seiner Gelder auch seiner gesamten Kleidungsstücke beraubten. Splitternackt, wie Adam das Paradies, mußte der Aermste den Köllerthaler Wald verlassen. Endlich eröfsncten nun aber die Bewohner des Köller- thals unter polizeilicher Leitung ein großes Treibjagen auf die ungebetenen Gäste aus dem Süden, und es gelang, die Mehrzahl der Räuber fcstzunehmen. Nunmehr liegt die Bande in Banden und im Köllerthaler Wald herrscht wieder die alte Sicherheit.
— Ueber den schrecklichen Tod einer deutschen Erzieherin berichten russische Blätter folgendes: Am letzten Sonnabend benutzte die Dame den Passagierzug in der Richtung nach Puschkino um sich einer Familie vorzustellen; da es im Waggon sehr heiß war, trat sic auf die Plattform des Wagens, es war der dritte von der Lokomotive. Unterwegs, kurz vor der Station Tarassowka, geriet daS leichte Kleid des Fräuleins durch Funken aus dem Schornstein der Lokomotive in Brand und als der Zug hielt, war die Unglückliche förmlich in Flammen gehüllt. Sie erhielt Schreckliche Brandwunden am ganzen Körper und wurde mit dem nächsten Zuge nach Moskau ins Marienkrankcnhaus
gebracht, woselbst sie der Tod in der Nacht auf Sonntag von ihren Qualen erlöste.
— Eine grauenerregende Thateincs Irrsinnigen wird aus Acunto bei Frosinone (Italien) gemeldet. ' Der an periodischen Irrsinn leibende Bauer Giuseppe Marttuc- cia band seine 35 Jahre alte Frau mit Händen und Füßen an das Bett und in diesem Zustand mußte die Aermste einen vollen Tag verbleiben. Bei jedem Versuche, sich aus der fürchterlichen Lage zu befreien, drohte der Irrsinnige ihr mit dem Tode. Als der Bürgermeister des Ortes von der Thal in Kenntnis gesetzt wurde, telegraphierte er nach Frosinone, man möge ihm sofort einige Cat rabinerie zur Verfügung stellen. Inzwischen begab er sich selbst an Ort und Stelle. Als der Wahnsinnige den Bürgermeister hcran- kommen sah, hieb er mit einem Beil seiner Frau den Kopf ab und hielt ihn triumphierend zum Fenster hinaus, so daß das heiße Blut auf die vor dem Hause versammelte Menge herablicf. Einigen Leuten gelang es endlich, leider zu spät, den wahnsinnige» Mörder fcstzunehmen.
— Aus Shanghai wird Hochwasser gemeldet. Zahlreiche Dammbrüche setzten den
größten Teil der Provinz Schantnng fast lis Peking unter Master.
— Am Mittwoch nachmittag 2 Uhr bei großem Sturm kmterte auf Helgoland ein Boot bei einer Segelpartie im Nordhafen. Konsul Rohsten, Fräulein Jonasson ans Ham''urg und der Schiffer Christ ans Helgoland sind ertrunken; Rohlfens Kinder wurden gerettet.
Verschiedenes. (Angenehmer Bosten ) „ > . . Sv, so schleckt gehts Geschäft bei Dir — da kann i' helfe'. I' weeß der an ruhige, angenehm' Poste, drauß' in der Menagerie; hascht de' ganze Tag nix ze thue, als zwee mol dem große' Löwe de' Kopf in'n Rache' ze stecke.'"
.-. (Beim Festdiner.) Herr Vorstand, soll ich jetzt die Rede halten? Nein, noch nicht — Sie kommen erst bei dem Ninds- braten.
.'. Der Staat, der die Männer beschäftigt, hat geographische und politische Grenzen, der Staat aber, den die Weiber machen — ist grenzenlos.
Der Kamps um eine Million.
Criminalnovelle von W. Roderts.
Nachdruck verboten.
16.
Der für Elisabeth Lund bestimmte gefälschte Brief lautete:
„Teuerste Cousine I
Verzeihen Sie gütigst, daß ein Unwürdiger überhaupt noch wagt, an Sie zu schreiben. Ich wollte nur nicht für immer in dem Dunkel des Vcrschollenseins verschwinden und Ihnen noch ein letztes Lebewohl sagen. Eine Unthat, deren ich mich schuldig machte, hat mich für alle Zeilen entwürdigt, den Boden des Vaterlandes noch als Ehrenmann betreten zu können. Um der schimpflichen Strafe, die auch meine Verwandten und Freunde tief gekränkt haben würde, zu entgehen, floh ich unter einem falschen Namen in daS Ausland. Sie werden sicher niemals daran denken, irgend Jemanden meinen Aufenthalt und meinen angenommenen Namen zu verraten, deshalb kann ich Ihnen anvertrauen, daß mich unter der Adresse: „William Hutting, Soldat des 11. Infanterie-Regiments in Lahor, Indien," ein letzter Brief von Ihnen treffen würde, falls Sie mich noch eines solchen für wert halten sollten. Wir können, wir dürfen uns niemals wieder sehen, liebste Elisabeth, wie mächtig auch die Gefühle, die wir sür uns hegten, bereits gewesen sein mögen, denn wir würden dann nur noch viel unglücklicher sein. Um ein letztes Abschiedswort von Ihne», bitte ich wohl, denn es soll mein Leitstern sein auf der dornigen Lebensbahn, die mir nun bevorsteht. Im klebrigen bitte ich Sie aber einen Leichtsinnigen, der entsetzlich gefrcvelt hat) allmählich zu vergessen, denn es ist so das Beste. Sagen Sie das Letztere auch Ihrer Mutter sund Ihren Schwestern. Leben Sic wohl sür immer!
