DerKsmpfuin eineMillion.
Criminalnovelle von W. Roberts.
Nachdruck vertaten.
23 .
Das Wird verblüffend wirken und ihrem Angriffe Halt gebieten!"
Im Laufschritt eilten die Freiwilligen, ungefähr hundert Mann stark, nach dem Bcrgkegel und begannen nun dort mit wahrer Todesverachtung die steile Bergwand empor zu klettern. Alles überflüssige Gepäck, selbst oft die Schuhe schleuderten sie von sich, um bei dem schwierigen Aufstieg, der so rasch wie möglich erfolgen sollte, nicht gehindert zu sein. Nicht wie Menschen auf den Füßen, sondern wie Tiere auf allen Vieren klomm die tollkühne kleine Schaar enlpor.
In einer bangevollen halben Stunde waren die meisten der Freiwilligen und unter ihnen als einer der ersten Richard Johnson, genannt „William Hutting", oben auf dem Bcrgkegel. Aber wer beschreibt den Schrecken der mutigen Schaar, als plötzlich ein Teil dcS Felsens, auf welchem sie stand sich loslöste und mit einem unheimlichen Gepolter in die grausige Tiefe stürzte. Für die ersten Augenblicke befürchteten die mutigen Soldaten, die Feinde hätten hier Minen gelegt und sprengten den Bcrgkegel stückweise in die Lust. Diese Annahme crwieS sich aber glücklicher Weise als irrtümlich, denn man sah, daß nur ein besonders weit hervorragendes Felsstück, welches wahrscheinlich einen Riß gehabt hatte, abgebrochen und mit den darauf befindlichen Soldaten in die Tiefe gesunken war: Zehn Soldaten waren hinabgcstürzt und hatten einen entsetzlichen Tod gefunden, und als sich die übrigen Freiwilligen von ihrem Schreck über den jähen Verlust von zehn Kameraden erholt hatten, gewahrten sie zu ihrer Bestürzung, daß ihr Führer ebenfalls mit in den Abgrund gefallen sein mußte, denn nirgends bemerkten die Freiwilligen den sie befehligenden Lieutenant.
Fragend blickten sie einander an und eine tiefe Mutlosigkeit schien sie zu befallen. Da sprang Plötzlich Richard Johnson auf dem Felsen hoch empor, schwang sein Gewehr über dem Haupte und rief mit lauter Stimme:
„Kameraden, ich will Euer Führer sein! Vorwärts noch weiter hinauf auf jenen Felsenvorsprung dort, von wo aus wir die ganze Umgebung überschauen können!"
Richard kletterte beherzt .voraus und die übrigen Soldaten folgten ihm wie ihrem Befehlshaber. Mit scharfen Augen spähte Richard hinab in das von den Feinden besetzte Thal und erkannte rasch, daß die Rebellen die Absichten halten, auf der dem Bergkegel zugewandten Thalseite die Truppen dcS Obersten Muray zu umgehen u. ihnen dann in den Rücken zu fallen. Gelang dieser Streich den Aufständischen, so war die dom Oberst Maray befehligte Abteilung rettungslos verloren, es war also keine Minute zu verlieren, wenn die Feinde von ihrem gefährlichen Vorhaben abgehalten werden sollten. Wohl waren sie ziemlich weit von dem Felscnvorsprunge, auf welchem Richard Johnson mit der kleinen jetzt von ihm geführten Schaar stand, entfernt, aber der Felscnvorsprung lag wohl hundert Fuß höher
als der Teil der Thalwand, auf welchem sich die Aufständischen befanden, und diese konnten wohl von der mutigen Schaar unter Richard Johnson's Führung gesehen werden, aber die Aufständischen konnten von den Engländern, welche sich platt auf den Felsenvorsprung nicdcrgelegl hatten, nichts bemerken.
„Erst eine Salve hinunter auf die Köpfe der Hallunken und dann wird Schnellfeuer gegeben!" befahl der junge Anführer der kleinen englischen Schaar.
Diese gehorchten dem jungen Kameraden wie einem alten General und mit einem furchtbaren Krach, welcher hundertfach in den weiten Felswänden nnd Schluchten wiederhallte, donnerte das Salvenfeucr von dem Felscnvorsprung hinab auf die vortersten Reihen des Feindes.
Ein jäher Schreck fuhr bei diesem ganz unerwarteten Angriff durch die Reihen der Aufständischen. Entsetzt blickten sie in die Höhe, um die Gegner zu erspähen, sahen aber weiter nichts als eine Rauchwolke, die sich langsam über den Bergkegel erhob. Diese unheimliche Art des Angriffes, welches jetzt mit Schnellfeuer fortgesetzt wurde, erzeugte in den Reihen der Aufständischen eine vollständige Panik.
Fluchtartig wandten sie sich rückwärts und wälzten sich als wirrer Haufe dem Thalcingange zu. Auf diesen Moment hatte aber der englische Befehlshaber gerade gerechnet. Eiligst ließ er an den Thaleingang eine leichte Batterie, die er zu diesem Zwecke bereits in der Nähe in Bereitschaft gehalten, hatte, auffahren und die dichten Haufen der Rebellen mit Kartätschen beschießen. Wie Gras von einer wuchtigen Sense dahingemäht, so sanken die Aufständischen vor dem Kartätschenhagel darnieder, und wer sich vor ihnen aus dem Blutbade retten konnte, floh wieder rückwärts in daö Thal.
