Rundschau.

Eßlingen, 10. Mai. Heute nachmittag sict hinter der RosersLen Fabrik hier daS 3jährige Söhncheu des Monieurs Friedrich Wagner, das an dem User spielte, in die Mitten des hochqehenden Neckars und ertrank. Die Leiche deS Kindes ist am Rechen der Brühlfabrik anfgefnnden worden.

Nürtingen, 10. Mai. In Beuren, hiesigen Oberamts, machte der Polizeidiener auf der Gemarkung Linsenhofen durch Er­hängen seinem Leben ein Ende. Der 72jäh. Greis hat sein Amt als Polizeidiener in Beuren 50 Jahre lang bekleidet, bis ihn vermutlich die Schwermut in den Tod ge­trieben hat.

Nagold, 11. Mai. Gestern abend hat StationSkommandant Kehrer den Urheber des Brandes in der Osternacht (durch welchen 4 Gebäude in Asche gelegt wurden) cingeliefert. Es ist dies der Elternlose, 15 Jahre alte Schreinerlehrling Kapp in der Schreinerei der Witwe Wurster, die selbst wegen Ver­dachts der Brandstiftung einen Tag un­schuldig in Hast genommen war. Der Lehr­ling hat die That vollständig cingestanden, und dem Stationskommandanten ist die aus- gesetzte Prämie von 400 für die Er­mittlung des Brandstifters zugewiesen worden.

Frendenstadt, 10. Mai. Einige Kinder machten sich heute vormittag an einem mit Heu beladenen, an der ziemlich abschüssigen Straße gegen Christophsthal u. Baiersbronn abseits stehende» Wagen zu schassen und entfernten die Sperrvorrichtungen, worauf der Wagen sich in raschen Laus setzte und ein 4jähriges Mädchen zu .Boden warf, welches zwar am Kopse und einem Fuße stark, jedoch nicht lebensgefährlich verletzt wurde. Zum Glück wurde der Wagen durch das zi mlich hohe Trottoir unter den Ar­kaden aufgehallcn Prinz Wilhelm und Prinz Karl von Baden befinden sich gegen­wärtig auf der Auerhahnenbalz in Besen­feld.

Gönilingen, OA. Tübingen, 7. Mai. Beim Ausstellern der 18 Meter hohen Eck­pfosten für den Aussichtsturm auf dem Roß­berg , welche paarweise durch Querbalken verbunden waren, neigte sich die eben auf- gerichtete Seite, riß auch die andere Seite nieder, und der ganze Bau stürzte krachend zusammen. Zwei Zimmerlentc, welche ans dem Gerüste standen, konnten sich durch ihre Geistesgegenwart und Gewandtheit retten; auch von den Umherstehenden wurde glück­licher Weise niemand getrosten.

Ellwangcn, 9. Mai. lieber den schon gemeldeten unerwartet jähen Tod des Prä­sidenten v. Probst ist folgendes Nähere zu berichten : Der Verstorbene war gestern nach­mittag noch im Amt thätig, saß abends mit seiner Familie anscheinend wohl zu Tische. Etwa um 10 Uhr fühlte er sich unwohl. Der gerufene Ar^t gab Verordnungen und ließ sofort einen Geistlichen holen. Wäh­rend nun der Arzt und der Geistliche bemüht waren, den Pa tenten zu Bette zu bringe», verschied derselbe. Der Hingang des so hoch verehrten Beamten wird hier allgemein be­dauert.

Ellwangeil, 9. Mai. Der Unmensch der neulich ein 14jähriges Mädchen von Lcinroden überfallen hat, ist gestern von Landjäger Werner von hier jbcim Lindenhof in dcr Nähe jvon Wilflingen, OA. Aalen dingfest gemacht worden. Es ist der wegen

Entziehung von der Militärpflicht steckbrief­lich verfolgte Goldarbeiter Karl Bauer von Gmünd. Der Verbrecher zog bei seiner Festnahme ein langes, im Griffe freistehen­des Messer nach dem Landjäger. Ein voll­ständiges Einbiuchswerkzeug ist bei ihm vor- gefunden worden.

Nusplinge», OA. Spaichingcn, 10. Mai. Ein jugendlicher Bräutigam hängt dermalen in dem bekannten Kästchen der hiesigen Ge­meinde, ohne das geziert zu haben kein deut­scher Reichsbürger in den Hafen der Ehe einlanfen darf. Es ist dies laut N. A -B. der im Jahre 1807 geborene Anton Klaiber, Nagclschmied. Wie alt di- holde Braut deS liebeglühcnden Verlobte» ist, vermag das ge­nannte Blatt nicht genau anzugeben.

Demmillgen, OA. NcreSheim, 10. Mai Der im 80. Lebensjahr stehende Straßen- wärter Sch. hat vor 6 Jahren die goldene Hochzeit gefeiert; seine Ehehälfte ist inzwi­schen, wie der Jpf berichtet, gestorben. Nun ist der 80jährige Greis im Begriff, sich zum zweiten-, bezw. drittenmal zu verehelichen, und es haben bereits gestern die Sponsalie» stattgefnndcn.

Rottweil, 9. Mai. Der frühere Reichs- tagsabgeordnete für den IX. Wahlkreis (18871890), Oekonomierat Burkardt, ist heute nachmittag nach längerem Leiden ge­storben; er erreichte ein Alter von 69 Iah, ren.

Saulgau, 8. Mai. In Schwemme, Gemeinde Renhardsweiler, waren auf einem Gebäude des Gutsbesitzers A, Blaser fünf Leute beschäftigt, das Dach mit Zementplat­ten neu zu decken. Die Arbeit war beinahe beendigt, als der ganze Dachstuhl unter furcht­barem Krachen zusammenstürzte. Glücklicher­weise sind dabei sämtliche Arbeiter mit leich­teren Verletzungen davongekommcn.

