Rundschau.

Stuttgart, 24. April. Dir Kammer ge­nehmigte heute Art. 1 des EisenbahngesetzcS, wodurch für die Bahn von Honau »ach Münsing' n 2 530 000 ^ verwilligl wer­den. Ebenso für die Bahn von Walden­burg nach Künzclsau mit 1 030 000 ^

Der als Junggeselle verstorbene Pro­fessor Dr. Sechster hat seinen ganzen Nach­laß der Stadt Stuttgart zu Armcnzwecken vermacht. Man schätzt den Gesamtwert des­selben aus gegen Million Mark. Ueber die Einzelheiten des Testaments verlautet vorläufig noch nichts näheres; cs ist nur so viel richtig, daß die einzige Schwester des Verstorbene», welche ebenfalls sehr be­gütert ist, mit einem Legal bedacht wurde, während der gauze bedeutende Rest der Stadt znfällt. Die wertvollen Sammlungen des Verstorbenen, welche bekanntlich vor einigen Jahren von Kunsthändler Gutckunst in meh­reren Serie» versteigert wurden, haben da­mals allein die Summe von ca. 220 000 ergeben. Prof. Seyffer hat indessen nach­her aufs neue gesammelt, so daß er bei seinem Tod sich wiederum im Besitz einer großen Zahl wertvoller Kunst- und Altcr- tumsschätze befand. Dieser Tage ist der Stadt Stuttgart noch eine andere größere Stiftung zugefallen. Der verstorbene Priva­tier Kaiser hat nämlich demLokalwohlthätig- keitsverein seinen Gesamtnachlaß von ca. 400 000 -/A. vermacht.

Der langjährige Oberkellner im Hotel Marquardt in Stuttgart, Herr Wolfs, wurde von Baron Hirsch in Paris, der anläßlich eines längeren Aufenthaltes daselbst seine guten Eigenschaften schätzen lernte, nach P. mitgenommen und mit einem Jahresgchalt von 30 000 Francs und freier Wohnung als Hausmeister unter der Bedingung ange­stellt, daß er keinerlei Trinkgelder von den Lieferanten rc. annchme.

Weinsberg, 24. April. In dem benach­barten Pfarrdorfe Waldbach geriet gestern nachmittag der verheiratete Küfer Seufser im Gasthaus zur Rose mit einem noch jüng. Manne in Streit. Von seinem Wieder­sacher wurde ihm dabei ein Messerstich bei­gebracht, an dessen Folgen der Verletzte leider heute gestorben ist. Der Thätcr, welcher in 14 Tagen Hochzeit machen wollte, ist ver­haftet.

Künzclsau, 24. April. Die uns durch telegraphische Vermittlung zugegangene Nach­richt von der Genehmigung der Eisenbahn WaldenburgKünzelSau hat in hiestgerStadt freudige Erregung hervorgerufen. Durch Böllerschüsse vom Wartbcrg herab und Be- flaggung vieler Häuser wurde dieser Stimm­ung lebhafter Ausdruck gegeben.

Rottenburg, 24. April. Heute nach­mittag hat sich hier folgender Unglücksfall ereignet: Das 5 Jahre alte Söhnchen des Metzgermeisters Wuchter hier spielte mit an­deren Kindern in dem benachbarten Hofe, woselbst eine Leiter aufgerichlct stand. Das Kind bestieg dieselbe und siel so unglücklich herunter, daß cs nach zwei Stunden den Geist aufgab.

Oberndorf a. N., 24. April. Auf der Landstraße zwischen hier und Altoberndorf wurde heute abend einem 5jährigen Knaben -von einem beladenen Kieswagcn der Schädel zerdrückt. Das Kind hatte sich, wie eS scheint, auf der dem Fuhrmann entgegenge­setzten Seite des Wagens an einem Spann­

seil zu schassen gemacht und war dabei von einem Rad erfaßt worden. Den Fuhrmann trifft nach Aussage eines Augenzeugen keine Schuld.

Straßburg, 24. April. Der Kaiser ist um halb 10 Uhr hier cingetrossen. Die Stadt hat reich geflaggt. In Hagenau ist der Kaiser, bei der Rückkehr von der Jagd die festlich geschmückten Straßen passierend, von den Spalier bildenden Vereinen, dem Bürgermeister, dem Gemeindcrat und einer zahlreichen Menschenmenge enthusiastisch be­grüßt worden.

Straßbnrg, 24. April. Bei der Auer- hahnenjagd im Hagenauer Forst kam der Kaiser wegen des schlechten Wetters nickt zum Schuß. Großes Militärmanöver ist für heute nachmittag angefagt. Die Garni­sonen von Pfalzburg, Zaber», Saarburg und Saar-Union erhielten gestern abend Be­fehl , per Eisenbahn nach der Umgegend Straßburgs sich zu begeben.

Straßbnrg, 24. April. Der Kaiser ist um halb 3 Uhr nach Fort Bismarck und dem Kronenburger UebungSplatz gefahren- Die Gesamte Garnison ist zum Vorbeimarsch ausgerückt.

Straßbnrg, 24. April. Der Kaiser nahm die Parade der Straßburger und Kehler Garnisonen bei ^Kronenburg ab. Der Großherzog von Baden führte die Truppen vor. Abends war Tafel bei dem Statthal­ter, später Ständchen des Gesangvereins. Tausende von Fremden und Einheimischen bewegen sich in den Straßen und begrüßen den Kaiser enthusiastisch.

Berlin, 24. April. Wie aus Königs­berg gemeldet wird, hat der Provinzialaus­schuß beschlossen, den Kaiser und d>e Kaiserin 'während ihrer nunmehr gesicherten Anwesen­heit am 13., 14. und 15. Mai zu einem Diener einzuladen. Die Stadt­verordneten bewilligten 30,000 zu einer würdigen Aussckmückung der Stadt.

