Aus Ruhmeshöhen.

Novelle von F. Stöckert.

Nachdruck verboten.

21 .

Das gute Kind hat sogar au mich ge. schrieben, Dir zuzurcden, ihres Papas An­trag anzunehmenerzählte Frau Delio Hannah eines Tages noch ganz gerührt. So leicht Ihut das keine erwachsene Tochter, wenn ihr Vater ihr eine Stiefmutter Zu­fuhren will," setzte sie dann nach einer Weile hinzu, da Hannah kein Wort erwidert hatte. Ist denn ihr Bräutigam ein netter Mann und^wird sie recht glücklich werden?"

Jetzt mußte Hannah doch wohl oder übel antworten. Eine dunkle Röte stieg in ihr Gesicht.

Gewiß wird sic glücklich werden, stam­melte sie, und wieder, wie schon so oft, trat Hofss Bild vor ihre Seele, wie er an jenem Frühlingsmorgen vor ihr gestanden, verstört, verzweifelt, und dann, was hatte er ihr doch mit fast versagender Stimme zngeflüstert: Auf Nimmerwiedersehen" undo hättest Du an mich geglaubt!" An ihn hatte sie glauben sollen, an ihn den Verlobten El­viras, dessen Liebe zu ihr, ihr diese täglich mit solcher überzeugenden Beredsamkeit zu schildern wußte. Und doch, sein Benehmen an jenem Morgen! Das konnte keine Maske sein, das war Wahrheit, erschütternd und Vernichtend war die Erkenntnis über sie ge­kommen, und jetzt wußte sie auch, wer allein getrogen und gelogen Elvira! Elvira hatte sie zu der Verlobung überredet, viel­leicht auch sogar ihren Vater den Commer- zienrat selbst, Elvira hatte an ihre Mutter geschrieben, um auch von dieser Seite her auf sie einwirken zu lassen. Nichts hatte sie unversucht gelassen, mit allen Waffen der Jntrigue gekämpft, um den geliebten Mann zu-besitzen, und das Recht war ja schließlich auch auf ihrer Seite. Was galt Elvira, und was galt in dieser materiellen Welt auch eine tiefe wahre Liebe I Geld, Geld und wie­der Geld heißt allein die Losung, und das Vernichlcnste für Hannah war, daß auch Hoff nichts anderes von ihr glauben konnte, alS daß sie sich von den materiellsten Ge­sinnungen hatte leiten lassen. Er wird mich verachten, und Elvira wird triumphieren, in dieser Erkenntnis gipfelten schließlich all' ihre traurigen Gedanken.

Und die Tage gingen hin, ein wunder­samer Frühling voll Sonnenglanz u. Blü- lenduft war ins Land gezogen. Der Mai aber brachte graue Regentage, und an einem solchen trüben, wolkenverhangenen Tag, da stand Hannah im schleppenden weißen AtlaS- kleide, den bräutlichen Kranz ans den dunk­len Locken, in der alten düstern Kirche ihrer Vaterstadt neben dem Commerzienrat vor dem Altäre. Der Geistliche hielt eine kurze bün­dige Traurcde. Was sollte er diesem un­gleichen Paare auch sagen, das Loch lediglich eine Verstandesche schloß, der alternde Mann UM Pflege und Gesellschaft für sein Alter, und die zunge schöne Braut, um eine gute Versorgung zu haben. Allerdings lag auch etwas von dem Glorienschein der Aufopfer­ung auf dieser weißen Stirn, auf welche der Geistliche jetzt segnend die Hände legte. Die ganze Stadt, und auch er wußte es, daß durch diese reiche Heirat das Haus Delio vor gänzlichem Ruin gerettet wurde. Was

Veraittwsrtlicher Redakteur: Bern

das junge Herz aber bei diesem Opfer ge­litten, wieviel heiße Thränen Hannah die vergangene Nacht geweint, das ahnte wohl Niemand von all denen, deren Blicke auf der lieblichen jungen Braut geruht.

In der Sacristei wurde das Ehepaar jetzt von den Verwandten und den wenige» Hochzeitsgästen beglückwünscht. Elvira warf sich stürmisch in die Arme ihres Vaters, gegen Hannah aber benahm sie sich sehr- kühl, und ein böser haßerfüllter Blick war es, mit welchem sie dieselbe musterte.Hans läßt Dir durch mich seine Glückwünsche auSsprcchen," sagte sie.

Hannah sah sie mit ernsten Augen durchdringend an, und ein Verlegenes Rot stieg in das blasse Antlitz der kleinen Intri­gantin. Bei Tafel aber führte sie wieder das große Wort und erzählte, daß ihr Bräu­tigam einen andern Wohnsitz gewählt, ihr aber fast täglich die zärtlichsten Briefe schreibe. Davon weiß ich ja noch gar nichts, äußerte der Commerzienrat verwundert.

O ja, ich habe es Dir wohl gesagt, Du hast es nur vergessen in Deiner seligen Bräutigamsstimmung," rief Elvira scherzend.

Das ist schon möglich," meinte ihr Vater lächelnd und drückte zärtlich die Hand seiner jungen Gattin, die wie erleichtert anf- geatmet hatte bci diesem Gffpräch. So war ihr wenigstens ein Wiedersehen mit Hoff vorläufig ersparet und sie konnte mit etwas weniger bedrücktem Herzen die Hochzeitsreise antreten.

