Rundschau.

Ei» in Cannstatt wohnender Pens. Eisenbahnassistent v rfnchte vorgestern Nach­mittag in einem Anfall von Tobsucht mii dein abgerissenen Deckel seiner Taschenuhr sich den Hals abznschneiden und brachte sich nicht unbedeutende Wunden bei, die seine Ueberführung ins Bez.-Krankenhaus nötig machten.

Aalen, 14. Aug. Vor etwa 8 Tagen wollte sich der Maschinenführer in der Zell- stofffabrik Unterkochen durch einen Revolver- schuß selbst entleiben; der nach dem Kopfe geführte Schuß hatte aber nicht die gewünschte augenblickliche Wirkung, und erst gestern ist der Unglückliche, ein geborener Ocsterreicher, nach qualvollen Leiden gestorben.

Aalen, 14. Aug. In Lauterburg hie­sigen Bezirks zerstörte gestern abend ein Hagelwetter den größten Teil der Ernte- früchte. Die Leute dieser Gemeinde sind beinahe untröstlich, da sie im vorigen Jahr das gleiche Schicksal zu ertragen halten und größtenteils unversichert sind.

Crailsheim, 14. Aug. Ein 8jähriges Mädchen wurde beim Baden in der Jagst vom Hochwasser fortgeriss-n und war schon unter den Wellen verschwunden. Schnell entschloss,n stürzte sich ein hiesiger Gcrberei- besitzer in das Wasser, und es gelang ihm mit Aufbietung aller seiner Kräfte, das Kind noch zu retten. Bei einem gestrigen Ge­witter fiel auf den Markungen Goldbach, WestgartShausen und Jngersheim strichweise dichter Hagel. Die Schloßen fielen in Hasel» nußgröße und haben ziemlich viel Schaden angerichtet.

Buchau, 14. Aug. Seit einigen Tagend weilt Negierungsbaumeister Wallersteincr aus Stuttgart hier, um die ihm von den bürgerlichen Kollegien hier übertragenen Vor­arbeiten zum Eisenbahnprojekt Buchau Schussenried anznferligen; zu gleichem Zweck weilt in dessen Auftrag feit voriger Woche Bauführer Röcker hier.

Widdern, 15. August. Gestern früh sah ei» hiesiger Bürger in den Kappelwie- fcn hart an der Jagst einen Schäferhund liegen, der einige Gegenstände zu bewachen schien, von denen >r trotz Rnfens ».Lockens nicht wegzubringen war. Als man ihm näher trat, bemerkte man am Ufer verschie­dene Kleidungsstücke und eine Schäferschippe, sowie die Leiche des seit zwei Tagen vermiß­ten Schafknechtes W. aus Schwaigern, bei welcher der Hund treu die Wache hielt.

(Ein Wahnsinniger auf dem Bahn­hofe.) Ans tem Bahnhof Rixdorf hatte sich am Dienstag spät Abends ein junger Mann eingrfnndcn, welcher bald die Auf­merksamkeit der auf den Zug wartenden Passagiere dadurch auf sich lenkte, daß er die Zäune und Telegraphenstangen zu er­klettern suchte und ein Holzgeländer demo­lierte. Als Bahnbeamte herannahtcn, um den Wahnsinnigen, denn mit einem solchen hatte man es offenbar zu thun, festzunchmeu, raste dieser wild brüllend und um sich schlag­end auf dem Bahnhofe umher, riß Frauen und Kinder zu Boden, erfaßte ein OjährigcS Mädchen und schleuderte dieses über den Zaun, welcher de» Bahnsteig vom Bahn­körper trennt. Nachdem auch mehrere Män­ner, welche versucht hatten, den Unglücklichen zu halten, zu Boden geschlagen waren, wagte cs Niemand mehr, sich dem Rasenden ent- gkgcnzusteücn. Als jedoch ein Gendarm

auf dem Bahnhof erschien, ergriff der Kranke die Flucht, warf sich auf der Straße zu Boden, schlug mit Händen und Füßen nm sich, und nur mit großer Mühe gelang es schließlich, den Wütenden zu überwältigen und zu fesseln. Der Kranke wurde später als ein in Berlin wohnhafter Tischler rekog­nosziert. Der Aermste hatte an dem Tage seine in Britz wohnende Schwester besucht und ist auf dem Rückwege von dort plötz­lich wahnsinnig geworden.

Der Kaiser von Rußland hat der Erzherzogin Marie Valerie zu ihrer Ver­mählung eine kostbare Pclzgarnitur vom blauen Fuchs, dem Bewohner der nördlichen Gegenden des russischen Reiches, zum Ge­schenk gemacht. Man schätzt den Wert die­ser Gabe auf etwa 50000 ^

Vor einigen Tage» entstand zwischen den drei Brüdern Powcls in der Wohnung ihrer Mutter, Poststraße 30 in Berlin, eine Schlägerei, in deren Verlauf der ältere B. Ferdinand den einen Bruder durch Messer­stiche an Kopf und Brust, den anderen durch einen Fußtritt am Kopf und seine Mutter durch einen Biß am Vorderarm ver­letzte; der Thäter ist verhaftet. Ein gemüt­liches Familienleben!

Der große Lagerschuppen der Tuch« fabrik von Bockhackers Nachfolger zu Dör- permühle bei Lennep, sowie ein Nachbarhaus und zwei Scheuern sind niedergcbrannt. Den beträchtlichen Schaden hat eine Ver­sicherungsgesellschaft zu decken.

In Wettern bei Gent explodierte die Lokomotive des Güterzugs; zwei Ma­schinisten wurden getötet. Das Feuer brei­tete sich auf die Waggons, darunter auch auf den Petroleumwagen aus; der Bahn­damm ist gesperrt. Der deutsche und der italienische Expreßzug wurden noch rechtzei­tig aufgehalten, die Reisenden mußten um- steigcn.

