Rundschau.

Letzten Sonntag vormittag nahm ein 14 Jahre alter Schuhmacherlehrling in der Rothebühlstraße in Stuttgart einem 57 Jahre alten Mädchen, welches von seinen Eltern weggeschickt war, um Fleisch zu holen, 1 Mark in Konsumgeld aus der Hand und machte sich damit flüchtig. Ei» vorübergeh­ender Herr verfolgte ihn, holte ihn in der Senncfelderstraße ein und übergab ihn dem Stadtpolizciamt. Wer das Mädchen bezw. seine Eltern sind, war bis jetzt nicht zu er­mitteln. Der Dieb hat eingeräumt, noch in einigen weiteren Fällen Kindern auf der Straße Geld entwendet und solches fürSchlcck- waren rc. verbraucht zu haben.

Aus dem Schönbuch, 5. August. Auf den Jagdgebieten des Prinzen Wilhelm wird in diesen Tagen seit längerer Zeit zum erstenmal wieder eine Sommerjagd auf Hoch­wild gehalten, zu welcher mit dem Hofmar­schall Frhr. v. Plato der K. Hofjägcrmei- ster Frhr. v. Neurath und eine Anzahl Ka­valiere cingetroffen sind. Die gestern im Revier Weil stattgehabte Hofjagd ergab eine felten fchönc Strecke. Gleich im ersten Trieb kam der T- Ehr. zufolge eine Anzahl Hoch­wild zum Schuß, worunter ein prächtiger Sechzchnendcr, der ein selten schönes Ge­weih aufgesetzt hatte, gleich darauf ein noch stattlicherer Vierzehnender. Ersterer wog aufgebrochcn mit Geweih 264, letzterer 280 Pfund. Außerdem wurden einige Rehböcke geschossen. Von den Treibern wurde auch ein seit einigen Tagen verendeter Zwölfer- Hirsch gefunden, dessen Geweih an Schwere dem Sechzehnender nahekommt und dessen Fleischgewicht dem andern gleichgeschätzt wurde. Derselbe wurde wohl auf einer angrenzen­den Jagd angeschossen und leider nicht zu weiterer Verfolgung angemeldet, so daß er elend cinging.

Stetten a. k. Markt, 5. Aug. Gestern mittag stürzte das 7 Jahre alte Söhnchen des Kleidermachcrs Mogg beim Plattenbicten vom obersten Stockwerk in die Scheuerten«? herab und war bald darauf eine Leiche.

Ncuenstadt, OA. Neckarsulm, 2. Aug. Einige Knaben wollten gestern abend den Kocher an einer seichten Stelle durchwaten. Hiebei geriet einer derselben, ein Heilbronner Gymnasist, der hier seine Ferien zubrachte, vom rechten Pfade ab, um einen ins Wasser gefallene» Gegenstand zu erhaschen. Dabei riß ihn die Strömung in eine der tiefsten Stellen hinein und er fand dort augenblick­lich den Tod.

Rottenburg, 3. August. Der 6jährigc Sohn des LandesgefängniSaufsehehrs Diepold sprang heute einem Gefährte »ach und ver­wickelte sich dabei mit den Füßen derart in die Räder, daß ihm ein Fuß abgenommen werden muß, zu welchem Behufe er ins Klinikum nach Tübingen verbracht wurde.

Tuttlingen, 4. Aug. Wie schon ge­meldet, verunglückte gestern nachmittag Land- tagsabgeordncter Posthalter Ehningcr auf erschütternde Weise. Derselbe wollte ein erst kürzlich gekauftes Pferd probieren. An dem Stand einer Obsthändlcrin scheute das Tier, ging durch und warf gerade vor dem Gasthof zur Post, der Wohnung EhningerS, das Gefährt um. Ehninger wurde so un­glücklich aus dem Wagen geschleudert, daß er einen schweren Schädelbruch erlitt, und schon nach wenigen Augenblicken den Geist ausgab. Die schwer heimgesuchte Familie

wird um so mehr bedauert, als erst vor wenigen Monaten ein 15jähriger Sohn dcS Hauses eines jähen Todes starb. Ehninger war ein allgemein beliebter, wackerer Mann ; sein schnelles Ende ruft allenthalben aufrich­tige Teilnahme hervor.

