Rundschau.

Stuttgart, 13. August. S- M. der König Halen laut St-Anz. dem K bay ri­schen StaatSmir-ister des Innern Freiherrn v. Feilitzsch daS Großkicuz des Ordens der Württembergischeu Krone verliehen.

Se. Maj. der König Hai de» Minister des Innern crmächligr, aus der König Karl- Jubiläumsstiflung 5000 zur Gewährung von Beihilfe zur Linderung von durch Ge­witterschaden verursachten Notständen zn ver­wenden.

Heilbronn, 12. August Gestern abend starb nach kurzer Krankheit Friedrich v. Rauch, ältester Chef der bekannten Papierfabrik Ge­brüder Ranch, auf dem Kohlenhvf bei Heidel­berg wo er sich zur Erholung anshielt. Der Verstorbene war langjähriger Vorstand der Handels- und Gewerbckammer, sowie Ver­treter unserer Stadt im Landtage nach dem Tode Fr. Eduard MaierS. Er war 67 Jahre alt. Sein Tod ist ein empfindlicher Verlust für unsere Stadt, besonders für deren Handelsgebiet.

-- Die bürgerlichen Kollegien von Heil- brvNU haben beschlossen, für den Neubau einer evangelischen Kirche auf dem Kaiser Wilhelmsplatz ein Preisausschreiben zu er­lassen. Die Kirche soll 1400 Sitzplätze erhalten. Die Baukosten sollen die Summe von 400 000 nicht überschreiten. Vor­handen sind bis jetzt 109 000 unge­rechnet, was die Stadtgemeinde aus Anlaß der Ausscheidung des Kirchenvermögens zu- giebt.

In Möckmühl ereignete sich ein sehr bedauerlicher Unglücksfall. Ein Bauerösohn führte auf einem Wagen den Drasch von Gerste von der Dreschmaschine nach Hause. Als er durch die Straße fuhr und auf der Handseite sein Pferd führte, sprang von der andern Seite ein bjähriger Knabe und dem Beispiel folgend sein Schwesterlcin, 3 Jahre alt, an den Wagen, standen auf die unter dem Wagen der Länge nach hängenden Sperr­ketten und hielten sich am Leiterbaum, als der Wagen auf einmal über einen Stein ging. Durch diesen Stoß wurde der Knabe unter den Wagen geworfen, wo sofort das Hinterrad ihm gerade über den Hals ging. Der Knabe blieb sogleich tot, das Mädchen siel rückwärts nach außen und erhielt eine jedoch ungefährliche Hanptwnnde am Kopf.

Vom unteren Neckar, 13. Aug. Stach vorausgegangenen Vorbereitungen hielt heute daS Heilbronuer Bataillon auf dem Felde nordwestlich von OberciseSheim ein Gesecht- schießen mit scharfen P. ab. Die Entfernung der Arlillericscheiben vom Angriffsplatz be­trug 12? und 1300 w. Kavallerie- und In­famer» scheiben waren weniger weit entfernt. Beim ersten Schießen erhielt eine Kavallcrie- scheibe nicht weniger als 74 Kugeln. In­teressant für die Zuschauer war das Abfeu- crn mit rauchlosem Pulver.

Tübingen, II. August. Das Tagesge­spräch ist das Entweichen und die Wiedcr- sestnahme des Naubmörders Mickeler, der s. Zt. in Rheinfclden eine Krämersfrau, bei der er zuvor gebettelt, mit einem Pflaster­stein getötet und sich dann in der hiesigen Umgegend hcrumgetrieben hat, bis er wegen Diebstahls Verhaftet wurde, wobei dann der I. Staatsanwalt Degen in dem 22jährigen, von guter Famile in Notttenburg stammen­den Menschen den Mörder von Rheinfelden ermittelte. Mickeler, der nach mehrstündiger

Verfolgung von Pvlizeiunteroffizier Jung- hanS und dem Studcntnrdiener Meyers- Hausen im Walde bei Spitzberg dingfest ge­macht wurde, bat sich am Blitzableiter des Gefängnisses hinabgelassen und seinen Weg durch die Gärten der Villen in d>r Neckar­halde genommen. Merkwürdig dabei ist, daß er in einem dieser Gärten von 2 Per­sonen, denen seine durch die Blitzableitertur total zerrissene Kleidung anfsiel, fcstgenom- men, aber wieder frcigelassen wurde, weil er angab, die Polizei verfolge ihn, weil er in einem Hanse gebettelt habe,

Tübingen, 12. Aug. Das Opfer der Roheit eines an Leib und Seele verkommenen Subjekts ist am SamStag vormittag Gut­leuthausvater Koch geworden. Ohne jeden begründeten Anlaß versetzte ihm der Tag- löhncr Schofel aus Urach aus Zorn dar­über, daß er nicht ohne Erlaubnis das Haus verlassen durfte, einen Stich in die Herz­gegend, der eine erhebliche Verletzung bewirkte. Der rohe Bursche der mühsam an Krücken geht, wurde aufs Schloß gebracht, wo er seiner Strafe harrt.

Ein hartes Geschick hat die 16jähr. Tochter des vor einiger Zeit verunglückten Mechanikers Fruck in Kreuznach betroffen. Das Mädchen war gerade damit beschäftigt, seinem Vater einen Verband umzulegen, als derselbe, vor Schmerz gepeinigt plötzlich einen lauten Schrei ausstieß. Dieser Schrei er­schreckte die Tochter dergestalt, daß sic vor Schrecken vollständig die Sprache verlor und bis jetzt keinen Laut mehr Hervorbringen kann.

