Rundschau.

Cannstatt, 7. Aug. Der Heilsarmee ist vom Stadtschuliheißenamt die fernere Ab- Haltung von Versammlungen verboten wor­den. Das Verbot wurde vom K. Oberamt bestätigt. Bekanntlich führte eine Versamm­lung derselben am Sonntag den I. Juni d. I. zu einem großen Straßenauflauf.

Cannstatt, 8. August. Die Bäckerge- nosscuschaft hat gestern einen Brotabschlag cintreten lassen, der pro Kilo 4 beträgt.

Heilbronn, 7. August. Oberbürger­meister Hegelmaler wurde wegen des Nicht­erscheinens vor der Kreisregierung mit 25

Geldstrafe belegt, auch wurde ihm die zwangsweise Vorführung angedroht.

Von der Jagst, 7. August. Der aus Goldbach, OA. Crailsheim, gebürtige Fuhr- kincht des Müllers Kochendörfer in Loben­hausen fuhr in der abgelaufcnen Nacht mit einem nur mäßig beladenen Wagen die Steige nach Mistlau herab, ohne zumüggcn. Das Gefährt kam in raschen Lauf und blieb schließlich an den Straßenbäumen hängen, wo der Knecht förmlich eingekeilt und ge­tötet wurde. Heute füh wurde seine Leiche aufgefunden.

Man schreibt aus Baden-Baden, 8. August: Heute nacht wurde in dem Maga- siu cspagnole in der Lichtenthalerstraße ein- gcbrochen, wobei Geld und Wertgegeständc im Werte von ungefähr 10,000 ^ gestoh­len wurden. Die Diebe scheinen mit einem Nachschlüssel die HauSthürc geöffnet zu ha­ben. Vom Hausgange aus erbrachen sie die Ladenlhüre.

(Ein Glückskind.) Frankfurt besitzt in der Altstadt einen vom Glück begünstig­ten Goldarbeiter. Derselbe gewann erst kürzlich in der Klasscnlotterie 75 000 bei der letzten Ziehung gewann er nun aber­mals 30 000

Aus St. Goarshausen wird gemel­det: Innerhalb eincS bestimmten Hektars sind 25 RcblauSstellen konstatiert. Der Herd wird streng bewacht; auch die Eigen­tümer dürfen ihre Weinberge nicht betreten. Viele Sachverständige sind behufs Abgrenz­ung des Herdes anwesend.

Die Fleischergkßllen des Schlachthau­ses in Nom stellten die Arbeit ein. Die Streikenden wurden durch fachkundige Sol­daten ersetzt. Nachmittags versucht, die Streik­enden in das Schlachthaus zu dringen, wo­bei 27 verhaftet wurden.

Genf, 7. August. Laut einer soeben hier cingetroffcuen amtlichen Mitteilung des französischen PolizeikommissärS in Annemasse (Ober-Savoyen) hat vorgestern in dem kleinen Bergdorfe LeS Ouchcs am Fuße deS Montblanc in der Nähe von Ehammunix eine geheime Versammlung der Nihilisten der Schweiz und Frankreichs stattgefunden.

Wien, 7. August. Ein schreckliches Brand unglück wird aus Ungarn gemeldet. Die deutsche Stadt Moor bei Stuhlweißen- burg ist niedergebrannt. 300 Häuser wur­den eingeäschert, 10 Menschen sind tot und 1000 obdachlos.

Aus Hamburg wird gemeldet: Der Kapitän eines Pulverschiffes, welcher wegen eines Sittlichkeitsvergehcn« verhaftet werden sollte, versuchte das Schiff in die Luft zu sprengen, wurde jedoch überwältigt und gefesselt.

Ueber die brutale Behandlung eines

zur Ausweisung aus Rußland bestimmten deutschen Reichsangehörigcn durch russische Beamte wird dem GrandeuzerGeselligen" aus Tilsit vom 24. Juni geschrieben: Ein hier angekommener, ausgewiesener deutscher Gewerbegehilfe, welcher seit 11 Jahre» in Riga ansässig war und sich daselbst verhei­ratet hatte, verlor vor einiger Zeit seine Frau, die ihm zwei Kinder hinterließ. Der Tod der Frau war dem Manne so nahe ge­gangen, daß er an einer Gehirnentzündung erkrankte und 9 Monate im Krankenhause zubringen mußte. Ende April dieses JahreS wurde er als genese» entlassen und über­brachte den Entlassungsschein vorschriftsmä­ßig dem Pristaw (Revierlieutenant seines Reviers. Am vierten Tag nach seiner Ent­lassung aus dem Krankenhause trifft ihn der genannte Pristaw abends auf der Straße und tritt mit der Frage an ihn heran, ob er Beschäftigung habe? Da der deutsche die Frage wahrheitsgetreu mitNein!" beant­wortete, wird er ohne Weiteres zur Polizei­wache gebracht und sogleich in Haft behalten Den dringenden Bitten des Aermsten, swenigstcns von seinen Kindern und Schwiegereltern, die durch das plötzliche Verschwinden in eine beängstigende Ungewiß heit versetzt wurden, Abschied nehmen zu dür­fen, wurde nicht nur kein Gehör gegeben, sondern es wurde ihm nicht einmal erlaubt, einige Zeilen an sie zu schreiben. So ist er denn am 28. April d. I. von Riga fort­gebracht worden, von Ort zu Ort von Ge­fängnis zu Gefängnis, immer eines unrein­licher und angesunder als das andere, bis er »ach einigen Wochen abermals erkrankte und in einer kurländischen Stadt der Kranken­abteilung des Gefängnisses überwiesen wurde, woselbst er wiederum acht Wochen verbringen mußte. Tie abermaligen Bitten deS Be­dauernswerten, seine gut situierten, am Rhein wohnenden Angehörigen brieflich um Geld- unterstützung ersuchen zu dürfen, damit er beim Eintreffen auf deutschem Boden nicht ohne Reiseinittel dastehe, wurden mit dem Vermerk znrückgewiesen, daß er sich vorläu­fig in Rußland befinde und auf Staatsko­sten verpflegt werde. Anfangs dieser Woche hat der M-nn gänzlich mittellos und ge­brochen endlich bei Memel die deutsche Grenze überschritten und sowohl seinen Kindern und Schwiegereltern in Rußland, wie auch den Angehörigen in der Heimat Mitteilung über seine Erlebnisse zugehen lassen.