Pord-Said am 24. April 1876.
Richard I ohnso n."
Diesen gefälschten Brief gedachte Ralph erst an einem der nächsten Tage durch Vermittelung eines Dieners an Elisabeth Lund abgeben zu lassen und steckte ihn deshalb einstweilen in die innere B-usttasche seines Rockes. Dann machte er sich daran, alle Ucbcrbleibsel seines Fälscherwerks, sowie auch die noch vorhandenen echten Briefe Richard Johnsons zu vernichten. Er schrieb darauf auch noch einen Brief angeblich von Richard Johnson herrührend an seine Adresse, in der Absicht dieses Schreiben morgen dem Onkel gegenüber für seinen schändlichen Plan verwerten zu können.
Nun war Ralphs böses Tagewerk erledigt und '.befriedigt trat er in das Zimmer seiner Mutter. Dieselbe glaubte, Ralph brächte ihr die Briefe Richards, aber der durchtriebene Sohn überlistete auch seine Mutter und erklärte ihr rundweg, daß er die B. als für ihn sehr gefährlich verbrannt habe, daß sie aber zur rechten Zeit noch genug über Richards Verschwinden und die Art, wie er von England fern zu Hallen sei, erfahren werde.
Kein Bitten, kein Beschwören von Madame Lockwell änderte diesen Beschluß Ralphs, und als sie ihn wiederholt darauf aufmerksam machte, daß sie schon deshalb in Alles eingeweiht sein müsse, um im Falle einer Erkrankung Ralphs für ihn handeln zu können, da erklärte er seiner Mutter rundweg, daß er in diesem Falle verloren sei, denn unmöglich könne sie die Fäden seines Jn- triguenspielcs so weiter spinnen wie er.
„Ich werde wohl auch so leicht nicht schwer krank werden," sagte Ralph noch, „denn ich bin jung, gesund und kräftig, „aber sollte es dennoch geschehen, so habe ich hier eine gute Arzenei." Mit diesen Worten zog er aus einer kleinen verborgenen Westentasche ein winziges in L>der gehülltes Fläschchen empor bemerkte mit widerlichem Galgenhumor: „Die beste Arzenei ist für den schlimmsten Fall ein raschwirkendes Gift I"
„Bist Du von Sinnen?" schrie Madame Lockwell auf und suchte dem Sohne das Giftfläschen zu entreißen. „Glaubst Du,
daß ich den Tag überleben könnte, wo Du vergiftet, ermordert durch die eigene Hand zu meinen Füßen liegen würdest? O, gieb solch entsetzliche Gedanken auf, Ralph, und verzichte auf die weitere Ausführung Deines Planes, wenn seine Entdeckung Dir keine andere Wahl als Selbstmord läßt!"
„Dies ist ja nur für den äußersten Fall bedacht, liebe Mutter," tröstete sie Ralph. „Was Kaufleute, Philosophen, Staatsmänner und selbst gekrönte Häupter gethan haben, wenn sie alle Unternehmungen gescheitert und sich der Verzweiflung und Schande preisgegeben haben, davor sollte ich zurückschrecken ? Doch es ist ganz überflüssig, Mutter, sich über solche letztens enlschcidungsvollen Entschlüsse zu unterhalten. Jeder Bedrängte sucht eben einen Ausweg und wählt nach seiner Meinung einen solchen, den er für den besten hält, mögen andere darüber urteilen wie sie wollen."
„Solche Tröstungen können mich nicht beruhigen," erklärte Fran Lockwell erregt und man bemerkte deutlich an ihr, daß die Mutterliebe über alle Eitelkeit, Ränkesucht und Habgier ihres Herzens siegte. „Lieber Ralph, ich will Dich doch lieber arm und unbescholten und dem entsprechend auch glücklich sehen, als mit Schuld beladen nach einem großen, trügerischen Glücke strebend, welches Dich mir rauben, ja in einen furchtbaren Abgrund schleudern kann. Tritt also von Deinem Vorhaben zurück, lasse Richard Johnson wieder frei. Onkel Burns ist .schließlich auch edel genug und gewährt Dir außer dem Legat eine Unlcrstützungssnmme für Studienreisen und sonstige nützliche Pläne."
„Mutier, was mutest Du mir jetzt zu? Ich soll auf eine Million Pfund Sterling, auf ein fürstliches Vermögen, welches mich zum berühmten Mann, zum Lord machen kann, in dem Augenblicke verzichten^, wo ich es am leichtesten zu erlangen im Stande bin? Mit meinem Plane steht es ausgezeichnet und schon in wenigen Tagen kann ich Onkel Burnö' Universalerbe sein?"
(Fortsetzung folgt.)
Verantwortlicher Redakteur: Bernhard Hofmann.) Druck und Verlag von Bernhard Hofmann in Wildbad.