Kaiser Wilhelm in Rußland. Wie schon durch eiu Petersburger Privattclegramm gemeldet wurde, hofft man dort, Kaiser Wil­helm werde nicht nur zu den im August stattfindenden Manövern nach Petersburg kommen, sondern vorher Warschau, Kiew und Moskau besuchen. Hinzugesügt wird, den Kaiser würden Prinz Albrecht von Preu­ßen, Prinz Georg von Sachsen, der Groß­herzog von Baden, die Generale v. Caprivi, Graf Blumenthal, Graf Waldersee, Kriegs- Minister v. Verdy rc. begleiten. Der ganze Aufenthalt in Rußland soll drei Wochen dauern.

Oberhansen, 22. April. Die Kunde von einer Blutthat durcheilte unsere Stadt. Ein an der Grenzstraße auf Alstadener Ge­biet wohnender Arbeiter B. freite um ein in demselben Hause bei ihrem Bruder sich aufhaltendes Mädchen, wurde jedoch sowohl von dieser als auch von dem Bruder, Sch., zurückgewiesen. Hierüber empört, suchte er wiederholt Händel mit dem Sch. Gestern Abend wurde der alte Zwist bei Gelegenheit einer Kindtaufe wieder fortgesetzt, hierbei er­griff B. ein Messer und stieß dasselbe dem Sch. derartig in die Brust, daß dieser kurze Zeit darauf seinen Geist aushauchte.

Hamburg, 24. April. Infolge polizei- lichen Verbots dürfen am 1. Mai während ^ der Arbeitszeit keinerlei Arbeiterversammlunge» und überhaupt während des ganzen Tags keinerlei öffentliche Versammlungen stattfinden.

Aachen, 24. April. Der Verein Aackcner Tnchfabrikanten beschloß unter Festsetzung einer Konventionalstrafe, jeden am 1. Mai ohne genügenden Grund von der Arbeit fort- bleibenden Arbeiter zwei Monate lang nicht zu beschäftigen.

Soltan, 22. April. Dieser Tage fand man in dem groß-n Moor bei Freyersen in einer Torfkuhle den Schäfer Friedrich Schrö­der tot vor. Er war am Morgen mit der Schafherde ausgezogen und wurde, da er des Mittags nicht zurückgekehrt war, von seinem Vrodherrn, Halbhöfner Schröder in Freyersen gesucht. Er wurde im Schlamm, der ihm bis an die Brust reichte, aufrecht stehend tot vorgefunden. Ebenda fanden sich 2 Schafe, die in die Kuhle hinein sich ver­laufen hatten. Bei dem Versuche, diese zu retten, dürfte der beklagenswerte Unfall sich ereignet haben.

Wien, 23. April. Die hiesigen Schuh- machergchilfen, ungefähr 10,000 kündigen für den 1. Mai den Streik au. Ihre For­derungen sind geradezu unerhört. Zur Ver­stärkung der Wiener Garnison rückt daS Husarenregiment aus Steinmangcr ein.

Ei» eigentümlicher VcrgistUngsfall wird aus Paris gemeldet. Der im dortigen Bankhans Dreyfus angestellte einzige Sohn Louis des in Wien domilizierenden Privaten Herrn Königsberger lud, da er nach Bukarest übersiedeln sollte, vor einigen Tagen seine Freunde zu einem Abschiedsdieuer in ein bekanntes Pariser Restaurant, wo er unter Anderem auch wacker den Austern zusprach. Am andern Morgen erkrankte der junge Mann unter bedenklichen Umständen und der sofort requirierte Arzt konstatierte eine Ver­giftung durch Austern. Trotz aller jangc- wendeten Gegenmittel starb der Bedauerns­werte am vierten Tage; sein herbeigeeiltcr Vater fand ihn nicht mehr leb nd. Unter den Austernfreunden dürfte d > Nachricht Interesse erwecken, trotzdem in Paris die Fälle von Austernvergiftungen nicht so rar sind. Die Austern lieben es bekanntlich, sich an Tauen und verrosteten Eisenbestand- teilen der verankerten Schiffe festzusetzen und empfangen auf diese Weise den Giftstoff.

(Indische Wittwen und die Barbier- Kaste.) So traurig der Willwenstand an sich ist, in Indien wird er zu einem Un­glück. Noch immer rastert man der armen Hindu-Wittib den Kopf völlig glatt, und manche dunkle Venus, die dadurch ihres Haubtschmuckcs beraubt und auf Lebenszeit entstellt wird, möchte die frühere Zeit zurück­wünschen, als infolge mißverstandener Veda- Verse die Frau auf des toden Gatten Schei­terhaufen mitverbrannt ward. Die Unthal schreit auch derartig zum Himmel, daß die Barbiere selbst stutzig geworden sind. Ihrer 400 versammelten sich kürzlich in Bombay und verpflichteten sich unter Strafe der Kaste- nacht, künftig alle Wittwen ungeschoren zu lassen. Schon lange laste ein Fluch auf ihrem Gewerbe; aus ehedem zufriedenen und glücklichen Menschen seien sie arm und ver­achtet geworden, weil sie die Sünde begangen, unschuldige Wittwen ihres besten Schmuckes zu berauben.

.'. (Unerbittlich.)Ihr Alter, gnädiges Fräulein?"20 Jahre vorbei, Herr Präsident!"Ihr Alter genau?" Zwischen 20 und 30."Aber bitte, sagen Sie uns güligst, wann Sie dreißig erreichen!"Morgen, Herr Präsident!"