Tuttlingen, 6. Aug. Daß bei einer Trauung eines der Brautleute auf die ver­hängnisvolle Frage mitNein" antwortet, dürfte wohl zu den Seltenheiten gehören. In den letzten Tagen kam aber dieser Fall hier doch vor. Ein hiesiges Frauenzimmer wollte einen Eisenbahnarbciter heiraten. Die Ziviltrauung war auf letzten Sonntag mor­gen festgesetzt. Vor dem Standksamtc cr- erschien aber nur die Braut, während der Bräutigam ausblieb. Als der Standesbe­amte ihn hatte holen lassen und die Frage an ihn gerichtet wurde, ob er die hier An­wesende als Ehegattin annehmen wolle, ant­wortete er mitNein I" Um den Grund dieser seltsamen ^Antwort befragt, erwiderte er: er habe sich anders besonnen, die Sache babe ihn gereut. Die verschmähte Braut mußte unverrichteter Dinge wieder abzichen.

Neuhansen, OA. Tuttlingen, 5. Aug. Ein Zjähriges Kind, das mit dem Vater und den Geschwistern aufs Feld gegangen und sich im nahen Waide beim Beercnsuchen verlaufen halt, konnte trotz eifrigen Ab- suchens des WaldteilcS mit Laternen nicht mehr aufgcfundcn werden. Um Mitternacht wurde endlich da» verirrte Kind, das und matt eingeschlafen war, von dem Haushunde aufgefundrn.

Waldsee, 6. August. Bei Herrlichem Wetter hielt gestern die erbgräfliche Herr­schaft von Waldburg-Wolfegg-Waldsee den Einzug in hiesige Stadt. Böllerschüsse, Tag­wache, Flaggen, Dekorierungen verkündigten die Freude des Tages. Um halb 3 Uhr be­wegte sich vom Rathause aus unter Musik ein stattlicher Zug zum Bahnhöfe, um die Herrschaften abzuholen und ins Schloß zu geleiten, da« abends in bengalischem Lichte erstrahlte. Die Herrschaften zeigten sich hoch­erfreut über den schönen Empfang.

Karlsruhe, 5. August. Die Jury sür Errichtung eines Kaiser Wilhelm-Denkmale» in Karlsruhe verlieh den ersten Preis dem hiesigen Bildhauer Hermann Volz, dessen Entwurf zur Ausführung empfohlen wurde.

Kissingen, 4. August. Um halb 8 Uhr abend» ist Fürst Bismarck mit dem Grafen Herbert hier cingetroffen, auf dem Bahnhofe von dem Regierungspräsidenten Grafen Lux­burg und den Spitzen der Behörden empfangen. Unter dem Jubel einer großen Menschen­menge fuhr der Fürst, der sehr gut aussicht, durch die beflaggten Straßen zu der oberen Saline. Professor Schwenuinger ist ange- kcmmen.

Ein entsetzliches Unglück hat sich vor einigen Tagen in der Irrenanstalt in Lau­enburg i. Pr. ereignet. Ein dort untergc- brachter Kranker, ein Kandidat der Theolo­gie, welcher bereits soweit geheilt geheilt war, daß er am nächstfolgenden Tage aus der Anstalt entlassen werden sollte, dessen Ver­wandten auch bereits, um ihn abzuholen, cingetroffen waren, wurde nach dem D. Tbl. in letzter Stunde von einem andern Kranken, einem Hauptmann mit dem er das Zimmer teilte und der an unheilbaren epileptischen Anfällen litt erschlagen.

