Schlosse, von Hamburg aus einen prachtvollen Blumenkorb übersandt.
Verschiedenes. (Bachstelzen im Eisenbahnwagen.) Auf dem Bahnhofe Jessen hat ein Bachstelzenpaar sein Nest in den Werkzeugkasten eines sogenannten Transportwagens gebaut. Nachdem das Weibchen vier Eier gelegt hatte, brütete cs dieselben aus, trotzdem der Wagen während dieser Zeit täglich sechs- bis achtmal hin- und hcrgefahren wurde. Die Alten begleiten nun regelmäßig ihre Jungen auf den Fahrten und füttern dieselben, sobald der Wagen stillsteht.
— Ein für die Königin Viktoria charakteristisches Geschichtchen macht, wie man schreibt, in London die Runde. Als Ihre Britische Majestät vor kurzem das Zucht- hauSkloster von Anglet besuchte, verehrten ihr die Nonnen allerlei kleine Souvenirs, feine Stickereien, Photographien von Äuglet und Umgebung und dergleichen mehr. Die Königin legte alles fein säuberlich in ein Päckchen zusammen und trug dasselbe mit sich durchs Kloster. Endlich kam der Abschied von den frommen Schwestern und
Ihre Majestät trat aus der Klosterpforte ins Freie. Da nahte sich ihr mit tiefer Verbeugung eine Nonne, in der Hand einen kleinen kunstvoll gestickten Beutel, wie man sie in Klöstern zur Entgegennahme der milden Gaben vornehmer Persönlichkeiten zu verwenden gflegt. Die Königin aber zum Erstaunen der frommen Schwestern, ergriff mit unnachahmlicher Grazie den Beutel und, indem sie ihn mit einer huldvollen Dankesgeberde zu den übrigen Geschenken legte, schritt sie würdevoll von dannen.
— (Lebendiges Heu.) Ein schlaues Bäuerlein ver kaufte — so erzählt der Schwarzwälder Bote — einer Berliner Firma einen Wagen Heu, wobei er das Gewicht nach den Bündeln berechnete. Die Firma wollte aber nicht auf diese Verkaufsart clngehen, sondern verlangte Feststellung des Gewichtes durch die städtische Bodenwage. Auch damit war unser Bäuerlein zufrieden, indes unter der Bedingung, daß im Falle ein höheres Gewicht als das von ihm angegebene sich herausstelle, dieses berechnet werde. Die kaufende Firma sandte dem Bauern ohne dessen Wissen einen ihrer Bediensteten nach. Dieser bemerkte, wie in der WatthiaSstraße
ein starkbeleibter Arbeitsmann auf den Wagen kletterte und im Heu verschwand. Auf der städtischen Wage wurde das Gewicht festgestellt, welches stark 75 Kilo mehr als das zuerst angegebene betrug. Der Vertreter der kaufenden Firma ersuchte nun das Bäuerlein ganz trocken, den im Heu verborgenen Mann abzurechnen. Dieser kroch, in Schweiß gebadet, aus seinem Versteck und rannle davon. Unter diesen Umständen verzichtete die Firma auf den Ankauf des Heues.
.-. Schmalkalden, 8. Juni. In einem Dorfe bei Schmalkalden wurde kürzlich vom Gemeindediener „mittels der Schelle" bekannt gegeben: „Wer unbefugter Weise Hunde mit aufs Feld nimmt, wird totgcschossen und hat obendrein noch 3 ^ Schußgeld zu bezahlen". — Das ist doch eine übertriebene Grausamkeit.
Ist es ein Wunder, daß die Liebe blind ist, wenn Einem die Liebste in's Auge sticht und man dann noch sein Auge auf sie wirft?
(Vorsichtig.) Sergeant: „Du bist wohl in die Köchin beim Kommerzienrat verliebt?" —Unteroffizier: „Noch nicht — vorläufig esse ich erst auf Probe!"
Aus Ruhrneshöheri.
Novelle von F. Stöckcrt.
Nachdruck verboten.
26.
Ja, daS war derselbe Blick, wie sic ihn vorahnend, damals in jener schrecklichen Nacht in Rom in ihrer aufgeregten fiebernden Phantasie, auf dem alten Bilde gesehen, das ihm geglichen. O, wäre er ihr doch lieber im Zorn begegnet, und hätte die Hand, die sie ihm so freudig entgegenstrcckt, zurückgewiesen, hätte ihr gesagt: Ich habe das bittere Leid, das Du mir angethan, nicht verwunden und vergessen! Es wäre eher zu ertragen gewesen, als diese Ruhe, diese Gleichgiltigkeit mit welcher er ihr gegenüber saß, und ihr lächelnd erzählte: Daß er ein Flüchtling, drüben inMißdroy sei chm plötzlich Elvira eines Tages begegnet. Eine Gnädige! ihr Gatte ein baumlanger ziemlich nichts sagend auSschaueuder Husarenos- stzier, sei von hohem Adel, ein Freiherr oder so etwas. In ihrem Gefolge habe sich Nanny und Lilly befunden, und noch einige Zierbengels mit roten Cravatten. Elvira hätte, die früheren intimen Beziehungen gänzlich ignorierend, in ihm nur den Schriftsteller begrüßt, Hobe die Geistreiche gespielt, und ihm im Vertrauen erzählt: daß sie auch einen großen Roman unter der Feder, den sie ihm, wenn er vollendet, zur Beurteilung wolle zuschicken.