Glück im Unglück. Dieser Tage er­eignete sich auf der Oberhessischcn Eisenbahn unweit Gelnhausen ein merkwürdiger Unfall. Die Frau eines Bahnwärters war eben mit Gänsehülen beschäftigt, als ein Zug einhcr- brauste. In der Absicht, ihre Gänse vom Bahndam herunterzutreiben, wurde die Frau von der Lokomotive erfaßt, zu Boden ge­schleudert und überfahren. Entsetzt sprangen die Augenzeugen dieses schrecklichen Vorganges hinzu und glaubten nicht anders, als den zur Unkenntlichkeit Verstümmelten Leichnam der Unglücklichen auf dem Geleise vorzufin- den. Zn ihrem maßloßen Erstaunen erhob sich jedoch die Frau wohlbehalten und hatte außer dem Schrecken nur einige geringfügige Contnsionen davongetragen. Sie war ge­rade zwischen die Schienen zu liegen gekom­men, so daß der Zug über sie hinwegbrauste, ohne sie weiter zu beschädigen.

Im Atelier eines Zahnarztes in Lille erlag am Sonntag ein junges Mädchen einer Vergiftung durch Cocain, welches ihm be­hufs Erzeugung von Gefühllosigkeit bei einer Operation in das Zahnfleisch eingespritzt worden war. Drei sofort hinzugezozene Aerzte konnten nur den Tod feststellen.

DerFr. Kurier" meldet aus Nürn­berg: 300 zur Ernte beurlaubte Soldaten des 15. Regiments weigerten sich, in Güter­wagen einzusteigen. Die Bahnbehörde stellte im letzten Augenblick Wagen dritter Klasse.

Berlin, 12. Aug. Wie verlautet, wird der Kaiser am Donnerstag den 14. mittags nach Rußland abreisen. Der Kaiser wird v. deutschen Botschafter General v. Schweinitz und dem ersten Botschaftssekretär Graf v. Pourtales in Reval empfangen.

Der Geh. Kommerzienrat Krupp in Essen hat zur Erinnerung an den 20. Juni, den Tag des Besuchs des Kaisers, ein Sti­

pendium gestiftet, aus welchem Söhne von Meistern und Arbeitern, welche sich durch Fleiß und Fähigkeit während des Schulbe­suchs ausgezeichnet haben, die Mittel zum Besuch einer technischen Hochschule beziehen können. Zur Unterhaltung dieser Stiftung sollen in jedem Jahr am 20. Juni 12 000 -/kl gezahlt werden.

Breslau, 12. Aug. Die Zusammen­kunft des Kaisers Franz Joseph von Oester­reich, der vom Grafen Kalnoky bekleitet sein wird, mit dem Kaiser Wilhelm II., den der Reichskanzler v- Caprivi und der Chef des Großen Generalstabes Graf Waldersee be­gleiten werden, ist soeben endgültig auf den 17. September, nachmittags 3 Uhr, auf Schloß Rohnstock festgesetzt worden.

Die Armee des Sultans von Ma­rokko wurde von den Rebellen geschlagen; letztere massakrierten über 100 Gefangene, folterten und enthaupteten einen Sohn des Sultans.

Eine ueuc Erfindung. Ein Herr Franz Kühmaycr in Preßburg hat, wie österreichische Blätter melden, ein Modell zu einem neuen Musikinstrument, einem Streich- Klavier fertig gestellt. Aeußerlich hat das Instrument ganz die Größe und Gestalt eines Stutzflügels. Die Klaviatur ist genau dieselbe, wie bei einem gewöhnlichen Klavier, so daß jeder Klavierspieler sofort das In­strument spielen kann. Im Körper vcs K. befinden sich 10 Streichinstrumente u. zwar 2 Celli, 2 Violen und 6 Violinen. Zwi­schen den Saiten zirkulieren endlose Fiedel- bögen ans feinem Leder, welche durch das Pedal in steter Bewegung erhalten werden. Wird nun eine Laste berührt, so beginnt der Bogen die betreffende Stelle zu streichen »nd streicht sie so lange, als der Finger auf der Taste ruht; sowie beim Klavier erhält man auch hier, je nachdem der Finger die Taste leichter oder stärker berührt, einen schwächeren oder stärkeren Ton.

In drin Coupe eines starkbesetztcn Waggons im Lübeck-Hamburger Postzug spielte sich am Samstag kurz vor der Station Wandsbcck ein schrecklicher Vorgang ab. Einer der Mitfahrenden, ein Russe, stach plötzlich einem andern Passagier ein Messer in die Brust und verletzte denselben tödlich; sodann stach er einem Kinde ein Auge aus und verletzte fünf andere Passagiere schwer durch Messerstiche. Der wahrscheinlich von plötzlichem Irrsinn befallene Unhold ward auf dem Bahnhof Wandsbcck nach heftigem Kampf von den Bahnbeamtcn dingfest ge­macht.

Die Zincksche Filzfabrik in Roth bei Schwabach in Bayern ist iu der Nacht vom Dienstag zum Mittwoch vollständig abge­brannt.

In Haidewald bei Halle a. S. wurde ein junger Mann von etwa 20 Jahren er­mordet gefunden. Die Leiche war völlig nackt, der Hals durchschnitten. Die Per­sönlichkeit des Getöteten ist noch nicht fest­gestellt.

In Pest ist am 13. ds. nütiagS beim Zubau eines Hauses in der Feldgasse der alte Bau eingestürzt, iu welchem sich 14,000 Meterzentner Eisen aufgehäuft befanden. Unter den Trümmern wurden zwei Men­schen getötet und sechs schwer verwundet.

Gastwirt Micsinko in OcSko, welcher vor wenigen Tagen einen Brand gelegt hat, infolgedessen säst die ganze Ortschaft nieder-