterbesteigung bei Gewitter dürften sie wohl kein Verlangen haben.

Metz, 17. Aug. Der Kaiser bewilligte für die durch Hagelschaden hcimgesuchten Landwirte im Kreise Saarburg aus seiner Schatulle die Summe von 1000 Mk.

Aus Sonnelierg, 13. August, wird berichtet: Am vergangenen Montag vormit­tags zwischen 10 und 11 Uhr ereignete sich auf derSchönen Aussicht" ein schreckliches Unglück. Um die genannte Zeit wurden die Anwohner des genannten Stadtteils durch einen furchtbaren Knall erschreckt. Es hatte bei Herrn Zitzmann (bei denGlasern") eine Explosion von Mattlack stattgefunden. Ein kleines Fläschchen dieser gefährlichen Flüssigkeit war während der Arbeit umge­fallen. Den dabei verschütteten Stoff wollte nun Herr Zitzmann mit seinem Gehilfen aufwascheu, zu welchem Zweck derselbe, nach­dem der Mattlack schon ziemlich weggewischt war, Wasser verwendete. In diesem Au­genblick entzündete sich der auf dem Boden befindliche Mattlack, sowie gleichzeitig der in dem Fläschchen, und alles stand in kurzem in Flammen. Die Fenster flogen zertrüm­mert aus ihren Rahmen, durch die Gewalt der Explosion öffnete sie die Stubcnthüre, welche merkwürdigerweise unversehrt blieb, während die entferntere Hausthürc zum Teil zertrümmert wurde. Neun Personen sind teils schwerer, teils leichter verletzt, drei bis vier Personen lrugen schwere Brandwunden im Gesicht und an Händen und Armen da­von.

Chemnitz, 14. Aug. Schon seit einigen Monaten sind in einer großen Anzahl von Bodenkammern hiesiger Häuser sowohl im Innern der Stadt als auch in den äußern der Stadtteilen mit großer Frechheit Ein- bruchSdiebstähle in der Art verübt worden, daß der Dieb in jedem einzelnen Falle die Kammcrthür aufgesprengt und aus den Kammern meist Betten, Wäsche und Kleid­ungsstücke gestohlen hat. Endlich ist es ge­lungen, in der Person der Ehefrau eines hiesigen Arbeiters die Diebin zu ermitteln und festzunehmen. Bei Durchsuchung ihrer Wohnung wurde eine wahre Diebeshöhle aufgefunden. Eine große Anzahl Kleidungs­stücke, Wäsche, Betten u. A. fand sich vor, lauter Gegenstände, welche von den Dach­kammerdiebstählen hcrrührten.

Am Mittwoch abend, während die Musik auf dem Kolonnenplatz in Rom spielte, wurde plötzlich eine irredentistische Demon­stration veranstaltet. Die Musik mußte pa­triotische Lieder spielen, man schrie:Es lebe das Trento! ES lebe Triest!", zog dann vor die Redaktionsbureaus nichtirred- entistischer Blätter und brachte ihnen eine Katzenmusik.

Die bedeutende, an der Newa ge­legene Tuchfabrik der Gesellschaft Thornton in Petersburg, ein sechsstöckiges Gebäude, gefüllt mit fertiger Ware, ist total nieder- gebrannt. Der Schaden beläuft sich auf etwa l'/s Millionen Rubel.

In Petersburg brach am Samstag abend bei dem Aufbau des sechsten Stock­werkes auf einem Hause der Newski Per­spektive ein Hvlzgerüst zusammen und be­grub die auf demselben befindlichen Arbeiter unter den Trümmern. Acht Personen, dar­unter ein Architekt, wurden getötet, sechs an­dere schwer und vier weitere leichter ver­wundet.

Kaiser Wilhelm in Rußland. Wie man unterm 17. August aus Reval melket, ist Kaiser Wilhelm daselbst am Sonntag mittag cingclrofsen. Bei der Einfahrt in den Hafen gaben dieHohenzollern" und dieIrene" Salut, welcher von dem ge­samten russischen Geschwader erwidert wurde. Der Kaiser ging im alten Hafen vor dem Zollhause an's Land, woselbst derselbe von dem Großfürsten Wladimir, dem deutschen Botschafter General von Schweinitz, dem Grafen Pourtalis, dem Oberst Villaume und den Angehörigen der Revaler deutschen Kolonie erwartet wurde. Die an der Land­ungsbrücke aufgestellte Ehrenwache des Wy- borg'fchcn Infanterie-Regiments und des Petersburger Grenadier-Regiments präsen­tierte unter den Klängen der preußischen Nationalhymne. Die Mitglieder der Re­valer Kolonie überreichten dem Kaiser eine Adresse. Der Hafen sowohl wie der Bahn­hof und die umstehenden Gebäuden waren prächtig mit Blumen und Guirlanden ge­schmückt. Die in Massen herbeigeströmte Bevölkerung begrüßte den Gast mit jubeln­den Zurufen. Von der Landungsbrücke be­gab sich der Kaiser nach dem für demselben eigens hergerichtetcn Perron und bestieg den daselbst bereit stehenden kaiserlichen Separat­zug. Um Uhr erfolgte die Abreise nach Narwa. Die Ankunft des Kaisers Wilhelm dort wurde um 7^» Uhr erwartet. Das Jägerregiment Jsmailow sowie die Infan­terie-Regimenter Semenowski und Preob- raskenski bildeten bis zum kaiserlichen Ab­steigequartier hin Spalter. Die Ehrenwache am Bahnhof mit Musik und Fahne stellt das PreobrashcnSki-Regiment. Für den Abend war eine große Serenade und Illu­mination >n Aussicht genommen. Der -Groß­fürst Thronfolger war nachmittags aus dem Lager eingetroffen.

(Ein Familiendrama.) Aus Buda­pest wird telegraphiert: Aus dem Szilagyer Komitat wird eine entsetzliche That gemeldet) Der jungverheiratcte Gutsbesitzer Geza von Golya hatte mit seiner Frau Streit, weil sic in seiner Abwesenheit auf einem Wohl- thätigkeitsball gewesen. Der auf's Höchste erbitterte Gatte riß sein Jagdgewehr von der Wand und schoß die Frau nieder. Bei dem Anblick der Leiche stürzte er wie wahn­sinnig in den Wald hinaus, flocht aus Ruthen eine Schlinge und erhängte sich, allein die Schlinge riß; halb erstickt kam er zur Besinnung und lief in das Dorf zurück, wo er die Sterbeglocke für seine Frau läuten hörte. Er schlich sich nun in das Haus, welches behördlich bereits gesperrt war, rannte die Thüre ein, lud den anderen Lauf seines Gewehres mit Wasser und schoß sich in den Kopf. Er blieb auf der Stelle tod.

Verschiedenes.

.'. (Die männliche Arbeiterin.) In der Revisionsabteilung der königlichen Munition- Fabrik zu Spandau war -- so berichtet eine Korrespondenz vor etwa acht Tagen als Arbeiterin eine üppige Blondine eingestellt und auf ihren besonderen Wunsch in den Wellblechbaracken nahe der Fabrik demMäd­chen-Heim", untergebracht worden. Die neue Arbeiterin legte alsbald eine gewisse Abneig­ung gegen das männlich: Aufsichtspersvnal an den Tag, in desto besserem Einvernehmen stand sie mit ihren Kolleginnen und inson-