Einen fürchterlichen Tod hat «in arme» sechsjährige» Kind an» dem Eifrl-

dorfe Enkrich erlitten. Das kleine Mädchen wollte mit seinem Bruder in den Wald gehen, um Heidelbeeren zu pflücken. Ihr Weg führte die beiden an einem Brachfclde vorüber, auf welchem eben das Unkraut ver­brannt wurde. Plötzlich fachte ein Wind­stoß die Flamme an, sie schlug herüber auf den Weg und setzte im Nu die Kleider des armen Kindes in Flammen. Die Kleine rannte davon bis in ein Kartoffelfeld, wo sie hinstürzlc und bei lebendigem Leibe ver­brannte. Als man sie auffand, war dos hübsche Kind zu einer unförmlichen Masse geworden.

In München ist anl Mittwoch früh der Schuhmacher Leonhard Regaucr von Taubern, Amtsgerichts Aichach, der in der Nacht vom 21. aus 22. April den Bauern Michael Schwaiger von Ottelsburg ermordet und seiner Barschaft (400 <^ü) beraubt hat, mit dem Fallbeil hingerichtel worden.

-- In einem Weingarten in Mecken­heim (Rhcinhessen) wurden vor einigen Tagen bereit» die ersten reisen Trauben geschnitten.

Kommerzienrat Karcher übergab an­läßlich seiner silbernen Hochzeit der Stadt Frankenthal 20,000 für ein Brausebad, und 1000 Ctr. Kohlen sür Arme, dem Krie­ger-, Militär- und Arbriterfortbildungsver- ein je 500 ^, für die Stcrbckasse, dem Gewerbeverein 300 ^ bar und wissenschaft­lich Werke, der SanitätSkolonne 100 und der Stadt Kaiserslautern 10,000 für die Verschönerung de- Platze» am Ge- werbe-Muscum.

Die Pulverfabrik in Hanau hat 800 ihrer Arbeiter entlassen. Die Entlassung von weiteren 100 Arbeitern steht bevor.

In dem Eiskeller einer Großbrauerei auf dem Kästrich in Mainz wurden durch das Zusammenrutschcn de» Eises zwei Brauer verschüttet. Der eine derselben wurde le­bensgefährlich verletzt, während der andere zwar schwer beschädigt wurde, aber doch mit dem Leben davonkommen wird. Die Ver­unglückten befinden sich im bürgerlichen '-' spital.

Die Kosten des vom Deutschen Kric- gerbunde geplanten Kaiser Wilhelm-Denk­mals auf dem Kyffhäuscr sind insgesamt auf 800,000 veranschlagt. Da bisher nur die Hälfte dieser Summe eingangen ist, hat der Denkmalausschuß beschlossen, am bevor­stehenden Sedantage eine Sammlung für den Denkmalfonds von allen deutschen Krieger­vereinen veranstalten zu lassen.

Zu dem Fcstschießen, welches die Hvmburger Schützengesellschaft zur Feier ihres 500jährigen Bestehens demnächst ver­anstalten wird, hat Kaiser Wilhelm II. einen silbernen Humpen gestiftet, welcher als er­ster Preis auf die FeldfestscheibeTaunus" gesetzt werden wird. Eine weitere Ehren­gabe wurde der Gesellschaft vom Großherzog von Hessen zugesagt.

Dem bisherigen Gouverneur von Hel- goland ist von der englischen Regierung sein volles Gehalt von 16,000 -/A so lange zu- gcsichcrt, bis er einen andern paffenden Po­sten erhalten wird.

Kassel, 5. Aug. Das gestrige Hagel­unwetter hat in den Kreisen Marburg, Kirch- haiu und Homberg in fast sämtlichen Dorf­gemarkungen Zweidrittel der Ernte zerstört. Der Schaden beläuft sich auf viele hundert­tausend Mark.

Eine geheimnisvolle Begebenheit er-