Rundschau.

Stuttgart- Erschienen ist der Bericht der volkswirtschaftlichen Kommission der Kammer der Abg., bctr. die Petitionen der Wirte wegen Abänderung bczw. Aushebung des Gesetzes vom 9. Juli 1827 über das Umgeld ans Wein und Obstmost, sowie die Gegeneingaben landw. Bezirksvereine, Wein- gärtncrvereine nnd Gemeinden um Abweis­ung jener Petitionen. In auSsührlichcr Weise werden in dem Vortrag des Bericht­erstatters Dr. v. Schall zunächst alle in dieser Angelegenheit gemachten Eingaben be­sprochen ; ihren Klagen und Wünsche samt Begründung dargclezt.

Hcilüroun, 12. Juni. Die Kranken­kasse Arbeiterbund beabsichtigt, hier ans den Kreisen der Arbeiter, Kleinhandwerker und kleinen Beamten eine Baugenossenschaft zu bilden, welche billige und gesunde kleinere Wohnhäuser für die weniger bemittelten Volksklasscn errichten und zum Selbstkosten­preise an ihre Mitglieder abgebcn will. Die­ser Weg ist an verschiedenen Orten, so na­mentlich in Berlin, mit Erfolg beschritten worden.

Ans Franken, 12. Juni. Wie aus Windsheim gemeldet wird, wurde der ledige 38 Jahre alte Joh. Rückert von da auf dem Heimweg vom Felde, wo er gearbeitet hatte, vom Blitze erschlagen.

Brenz, 11. Juni. In unserem StaatS- wald Grube wurde das noch von Kleidern umhüllte Skelett eines Mannes vorgefundcu; daneben lagen Filzhut und Stock. An einem Aste der Tanne, unter welcher der Fund ge­macht wurde, war ein Halstuch angeknotet. Man vermutet, eS habe hier der vor b /4 Jahren aus Heldensingen verschwundene frühere Ochsenwirt V- seinem Leben ein Ende gemacht.

Balingen, 9. Juni. Ein Knabe von 11 Jahren, Sohn des verstorbenen Gast­wirts Wizemann hier, legte die Reise von hier nach Stuttgart (68 Kilometer) ganz allein hin und zurück per Velociped zurück. Diese Leistung dürfte wohl schwerlich vorgc- kommen sein.

Tettnang, 9. Juni. In Haslach hie­sigen Bezirks, brachte der Sohn der Schmiede- mcisters Witwe Bischofs 19 Pfund Pulver in die Schmiede, um dasselbe zu wägen. Zwölf Pfund befanden sich in einem Säck­chen, welches er sofort auf die Wage legte, während er 7 jPfund in der Hand hielt, als daö auf der Wage befindliche Pulver explodierte und das andere mitentzündete. Die Wirkung war eine entsetzliche. Bischof wie auch der in der Schmiede anwesende Ge­selle wurden zu Boden geworfen und er­litten schreckliche Brandwunden. An der Schmiede wurden Wände hinauSgedrückl. (Welch unbegreifliche Unvorsichtigkeit.)

Tettnang, 11. Juni. Ein etwas schwach­sinniger Knabe von 7 Jahren, Sohn des Aitton Maudacher, Bauern in Steinenbach, spielte in der Schlafstube seiner Großmut­ter mit Zündhölzchen und machte ein Feuerte, welches um sich griff und das ganze Anwe­sen vollständig einäscherte; doch konnte das Vieh und Fahrnisgegenstände gerettet wer­den. Der Abgebrannte ist schlecht versichert.

Ulm, 12. Juni. Wie die U. S. hört, hat S. M. der König anläßlich seiner letz­ten Anwesenheit jsein Bild seinem hiesigen Feld-Art.-Reg. (1. Würtl.) überreichen lassen. Aus diesem Anlaß versammelte der Regi­

mentskommandeur, Oberst v. Nippold, abends 6 Uhr das Regiment im Hose der Deutschhauskaserne und machte demselben von dem ehrenvollen Geschenk Mitteilung. Darauf defilierte das Regiment an dem Bild vorbei.

Aus Ulm wird geschrieben: Mit freudig stolzem Gefühl blicken wir nun auf zu den beiden, vom Gerüste befreiten Kreuz­blume» und der Spitze des Münsterturms; vom Hellen Sonnenstrahl beleuchtet, erscheint der blendend weiße Sandstein wie Marmor, dem Auge in seltener. Feinheit nnd edlem Verhältnis die gewaltige Fornr der Kreuz­blume wiedergebcnd. Kein Turm kann sich rühmen, schöner zu sein, und wie werden erst, wenn das Gerüst ganz entfernt ist, die wunderschönen Formen zu Tage treten und jedes Auge entzücken! Mit stolzem Gefühl betrachtet jeder Ulmer sein Kleinnod; er ist schön, herrlich schön geworden dieser stolze Turm: nun wollen wir auch ein schönes Fest begehen. Zahlreich noch kommen die Anmeldungen zum Fcstzug, der in jeder Be­ziehung großartig wird. Gleich zahlreich wird der Besuch von auswärts werden. ES kommen am Sonntag dem ersten Festtage, auf den im Bahnhofe Ulm einmündenden Bahnen 34 Sonderzüge zur Ausführung. Die Generaldirektion der württ. Staatsei­senbahnen wird für das Fest hinlänglich Wagenmaterial zur Verfügung stellen; die benachbarten Eisenbahnverwaltungen habe,, sich zur Abgabe von Wagen gerne crbötig gezeigt und eS wird in jeder Hinsicht allem ausgedoten werden, den Verkehr zu be­wältigen.

