Rundschau.
— Ei» 12jähnger Knabe in der unteren Neckarstraße in Stuttgart, welcher für seine Großmutter Brot in der Ulanenkaserne zu holen hatte, fand in der vorigen Woche daselbst eine scharfe Patrone, welche vor etwa 2 Jahren verloren wurde. Zu Hause nahm der Knabe Hammer und Nagel und bearbeitete die Patrone so lange, bis sie explodierte und ihn an den Händen und im Gesicht ve>mundete. An der einen Hand werden 4 Finger abgenommen werden müssen.
— Aus Eßlingen berichtet die „Eßl. Ztg."t Die Polizeibehörde hat wegen der in letzter Z it sich wiederholenden Exzesse in den Gebeisversammlnngen der Heilsarmee und vor dem Versammlungslokal angeordnet, daß oicse Abendversammlungen von 5 Uhr ab zu untirbleibe» habe». Trotzdem Schutzleute regelmäßig vor das Lokal kommandiert waren, kamen oft starke Ausschreitungen der angesammelten Menge vor. Die Versammlungen der Heilsarmee a» Vor- nnd Nachmittagen bleiben gestattet. Eine letzter Tage vor dem Lokal der Heilsarmee stattgefundenen Prügelei ist zur Anzeige der Staatsanwaltschaft gebracht.
Nürtingen, 29. Mai. Das ein Jahr alte Kind des Gemeindepflegers in Grafen» bcrg siel in einem unbewachten Augenblick in einen mit Laugenwasser angefüllten Zuber. Obwohl dasselbe schon nach ganz kurzer Zeit wieder herausgezogen wurde, blieben doch die eingestellten Wiederbelebungsversuche erfolglos.
Nagold, 28. Mai. In Haiterbach wurde dieser Tage der Veteran Joh. Helber beerdigt. Derselbe machte die Feldzüge 1866 und 1870 letzteren als Unteroffizier, mit- Er war durch einen Sturz im Hanse seines Schwagers verunglückt und mußte trotz aller Pflege den Verletzungen erliegen. Der Verstorbene hinterläßt eine Witwe mit 6 Kindern.
Leinstetten, OA. Sulz, 27. Mai. Am Pfingstmorgen während des Gottesdienstes stürzten zwei kolossale Buntsandsteinfclsen aus beträchtlicher Höhe herab in den Mühlkanal, wodurch derselbe vollständig abgcsperrt wurde. Das Gewicht dieser Felsenmasse wird auf 4000 Ztr. geschätzt. Dem Müller ersteht ein ziemlich bedeutender Schaden.
Vom unteren Neckar, 29. Mai. Schiffbaubesitzer Andersen von Ncckarsulm kam gestern mittag mit einem kleinen Dampfer ans der Probefahrt im Hafen des Salzwerks an. Nach frischer Füllung der Maschine (Daim- lerschcr Motor) mit Petroleum begab sich das niedliche Fahrzeug, rasch den Hafen durchlaufend, wieder nach Neckrasulm zurück. Es wäre zu wünschen, daß wenigstens für die Sommermonate einige solche kleine D. zu Vergnügungsfahrten eingerichtet würden; an zahlreicher Benützung würde es um so weniger fehlen, da gerade das untere Neckarthal der Sehenswürdigkeiten und Naturschön- heitcn wegen häufig besucht wird.
-- Die Preise für die erste Vorstellung des Münsterfestspiels in Ulm sind auf 10 Mark für den Sitzplatz und 3 für den Stehplatz normiert worden. Die späteren Vorstellungen werden billiger sein.
Karlsruhe, 30. Mai. Im Murgthal bei Gernsbach ist die Bad. Holzstoff- und Pappenfabrik niedergebrannt. Der Schaden beträgt ungefähr 400 000 ^
— 500 Psingsttouristen auf dem Pcr- svnendampfer Herzog von Nassau der Köln- Düsseldorfer Dampfschifffahrts-Gesellschaft schwebten am Pfingstmontag vormittag, wie aus Nüdesheim berichtet wird, in großer Gefahr. Infolge der Ueberfüllnng des Schiffes legte sich dasselbe bei Eltville auf die rechte Seite, als gleichzeitig der Schnelldampfer Kaiser Wilhelm so dicht an dem Herzog von Nassau vorbeifnhr, daß den Passagieren auf Deck ein Zusammenstoß unvermeidlich schien. Durch alle Kajüttenfen- stenster auf der rechten Seite ergoß sich Wasser in die Kajüten und den Salon, die überfüllt waren. Unter entsetzlichen Hilferufen der Frauen und Kinder stürzte alles nach oben, wo der Schrecken infolge der Annäherung des Schnelldampfers nicht minder groß war. Verschiedene Frauen wurden ohnmächtig. Durch eine energische Schwenkung des Schnelldampfers wurde weiteres jUnheil verhütet. Von dem Vorfall wurde der Staatsanwaltschaft in Köln Anzeige gemacht.
— Der brittische Schoner Laburnnm ist in einem Orkane am 6. Mai in der Bai von Fundy auf der Fahrt von Halifax nach Porto Rico untergegangen. Die gesamte Besatzung von 11 Seeleuten ertrank.