Inzwischen hatte aber auch der Oberst Muray der bisher mit seinen tausend Mann in einem engen Bergthal eingekeilt gelegen hatte und sich nicht entwickeln konnte, die total veränderte Lage erkannt und schickte kleine Schützenabteilungen vor, um Terrain zu gewinnen.
Die in ihrer Stellung total erschütterten Feinde wichen vor den Kugeln der Scharfschützen, welche von den Richard Johnson kommandierten Freiwilligen, die immer noch von dem Bergkegel herab feuerten, lebhaft unterstützt wurden, bald zurück, mehr und mehr entwickelten sich nun die Truppen des Oberst Muray und siegreich trieb er die Aufständischen wieder dem Thaleingange zu, wo sic wieder mit Granaten und Kartätschen beschossen wurden. So geschah es, daß die Rebellen fast ganz aufgerieben wurden und sich nur einige kleine tollkühne Häuflein derselben über die Bergwände retteten.
Als sich die Truppen des Oberst Muray dem Thalcingange näherten, ließ der Oberbefehlshaber die thalabwärts feuernden Kanonen schweigen, und Oberst Muray trieb mit einem glänzenden Bajonnetangriffe den Rest der Aufständischen aus dem Thale auf das Hochplateau hinaus, wo sie sofort von den dort die ganze Umgebung besetzt haltenden englischen Truppen gefangen genommen wurden.
Der kommandierende General beglück- wünschte den Oberst Muray zu seinem Siege
und der braven Haltung seiner Truppen in der äußerst schwierigen Lage. Aber der Oberst war einsichtig und bescheiden fgenug, um sich nicht allein den Sieg zuznschreiben und sagte zu dem Oberbefehlshaber:
„Wo wäre ich ohne ihren kühnen Eingriff mit meinen Truppen geblieben, Herr General, Ihnen allein gebührt die Ehre und der Ruhm des Sieges."
„Ich muß den Ruhm faber mit jenem Häuflein todesmutiger Helden teilen, die noch dort auf jenem steilen Bcrgkegel halten und durch ihren überraschenden Angriff den ersten Schrecken in die Reihen des Feindes gebracht haben," erklärte freundlich der General und zeigte nach dem Bergkegel, wo man die Schaar der Freiwilligen langsam und mit Aufbietung ihrer letzten Kräfte herab steigen sah.
Erstaunt blickte der Oberst Muray auf den hohen Bcrgkegel und dessen steile Wände.
„Wahre Helden fürwahr sind jene Männer," sagte er dann, „und mir wird erst jetzt die Ursache des plötzlichen Zurückweichens der Rebellen klar. Wer führt diese Freiwilligen ? Ihm wie allen seinen Leuten bin ich zu besonderem Danke verpflichtet."
„Lieutenant Harvest führt die Freiwilligen," erwiderte der General. „Ich teile auch für meinen Teil und für den schönen Erfolg de« ganzen Tages ganz Ihre Meinung, Herr Oberst, und bestimme, daß sämtliche abkömmlichen berittenen Ofsiziere, darunter auch wir beide, der todesmutigen Schaar, die fast Uebermenschliches bei dem raschen Erklettern deS Bergkegels leistete, cntgegengreitcn und ihr dadurch Ehre an- thun, daß wir sie in feierlichem Zuge in das Lager, welches dort aufgeschlagen wird, begleiten."
„Sehr wohl, Herr Generali erwiderte Oberst Muray freudig und rief die abkömmlichen berittenen Officizre herbei.
Wenige Minuten später ritten dieselben mit dem General und Oberst Muray an der Spitze den Freiwilligen, die sich am Fuße des Bcrgkegels sammelten, entgegen. Als Richard Johnson, genannt „William Hur- ting" , die Cavalcade der Offiziere nahen sah, ordnete er schnell seine Kameraden und maschierte auch seinerseits dem General in bester Ordnung entgegen. Richard führte dabei die Abteilung der Freiwilligen so geschickt und sicher wie ein erfahrener Offizier, so daß aus der Ferne Niemand ahnte, daß die Freiwilligen ihren Befehlshaber Lieutenant Harvest verloren hatten und nur von einem gewöhnlichen Soldaten geführt wurden. DaS scharfe Auge des Generals bemerkte aber bald das Fehlen des Offiziers bei der Truppe der Freiwilligen und im Galopp herbeieilcnd fragt« er Richard Johnson :
„Wo blieb Lieutenant Harvest, w-lch-r die tapfere Schaar führte?"
„Lieutanant Harvest^,stürzte bereits beim Aufsteige auf den Bcrgkegel mit neun Soldaten in einen furchtbaren Abgrund, wo sie tot liegen blieben," meldete Richard Johnson. „Wir bemerkten den Verlust unseres Osfmcrs erst, als wir die Spitze desBerg- kegclS erreicht hatten und da uns in dieser kritischen Lage sofort ein Führer nötig war, so übernahm ich die Führung der Kameraden und glaube meine Pflicht gethan zu haben."(Fortsetzung solgt.)^
Verantwortlicher Redakteur: Bernhard Hofmann.) Druck und Verlag von Bernhard Hosmann in Mldhad,