Ummendorf, OA. Bibcrach, 11. Juni. Pfarrer Dr. Hofele von hier, Ritter dcS hl. Grabes, ein bekannter und vielgereister Pil- gerführer, wird am 24. ds. einen Exlrazug über Aulendorf, Leutkirch, Memmingen, Buchloe nach Oberammergau veranstalten, wobei er den Teilnehmern alle Sehenswür­digkeiten, besonders in München die Haupt­kirchen und Kunstschätze zeigen und erklären wird.

Waldsee, 11. Juni. Eine heute ans hiesiger Bleichwiese von dem Vertreter der Fabrik Joseph Bauer mit Feuerlöschmasse vorgenommene Probe fiel sehr zur Zufrie­denheit der aiiwesenden Zuschauer aus. Stadtschnllheiß Engel, die Vorstände der Feuerwehr, einige Beamte und Werkmeister, sowie viele Neugierige wohnten derselben bei. I» Altthann bekam ein Bienenzüchter innerhalb 10 Tagen von einem Bienenstöcke 4 Schwärme. Ebendaselbst steht ein Birn­baum, welcher momentan reiche Blüte und halbgroße Birnen zugleich trägt.

Waldenbuch, 12. Juni. Im Laufe dieser Woche ereigneten sich in unserer Stadt mehrere Unglücksfälle. Am Montag verun­glückte die Dienstmagd des Bauern K. Maisch an der Futlerschneidmaschine. Sie wurde von dem in Bewegung befindlichen Rad er­faßt und derart am Bein verwundet, daß ihr Zustand ein Besorgniserregender ist. In Glashütte (Filial zu Waldenbuch) ver­letzte sich die Frau des Joh. Raisch mit einer Sense an der rechten Hand. Der ganz unbedeutenden Wunde schenkte sic wenig Beachtung, bis ihr der Arm derart an­schwoll, daß sie nach Tübingen verbracht werden mußte, wo die Aerzte Blutvergift­ung konstatierten.

Ein Fräulein in Frankfurt klagte

auf der Civilkammer gegen einen Forstpraktt'- kanten auf Ehelichung oder Entschädigung von 6000 -/A Der Beklagte schützte als Grund seines Rücktritts vor, daß das Mäd­chen Herzleidend sei, was bestritten wurde; dabei wurde das Zeugnis eines Badearztes in Nauheim vorgelegt, in welchem es heißt: »Ich bescheinige, daß das Fräulein gesund ist und von meiner Seite nichts in dem Wege steht, zumal das Eingehen einer Ehe auf das Herz des Menschen keinen schädlichen Einfluß auSübt." Das Zeugnis erregte allgemeine Heiterkeit. -- ES wurde auf wei­teren Beweis erkannt.

In Stcinbach bei Geroldsgrün (Bayern, Reg.-Bez. Oberfeanken) sind am 11. d. M. 49 Gebäude abgebrannt. Da nur wenige der Bewohner versichert sind, so ist das Elend groß.

Der Vätermöder Kretschmar wird, wie aus Gießen geschrieben wird, am näch­sten Montag durch den Scharfrichter Brandt aus Gotha hiugerichtet werden.

In dem Dorf Schw'egcrhausen (Kreis Osterode im Harz) hat die zweite Frau des Maurers Blume ihre drei Stiefkinder und die Großmutter derselben erdrosselt und dar­auf sich selbst erhängt. Man nimmt an, daß die gräßliche That in momentaner Gei­stesstörung verübt worden sei.

(Attentat ans einen Pferdedahn- schafsner.) Am Freitag Abend kurz nach 11 Uhr bestiegen auf der Berliner Tram­way-Linie Spittelmarkt-Waldstraße in Mya- bit vier Männer den Hinterperron' eines Pferdebahnwagens. Der Kondukteur zog den Fahrkartenblock hervor, um den neuen Passagieren Billets zu geben, wurde aber mit den widrigsten Schimpfwortcn verhöhnt. Vergebens forderte er die Leute nunmehr zum Verlassen des Wagens auf. Der Wagen war im Innern dicht besetzt, die Fahrgäste hörten auch den Wortwechsel, aber Niemand wagte es, den bösen Gesellen entgegen zu treten. Plötzlich zog einer der Burschen ein Messer hervor und mit scharfem Schnitt durchtrennte er den Riemen der Geldtasche. Ehe diese aber zur Erde glitt, hatte der Schaffner sie erfaßt und vertheidigle st: mit dem Mute der Verzweiflung. Zugleich rief er laut um Hilfe, worauf einige Passanten herbeieiltcn. Nach einem letzten Versuch, des Geldes sich zu bemächtigen, sprangen darauf die Strolche von dem Wagen und verschwanden im Dunkel der Nacht. Die Nachforschungen seitens der Kriminalpolizei sind im vollsten Gange.

In derPost" schlägt ein bekannter Parlamentarier zur Deckung der vom Schatz- sckretär bekanntlich auf 60 Millionen berech­neten jährlichen Mehrausgaben eine Ver­doppelung der Börsensteuer und des Lotteric- stempels vor und einen Zuschlag zur Zucker­steuer von 1 bis 2 auf den Zentner.

Die Daily Mws meldet aus Peters­burg, daß neuerdings Pläne, den Zaren zu ermorden, entdeckt worden seien. Die Poli­zei fahndet nach den Urhebern eines Dieb­stahles von 210 Pud Dynamit und 400 Dynamitpatronen. Der Zar wird ängst­licher als je bewacht.

Der Redakteur desPetit Journal" aus Paris, der vor einiger Zeit dem Für­sten Bismarck in seinem TuSkulum Fried­richsruh interviewte, Hai der Frau Fürstin BiSniarck als Dank für die liebenswürdige und gastfreie Ausnahme im Friedrichöruhetz