Ein Wunderdoktor. Ein würdig anssehnder Grciö kam am 16. Juli dieses Tahres zu Herr» Naftali Ingber in Tor­now, bat um Unterkunft und erzählte, daß er die geheime Kraft besitze, alle Krankhei­ten, besonders die Paralyse, zu heilen. Sein rasch erlangter Ruf führte ihm eine Frau Sarah Schindel zu, deren Mann, ein Bäcker, seit langer Zeit schwer krank ist. Der Wun­derarzt stellte die günstigste Diagnose und verlangte dann 408 fl. in Banknoten (die Zahl konstruierte er aus dem Alter deS Pa­tienten) eine Goldmünze (Dukaten), mit dem er den Blutegel dnrchschneiden müsse, nebst einem Paar diamantener Ohrgehänge und einigen Kleinigkeiten von minderem Werte. All dieZ that der Greis in ein Säckchen, ver­nähte und siegelte es, und gab es der Frau mit dem Bedeuten, sie möge es aufbewahren und nicht berühren, bis er in zwei Tagen wiederkehren werde, um den Kranken gesund zu machen. Erst vor wenigen Tagen wagte

die um das Leben ihres Gatten besorgte Frau da der Dotier noch immer nicht kam das Zaubersäckchen zu öffnen. Es enthielt zusammcngefaltetes Papier und drei Steinchcn von der Größe des Dukatens und der Ohrringe.

Als ein Beispiel der in Australien zur Zeit herrschenden Stellenlosigkeit sei er­wähnt, daß die Melbourner Eisenbahndirek­tion dieser Tage 624 untergeordnete Stellen zu besetzen hatte, während die auf die be­zügliche Annonce in den Tagesblättern cin- gelaufenen Anerbieten sich auf nicht weniger als 11,170 belaufen haben. Die Bevölker­ung Viktorias beträgt im ganzen etwas über 1 Million.

Vermischtes.

(Alle drei.) In einem thüringischen Badeorte bestellte unlängst ein Kurgast, welcher mit Familie einen Ausflug machen wollte, bei einem Eselvermicter zwei Esel. Als der jugendliche Führer mit den Tieren erschien, leistete sich der Kurgast ven Scherz, die Ankömmlinge mit den Worten zu be­grüßen:Da kommt Ihr ja alle drei!" Der Führer machte ein böses Gesicht, be­ruhigte sich jedoch und sagte kein Wort. Abends, als die Ausflügler zurückkehren, fragt der Kurgast den Burschen, was er zu zahlen hätte.Neun Mark." lautete die Antwort.Ist das nicht zu viel?" meinte der Leipziger,Ihr Herr sagte mir doch, daß jeder Esel nur drei Mark kostet?" Ganz recht," sagte der Führer,und drei mal drei macht neun, denn wenn ich ein Esel war, wie ich kam, will ich auch einer sein, wenn ich gehe!" Und der Kurgast zahlte.

(Poetische Grabschrift.) Auf einer an der Südseite der Uffkirche zu Cannstatt angebrachten Gedenktafel steht zu lesen: Anno 1638 den 7. Januar ist in Gott scliglich entschlafen Marie Großmann von Slraßburg, ihres Alters 40 Jahr. Sic hat gelebt in Ehr und Zucht, ist gestorben an der Wassersucht. Hat bei ihr in dem Himmel nun drei Kinderlein. In einer Summ ihr Hauswirt Georg Letstlin genannt Deutscher Schulmeister wohlbe­kannt Folgt nach Anno 1670 dem 17. Juni-Tag Jesus erwcckö ohne alle Klag.

.'. (Guten Appetit!) Im Norden Ber­lins werden jetzt rote Zettel verteilt, welche zum Besuch einer neu eingerichtetenErsten Berliner Roßfleisch-Speiseanstalt" einladcn. Dieselbe,von einer Aktiengesellschaft ge­gründet", empfichltj: Filets mit Kartoffeln 35 Sauerbraten 25 Sauerfleisch 25 Beefsteak 25Gulasch" 25 Speisezeit von morgens bis abends bei mu­sikalischer Unterhaltung. Mehr kann man doch wahrhaftig nicht verlangen.

.'. (Geschiistseröffnung.) Ein amerika­nisches Blatt meldet die Abreise eineswür­digen Mitbürgers", der nach dem Süden ging, um einen Gold- und Silberladen zu eröffnen. Das ganze Anlagekapital des Bra­ven bestand nach dem Blatte in einem Brech­eisen.

.'. (Darum.) A.:Warum reisen nur so viele Mütter mit ihren Töchtern ins Bad?"B.:Das stammt noch aus der Zeit von Abraham her; Rebekka fand die erste Gelegenheit zur Heirat an einem Brunnen I"