„Sie können sich wohl vorstcllen, daß mir Liese Gesellschaft, die sich da an meine Fersen heftete, in keiner Weise zusagte, und so -flüchtete ich denn hierher, Meer und Wald sind sich ja schließlich überall gleich!" schloß er seinen launischen Bericht.
„Die Menschen aber auch," erwiderte Hannah, die ihre Selbstbeherrschung jetzt endlich wiedergefunden. „Der berühmte Schriftsteller wird hier eben so gefeiert und in Beschlag genommen werden."
„Nun ich finde hier wenigstens keine einstige Braut, die mich stetig an eine Vergangenheit erinnert, mit welcher ich längst abgeschlossen."
„Und in welcher auch ich mit einbegriffen," sagte sich Hannah, und ihr war zu Mute, als fiele die Well, alles, alles um sie her in ein graues Nichts zusammen. Die Meereswogen erschienen ihr wie öde Trümmer, und die weiße Möve, die da empvr- sticg, das war wohl ihre einsame verirrte Seele. — — Jetzt wußte sie erst, wie sie den Mann da vor ihr, mit dem schönen stolzen Antlitz geliebt, wie ihr Denken und Hoffen mit ihm verwoben, und nun mit keiner Miene, keinem Blick verraten, wie unsäglich weh ihr ums Herz! Ach die Kunst des Lebens ist doch bisweilen furchtbar schwer I
Einige junge Damen traten jetzt zu den beiden heran und baten Hannah noch um ein Lied, auch Hoff schloß sich dieser Bitte an, er blieb aber draußen an der Saalthür stehen, als Hannah sich an Flügel setzte.— Sie sang das schöne traurige Lied von Schumann aus der Dichterliebe:
Und wüßtens die Blumen die kleinen Wie tief verwundet mein Herz,
Sic würden mit niir weinen Zu heilen meinen Schmerz.
Der Klang ihrer Stimme, die da so voll und weich zu ihm heraustönte, das Meeresrauschen, das Mondlicht, was so geisterhaft auf den Wellen zitterte, alles das verwob sich ihm zu Nomangebilden. Sein Herz war nicht in Schwankungen geraten, als er die einst so heißgeliebte Frau wiedergesehen, das Interesse, was sie bei ihm erregt, war nur das des Schriftstellers, und in diesem Interesse suchte er wieder und wieder ihre Gesellschaft, wanderte mit ihr am Meeresstrande und beteiligte sich an den verschiedenen Ausflügen, die da unternommen wurden. Der Verkehr in diesem, aus den verschiedensten Elementen zusammen gewürfelten Kreis, bot in jeder Hinsicht Stoff und Anregung für ihn; seine Phantasie war unermüdlich lhälig, und als der Entwurf und Aufbau eines neuen Werkes in seinem Kopfe fertig, da drängte eö- ihn auf einmal zur Abreise, er sehnte sich nach der Einsamkeit seiner thüringer Berge, nach seinem stillen
Studierzimmer dort, nach der Ruhe des geistigen Schaffens. —
Von dieser Sehnsucht sprach er heute zu Hannah. Mit warmer Begeisterung schilderte er ihr seine einsame Besitzung in Thüringen, wie er nun dort, angeregt und erfrischt, ein neues Werk beginnen wolle.
Zum Tode erschrocken hatte Hannah seinen Worten gelauscht. Er wollte fort, die schönen, schönen Tage hier am MeereS- strande sollten plötzlich enden, und sie sollten beide auscinandcrgehen, kühl und gleich- gillig, wie zwei Menschen, die sich nie näher getreten, nie geliebt! So kalt und jgelassen, wie er sie begrüßt, sollte er von ihr scheiden ?
Verzweiflungsvoll starrte sie auf die graue endlose Meeresfläche vor ihnen, über welcher trübe Wolkenschichten lagerten, aus denen schwere Regentropfen leise und stetig herunter rieselten, um sich in den grauen Meercs- wogcn lautlos zu verlieren.
„Wie Thränen, die da im Weltmeer ungesehen versinken," sagte Hannah mit tonloser Stimme, mühsam mit ihren Thränen kämpfend. — Hoff sah sic betroffen an. Was sollte diese Aeußerung, die da mit seiner Rede in keinerlei Beziehung stand. Er begegnete ihrem trostlosen Blick, und sah nun mit jähem Erschrecken ihr blasses, verstörtes Gesicht, auf welchem nur zu deutlich geschrieben stand, was ihm doch auf ewig
verschwiegen bleiben sollte.-Und sic
war so schön, so rührend in ihrer Trauer, und auS seiner Seele Tiefen klang es herauf, wie lockende Stimmen: Steige herab von Deinen Ruhmeshöhen in die Arme dieser schönen traurigen Frau, ihre Liebe ist beglückender als aller Ruhm I Ein kurzer Moment des Schwankens, des Kampfes, aus welchem die Dichterseelc siegreich hervorging. Nein, der Platz, zu dem er nicht emporgestiegcn über die Trümmer seiner Liebe hinweg, er wollte ihn nun auch behaupten bis an das Ende seiner Tage.
„Es kann nicht sein, Hannah! sagte er, seinen Gedanken Worte verleihend.
(Schluß folgt.)
Verantwrrtlicher Redakteur: Bernhard Hosmann.) Druck und Verlag von Bernhard Hosmann in Wilddad.