Weingarten, 11. Mai. Mit Böller­schüssen, Glockengeläut? und Musik wurde heute früh die Festwoche deS 800jährigcn Jubiläums der Stiftung des hl. Blutes er­öffnet. In den mit Tannengrün geschmück­ten und festlich dekorierten Straßen wogt jetzt schon eine zahlreiche Menge, die im Laufe der Woche zu vielen Tausenden an« wachsen dürfte. Museen, Panoramen, Mena­gerien, Karrussels und zahlreiche andere Bu­den laden nach beendigtem Gottesdienst das schaulustige Publikum zum Besuche ein. Dazu zeigt der Himmel immer noch ein freundliches Gesicht.

Ulm, 10. Mai. Se. M. der König hält am 11. Juni eine große Parade in der Friedrichsau hier ab. Zum Münsterfest kommt I. M. die Königin am Sonntag den 29. Juni hierher, Se. M. dcr König am Montag den 30. Juni. Beide Maje­stäten werden das Festspiel sehen und nach­mittags dem Volksfeste in der Friedrichs«» beiwohnen; abends reisen dieselben zusam­men nach Fricdrichshafen.

In Berlin trafen am Samstag abend 4 Brüder Namens Stachwitz in der Wohnung zweier von ihnen, im Hause Turm­straße 79 (Moabit) zusammen, um wegen einer auf Sonntag gemeinsam geplanten Angelpartic das Nähere zu besprechen. Da­bei entspann sich ein Wortwechsel, in dessen Verlauf der eine von ihnen auf seinen Bru­der lossprang und, ehe jemand dazwischen­treten konnte, ihm mit gezücktem Messer einen tiefen Schnitt in den Hals, einen Stich über das linke Auge und einen in den Hin»

terkopf versetzte. Der Schwerverletzte ist auf dem Weg zum Hospital gestorben ; der Mör­der ist verhaftet.

Die deutsche Thronrede wird von der Pariser Presse vorläufig erst im Wort­laut wicdergegebcn, aber nur wenig kommen­tiert. Im Journal Paris schreibt Charles Laurant:Kaiser Wilhelm hat bei der Er­öffnung des Reichstags eine für den allge­meinen Frieden ziemlich beruhigende Rede gehalten, in der aber der stets fester gefaßte Plan hervortritt, die kaiserliche Politik auf das Studium und die Lösung der sozialen Fragen zu lenken. Die Physiognomie des jungen Souveräns wird mit jedem Tage eine klarere. Der Enkel Wilhelms deS Er­oberers scheint vor allem die Welt der Ar­beiter erobern zu wollen. Bei seiner Thron­besteigung hielten viele Leute den Krieg für bevorstehend; dann lächelte man über seine fieberhafte Thätigkeit, seine vielfachen Para­den, seine unzähligen Jagden, seine alleSum- sassenden Erlässe. . . . Wir müssen nun mit unseren Spötteleien aufhören. Wilhelm II. hat den Willen, Gutes zu thun. Er arbeitet. Er versteht so manche Dinge, mit denen sich Souveräne nicht befassen. Das kann ihn allerdings uns nicht sympathisch machen; denn es liegt zu viel Blut zwischen ihm und Frankreich; es ist dies aber ein Grund dafür, daß wir die Notwendigkeit einsehen, ihn mit Aufmerksamkeit zu behandeln. Indem unser Vaterland sich an die Spitze der Reformen stellt und fvrtsährt, das wvhl- thätige Wesen zu sein, welches die alten' Formen zu zerbrechen und die neuen Fort­schritte zu eröffnen wagt, wird es auf die würdigste Weise die neue Methode seiner Feinde beantworten."

Ein schrecklicher Doppelmord ist in dem Dorfe Altleisnig bei sLeisnig verübt worden. Der dortige Schuhmacher oder Handarbeiter Friedrich Benedikt sollte sich vor einigen Tagen vor dem Landgericht Leip­zig wegen Urkundenfälschung und Betrug verantworten. Er blieb aber zur Verhand­lung aus, weshalb seine Verhaftung beschlos­sen wurde. Die mit der Verhaftung Be« austragten fanden das Haus Benedikts ge­schlossen und mußten sich gewaltsam Ein­tritt verschaffen. Im Hause fanden sie die Frau und das Kind Benedikts ermordet und schon stark in Verwesung übergegangen vor. Man nimmt an, daß Benedikt, der seit etwa acht Tagen flüchtig ist, selbst den Doppel­mord verübt hat.

Ein 42jähriger Mann Namens Kauf­mann in Winikon bei Luzern ermordete und beraubte seinen Vater. Er tötete ihn durch 14 Beilhiebe, verbarg den in einen Sack eingenähten Leichnam in dem Schweinetrog des Nachbarhauses, das er nachts anzündete. Der Thätcr gestand bereits sein Verbrechen ein.

Ein tragikomischer Vorfall ereignete sich in diesen Tagen in Leipzig auf dem Magdeburger Güterbahnhofe. Daselbst war ein mehrere Jahre alter amerikanischer grauer Bär, welcher in einem Käfige an einer Kette befestigt war, eingetroffen und auf dem Eil­gutboden ausgeladen worden, um später.'wei­ter nach Chemnitz befördert zu werden. Plötz­lich bemerkten die auf jdem Güterboden An« wesenden, daß der Bär eine Wand des Kä­figs herausgedrückt hatte, und den Käfig an der Kette nach sich schleppend, auf dem Gü­terboden hcrumlief. Dabei nun spürte er