Eine neue schöne Welt erschloß sich ihren jungen Augen auf dieser Reise, Sie war noch nicht durch vieles Reisen verwöhnt und blasiert und schaute noch mit dem schönen Enthusiasmus der Jugend.

Den Commerzienrat amüsierte ihre Be­geisterung, aber teilen konnte er sie nicht, und wenn er so in ihre strahlenden Augen sah, ihre» entzückenden Worten lauschte, dann kam er sich doch bisweilen recht alt und väterlich neben ihr vor, und Hannah? Ack, wie oft, wie oft packte sie der sehnende Gedanke: Wie schön es sein müsse, mit einem Andern all diese paradiesischen Gegenden zu durchstreifen, in den Knnstgalerien, wo ihr Mann stets nur über Hitze und Er­müdung klagte, Worte der Begeisterung des Verständnisses mit ihm, dem Andern auszu- tanschen, der jetzt wohl nur noch in Zorn und Verachtung an sie dachte.

Sie waren in Rom, dem Ziel ihrer Reise. Hannah schwelgte in Kunstgenüssen; sie hatte einen beneidenswerten Blick für alles Schöne und war unermüdlich alles Sehenswerte aufzusuchen. Pflichtschuldigst folgte ihr ihr Gemahl überhall hin, in Kir­chen und Galerien, fuhr mit ihr hinaus aus nach der Campagna, dort besuchten sie die Katakomben und bestiegen den heiligen Berg. Dann ging es wieder zurück; der Commcr- zienrat war schließlich ermüdet, er klagte über Kopfweh und sprach davon, bald die Heimreise anzutreien.

Hannah sah erschrocken auf, ihr graute vor der Heimkehr, vor dem Leben in der kleinen Stadt, vor Elvira.

Nur noch nach der Galerie Corstni laß uns fahren," bat sie dann,die Madonna von Murillo dort soll so schön sein."

Seufzend gab der Commerzienrat ihren Bitten nach. Sie fuhren nach der Galerie,

Harb Hofmann.) Druck und Verlag von B k

und Hannah stand mit bewundernden Blicken vor der schönen dunkeläugigen Madonna.

Der Glorienschein der Heiligen umgiebt diese Frauengestalt nicht," meinte Hannah nachdenklich,sie ist von dieser Welt und ihre Züge atmen seliges Liebesglück." Ueber Hannahs Wangen rollten dabei schwere Thränentropfcn.

Der Commerzienrat sah sic betroffen an.

Was fehlt Dir? Du hast Thränen in den schönen Augen, nachdem ich Dir alle Deine Wünsche erfüllt, und Dich trotz meiner Erschöpfung auch noch bis hierher begleitet habe?" fragte er betroffen.

Verzeih das Bild," stammelte die junge Frau.

Wenn Du Dich satt daran gesehen, dann bitte laß unS gehen, ich fühle mich wirklich sehr angegriffen, und denke wir tre­ten nun morgen die Rückreise an!"

Morgen ? Und die übrigen Kunstschätze Noms? Auf diese wollen wir verzichten?"

Geh meinetwegen allein hin, und suche die übrigen noch auf, wenn Du sie absolut sehen mußt, ich kann keine Bilder u. Statuen mehr scheu, ich bin wirklich Italiens müde, ich habe förmlich Heimweh, auch nach den Kindern, Elvira schreibt ohnedies so selten."

Am nächsten Morgen lag der' Commer­zienrat in ziemlich heftigem Fieber, und Hannah, die noch nie insihrem Leben Kranke gepflegt, legte mit zitternden ungeschickten Fingern Comprefseii auf seine heiße Stirn. Der Arzt, den sie hatte rufen lassen, nahm die Krankheit ziemlich leicht.Ein Fieber­anfall, wie er in dieser Jahreszeit ziemlich häufig in Rom vorkäme, ältere Leute wür­den in der Regel weniger heftig davon ge­packt," meinte er,die Dame möchte doch die Krankenpflege einer barmherzigen Schwe­ster überlassen und sich schonen."

Dagegen protestierte aber der Kranke sehr energisch.Ich mag keine fremde Per­son um mich haben," rief er ungeduldig. Laß Elvira kommen, Hannah, wenn die Krankenpflege zu angreifend für Dich wird. Elvira hat Erfahrung darin gesammelt bei dem langen Kranksein meiner seligen Frau. Bitte, schreibe sofort, ich habe ordentlich Sehnsucht nach dem Mädchen! Besser ist cs auf jeden Fall, wenn sie kommt, man kann nicht wissen, wie die Krankheit verläuft."

O darum sorgen Sie sich nicht," be­ruhigte der Doktor,die Krankheit wird, allen Symptomen nach, einen guten Ver­lauf nehmen I"

Bester Dok.or, ich bin ein alter Mann und habe mir jedenfalls etwas zuviel zuge­mutet mit dieser Reise, all die Galerien, die Kirchen, die vielen Madonnen, die Mar- morgötrer, mir schwindelt der Kopf davon, cs war mit einem Worte zuviel I" (Fortsetzung folgt.)

Verschiedenes.

.-. (Pariert.) Fräulein von Säßlich: Sie können es nicht leugnen, liebster Graf, daß ich auch Sie einst vor meinen Triumph­wagen gespannt habe." Graf:Ganz recht, mein gnädiges Fräulein, daher besteht jeden­falls zwischen uns beiden dieses gespannte Verhältnis."

» -ft »

Wenn Liebende über ihre Gefühle längst einig sind, dann flüstern sie sich die­selben als Geheimnis zu.

rnhard Hofmann in Wildhad,