(Ein Fall von Engel machcrei) wie er selbst in Frankreich in solchem Umfang und solcher Ungeheuerlichkeit noch nicht an die Oeffcntlichkeit gekommen, dürfte nach den Ferien die Pariser Gerichte beschäftigen. Im Juni wurde die im Außenviertel Batig- nolles wohnende Hebamme Terrier wegen einer ganzen Reihe schwerer, hier nicht nam­haft zu machender Verbrechen verhaftet. Bei der zugleich vorgenommcnen Haussuchung fanden sich ungemein zahlreiche Briefe: nicht weniger als vierhundert junge Frauen und Mädchen hatten sich innerhalb sechs Monaten inGeschäftsangelegenheitcn" an die Frau gewandt. Armen Mädchen nahm Frau Terrier hundert Franken ab, reiche mußten selbst einige Tausend zahlen. Sobald sie sich an Frau Terrier gewandt hatten, waren sie in deren Hand. Bis jetzt sind siebzig Personen verhaftet, an welchen diese Hebamme ihre schreckliche Kunst geübt hat. Weitere werden folgen. Dabei spielt sich das unge­heuerlichen Weibsbild noch als Wohlthälerin auf! Sie ist leider nicht allein in Paris. Vorigen Sonnabend starb im Krankenhaus Charite eine junge Frau, wegen der sofort eine Untersuchung eingeleitet wurde. Es ist ganz unmöglich, die Tausende solcher Fälle alftzu- spüren, die jährlich in Paris Vorkommen.

Aus Paris wird der Franks. Ztg. gemeldet. Das Dorf Sirod im Jura- Departement ist niedergcbrannt. 150 Fa­milien sind obdachlos.

Die Fabrikanten von Totcnkränzcn in Paris haben beim Handelsminister eine Bittschrift eingereicht, um ihn zu ersuchen, gegen das Stehlen von Totenkränzen auf den Friedhöfen einzuschreiten. Seit Jahren werden die künstlichen Totenkränze und alle Grabausschmückungen von einigem Wert nachts und selbst am Tage massenhaft ge­stohlen, um wieder aufgefrischt und dann wieder verkauft zu werden. Die Wächter der Friedhöfe schreiten nicht gegen diesen Un­fug ein, da ihren Schweigen von den Dieben durch Geld erkauft wird. Einzelne Ge­schäftsleute treiben Handel mit der gestoh­lenen Ware. Wenn die Totenkränzc nicht mehr verwendbar sind, so nehmen sie die­selben auseinander und verkaufen die Perlen, das Eisen und das Glas einzeln. Ein ein­ziger dieser Händler soll ein Lager von 100,000 gestohlenen Kränzen, 50,000 Kilo Glas und 20,000 Kilo Perlen besitzen.

Infolge des Durchbruchs natürlicher Gase wurden beim Dorfe Waldron, im Staate Indiana, etwa 15 Mrg. nach einer heftigen Erdcrschüttterung wie durch eine vulkanische Macht emporgehoben. Eine Gas­lohe von 200 Fuß Höhe schlug empor, und ringsum entsprangen der Erde wasser- spciendc Geiser. Der Fluß war aus seinem Bett gelenkt, und Felsstücke wurde» bis auf zwei Meilen Entfernung von dem Dorfe fortgeschleudcrt. ,

(Von einem sensationellen Heirats­projekte) wird derVoss. Ztg." aus Paris berichtet: Milan, der abgcdanktt König von Serbien, soll sich mit der Witwe des Ge­nerals Barrivs verheiraten. Barrivs war Präsident der Republilck Guatemala und hat als solcher so gute Geschäfte gemacht, daß er seiner Witwe fünfzig Millionen Francs hinterlassen konnte. Eine solche Summe kann dem nicht reichen, stets des Geldes be­dürftigen König nur sehr gelegen kommen. Milan ist übrigens ein aller Bekannter in Paris, wo er einst im Lycoe-Louis-le-Grand einige Jahre Erziehung genossen hat.

Neapel, 15. Aug. Gestern Vormittag stürzte die Badeanstalt am Strande Ma- rinellas ein; gegen hundert Personen fielen ins Wasser, von denen zwei ertranken ; einige wurde verwundet, die übrigen gerettet.

(Wörtlich.) Pfarrer :Ja, das hilft nichts, Häckselbauer, das ist nun einmal so Sitte, Ihr müßt Eurer seligen Frau eine Grabschrift setzen, sonst denken die Leute, Ihr hättet Euch gar nicht ein Bischen lieb gehabt." Häckselbaner:Was das be- trifft, Herr Pfarrer . . . Sic wisse, ich bin e friedfertiger Mann ... sie Hafts als gar arg mit mir getriwwe, und geschmisse hat sie mich auch ... ich kann nun emal nit gege die Wahrheit rede. . ."Pfarrer:Nun, so setzt auf den Grabstein:Sic ist mein Stecken und mein Stab gewesen."

8 (Theater.) Fr. Selma Heltzig eine unfcrer beliebtesten Schauspielerinnen, hat zu ihrem morgen abend stattsindcnden Benefiz das berühmte StückDer Hüttcnbesitzer" (L,s maitrs äo torgso). Schauspiel in 4 Auszügen von Georges Ohnet gewählt. Die Wahl dieses Stückes wird gewiß recht viele Theaterfreunde veranlassen, morgen abend den Musentempel zu besuchen; daneben sind wir es der Künstlerin schuldig, ihr den Dank sür so viele uns durch sie bereitete heitere Stunden zu bezeigen.