Freilmrg i. B, 27. Mai. Vor einem großen Schaufenster standen zwei Damen und sahen sich die ausgelegten Sachen an. Dem Inhaber dieses Geschäfts mochte das wohl zu lange dauern; höchst aufgebracht erschien er vor seiner Kaufhalle und machte den Damen in barschem Tone bemerkbar, daß sie nun wohl lange genug vor dem Fenster gestanden hätten. Diese entfernten sich stillschweigend. Eine Viertelstunde später erschien in dem Laden des groben Geschäftsmannes ein Diener in Livree mit dem Aufträge : Ihre königliche Hoheit die Frau Erbgroßherzogin lasse fragen, was dieselbe für das Stehen vor dem Schaufenster zu bezahlen habe. Das verblüffte Gesicht des so abgefertigten Geschäftsmannes kann sich Jeder selbst auömalcn, aber das dürfte sicher sein, daß Meister Grobian auf das Prädikat „Hoflieferant" wohl vergeblich warten wird.
— Eine höchst peinliche Szene spielte sich am 28. d. M. im fashionablen West- End von London ab. Ein Gentleman, der in Begleitung feines Grooms Kensington- Road entlang fuhr, sah eine Dame mit einem Herrn, augenscheinlich einem Ausländer, des Weges einhcrkommen. Mit einem Ruf der Ueberraschung sprang er von seinem Wagen, die Peitsche in der Hand, und unter den Worten: „Du Schuft! habe ich Dich endlich gefunden!" bearbeitete er den Fremden mit der Peitsche. Die Dame schrie auf und der Angegriffene suchte sich loszuwinden, was ihm, nachdem er eine gehörige Tracht Hiebe empfangen, auch endlich gelang. Der Angreifer bestieg hierauf wieder seinen Wagen und fuhr davon, ohne mit der Dame, welche zitternd daneben stand, noch ein Wort zu wechseln. Man sagt, daß der schlagkräftige Gentleman und die Dame Mann und Frau seien und vor einigen Monaten in Monte Carlo die Bekanntschaft des anderen Herrn machten, welcher dann in Paris mit der Dame durchging. Die Wiedcrbegegnungs- szene der beiden Gatten in Kcnsington-Road wird vermutlich vor Gericht ihr Nachspiel finden.
— Eine Moskauer Meldung berichtet:
Der Chef des Hauptpolizeiamtes nebst seinen Geheimpolizisten ist kassiert worden, als Ergebnis der Untersuchung betreffs der Knutenzüchtigung des grundlos verhafteten Baron Korolaw.
— Aus New-Aork wird den M. N. N. gemeldet: In Lukas (?) sOhio) schlug der Blitz in ein Dynamitlager, das in die Luft flog und brennende Trümmer über die ganze Stadt zerstreute. Man zählt 2 Tote und 25 Verwundete.
— Aus San Francisco wird gemeldet, daß das Schiff Oncida auf der Reise nach Alaska gesunken ist, wobei 77 Chinesen ertranken.
Verschiedenes.
— (An die richtige Adresse.) Ein Redakteur der Liberte — erzählt nachstehende Episode vom Pfingstsonntage: Es war wenige Minuten vor der Abfahrt des Eisenbahn- zugeS nach Chantilly, Ein Polizei-Inspektor, der auf dem Perron auf und ab geht, kommt an einem Waggon erster Klasse vorüber, der beinnahe voll besetzt ist, und nachdem er einen Blick in den Wagen geworfen, sagt er: „Geben Sie acht, es sitzen zwei Falschspieler (bonnstsurs) hier!" — „Ach gut," ruft sofort ein äußerst elegant gekleideter Herr, der sich anschickt, auszusteigen, „ich wünsche ganz und gar nicht, in einer derartigen Gesellschaft zu reisen." — „Ich habe," bemerkt ein anderer, der in der entgegengesetzten Ecke sitzt, „viel Geld bei mir und will nicht riskieren, es zu verlieren." Damit steigt auch er aus. — „So," bemerkt in aller Ruhe der Inspektor, „jetzt können Sie unbesorgt sein; sie find cheibe ausgestiegen."
.-. (Origineller Betrug.) Der Chambregarnist Rudolf Echinger übergab kürzlich seiner Qnartierfrau Amalie Wolf in Wieden ein verschlossenes Cnvert zur Verwahrung, mit dem Bemerken, er enthalte eine Hundertgulden-Note. Bald darauf bat er Frau Wolf, eine goldene Remontoiruhr, die er um 148 Fl. gekauft habe, falls sie in seiner Abwesenheit geliefert würde, zu bezahlen, ,cr werde ihr das Geld nach seiner Rückkehr wiedererstatten. Am nächsten Tage kam die Uhr nebst der Rechnung des Lieferanten und Frau Wolf legte 148 Fl.'aus. Bald darauf kam auch Echinger, nahm, während die Quartiers- fran in der Küche weilte, die Uhr, raffte seine Effekte zusammen und entfernte sich aus der Wohnung. Als Frau Wolf fein Verschwinden bemerkte, wollte sie sich an dem Cuvert mit 100 Fl. schadlos halten, sanch aber, als sie das Cuvert aufriß, ein leeres Blat Papier.
Kascrnenhofblüte.
Einjähriger, Sie wollen Spezialist für Angenkrankheiten fein? Sie sind ja farbenblind. Sckion acht Schösse und immer ins Blaue statt ins Schwarze!
Durch die Blume.
Unteroffizier: Kerl, Sie sind ein--
na, wenn es Erbsensuppe siebt mit Ihre Ohren drin, dann würde kcen Mensch stoben, daß das nich Erbsensuppe mit Schweinsohren is.
Ein Taschendieb schlich kürzlich in-das Hotelzimmer eines Reisenden, der gerade nach Hause gekommen war. „O, ich bitte um Entschuldigung!" äußerte der Eindringling und zog sich zurück, — „ich glaubte, Sie seien ausgegangen!"