Auf Ruhmeshöhen.
Novelle von F. Stöckert.
Nachdruck verboten.
5.
„Dazu gehört aber doch wohl immer etwas bescheidene Denkungsart, die auch nicht Jeder besitzt," sagte Hoff und dachte dabei an seine Braut, die sich, wie es schien, durch den größten Künstler der Welt nicht würde davon abbringen lassen, daß sie nicht ebenso Künstlerin sei und vor allen Dingen eine große Künstlerin werden müsse. Dabei erinnerte Hoff sich aber auch, daß er nun lange genug mit dem hübschen Mädchen neben sich geplaudert halte. Die verlockenden Polkaklange waren ohnedies verstummt, und es konnte seiner Braut mißfallen, ihns so lange an der Seite von Fräulein Delio zu sehen.
So erhob er sich denn, verbeugte sich, und ging hinüber nach der andern Seite des Salons, wo Elvira in eifriger Unterhaltung mit einem jungen Assessor stand. Hofs kam gerade »och hinzu, um einige hochtönende, ihm schon ziemlich bekannte Phrase» über den Dichterkomponisten Richhard Wagner und seine Götterdämmerung aus dem Munde seiner Braut zu vernehmen. Wie so ganz anders klang das gegen die Worte über Musik, die er soeben aus dem Munde Han- nah Delio'S vernehmen und wie kontrastirte das nervös erregte Gesicht Elviras gegen die ruhigen, klaren, edlen Züge Hannah's.
„Auch Einer von solchen Herren, wie sie früher um mich geworben haben, als mein Vater sein Vermögen noch nicht verloren halte," murmelte Hannah jetzt ziemlich geringschätzig, als sie Joff neben seiner reichen Braut und dem jungen Assissor stehen sah, und ihre Gedanken schweiften zurück, in eine Zeit, wo sie gefeiert, umschwärmt und umworben war wie selten ein Mädchen. Keiner aber von all den Verehrern, die ihr damals gehuldigt, hatte je einen Funken tieferes Interesse bei ihr erweckt. Aber was sollte nun, wo sie ohne Vermögen und ohne ernsthafte Freier war, ans Hannah werden, wenn es sie nun doch einmal packen sollte, jenes allmächtige Gefühl, das da die Mmschen- herzen verwandelt und sie himmelhoch jauchzen oder zum Tode betrübt werden läßt?
„Es bleibt also bei unserer Verabredung Fräulein," tönte da plötzlich die Stimme ihres Tischnachbars, des Commcrzienraths Berg, an Hannahs Ohr und riß sie aus ihren trüben Gedanken. Der Commerzien- rat wollte sich verabschieden und reichte ihr herzlich die Hand.
„Gewiß Herr Commerzicnrat," erwiderte Hannah, mit einem stolzen Neigen des schönen Köpfchens.
Auch das Brautpaar trat jetzt zu ihr heran. Elvira hatte eine etwas herablassende, gnädige Miene angenommen.
„Auf Wiedersehen, Hannah," sagte sie, ihr die Hand reichend.
Hofs machte seine Verbeugung, seine und Hannahs Blicke begegneten sich und beide wußten cS vielleicht selbst kaum, mit welchem Ausdruck von Interesse dieö geschah.
„Ich habe Fräulein Delio gestern Abend gebeten, die Stelle von Fräulein Culon am ersten Oktober zu übernehmen!" Dies teilte der Commerzienrat Berg am andern Morgen
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seiner Tochter Elvira mit, als sie Beide zu ziemlich später Stunde ihr Frühstück ein- nahmen.
Elvira sah erstaunt zu dem Vater auf. „Du sprachst doch immer davon, Nanuy und Lilly nach einer Pension zu bringen, wenn Fräulein Culon, die bisherige Erzieherin meiner jüngeren Geschwister, uns verlassen würde?" sagte Elvira in fragendem Tone.
„Ja, das war auch eigentlich meine Absicht. Ich hatte schließlich einen wahren Schrecken bekommen vor allen Gouvernanten. Sie sind so altjüngferlich, so allwissend und behandeln unser einen wie einen wahren Ignoranten. Fräulein Delio ist aber ganz anders, so einfach und natürlich, dabei so gebildet und nett, daß man selber bei ihr in die Schule gehen möchte," erklärte der Commerzienrat.
„Ich hätte für die beiden Mädchen, jetzt, wo ich an meine Verheiratung denke, eine Pension passender gefunden, als die Annahme einer neuen Gouvernante," meinte Elvira mit etwas gereizter Stimme. „Da Du eS Hannah aber nun einmal zugesagt hast, läßt sich daran allerdings nichts ändern. Für sie ist cs schließlich ein großes Glück, so schnell eine so angenehme Stellung zu bekommen, wie ich mich aber zu ihr stellen soll, weiß ich wirklich nicht."
„Nun eine etwas andere Stellung wie dem Fräulein Culon wirst Du ihr wohl in unserem Hause einräumen müssen," erwiderte der Commerzienrat mit hochgezogenen Braue», „Fräulein Delio ist Deine Freundin, ist jung und hübsch und hoch gebildet, lauter Eigenschaften, die immerhin berücksichtigt werden müssen."
„Bei einer Gouvernante sind das eigcnt- ctwas unbequeme Eigenschaften," sagte Elvira, besann sich dann aber darauf, daß es sehr geraten sei, ihren Vater bei guter Laune zu erhalten, eingedenk ihrer sehr kostspieligen Toilettenrechnungen, deren Bezahlung sie dem Vater in den nächsten Tagen abzuschmeicheln gedachte.
„Ich werde ja hoffentlich bald meine eigene Häuslichkeit haben," lenkte Elvira dann ein, „und wenn ich dann nicht mehr im Hause bin, ist cs jedenfalls für Dich angenehmer wieder eine Dame im Hanse zu haben, welche Nanny und Lilly erziehen und das Hans reprästntiren kann, Du wirst mich dann weniger vermissen."
„Da hast Du Recht, Mädchen, und ich kann es offen gestehen, eine junge Dame, die meiner nun bald in den Ehestand tretenden Tochter an Alter und Lebenslust gleicht, ist mir als Vorsteherin meines Hauswesens zehnmal lieber als eine alte Jungfer. Hübsche junge Gesichter habe ich immer mein Leben lang gern gesehen, so in ein paar junge lebensfrohe Augen zu schauen, hat immer etwas Erquickliches für mich gehabt."
Das Engagement Hannahs wurde zu derselben Stunde wie in Bergs Hause auch an dem Verloschen Frühstückstisch besprochen.
Die Frau Amtsrichter war sehr stolz aus ihr diplomatisches Taleut am vergangenen Abend.
„Ja, der Commerzienrat ist ein Kenner, ich wette, er hat noch ganz andere Zukunftspläne sür Dich, Hannah," scherzte sie. „Paß auf, wenn Elvira erst aus dem Hause ist, rückt er mit einem Heiratsantrag hervor."
„Aber Lucic!" rief der Amtsrichter iirger-
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lich, „daß Ihr Frauen es doch nie lassen könnt, Heiratspläne zu schmieden."
„Mein Gott, was willst Du? Commerzienrat Berg ist Wittwer und braucht schließlich eine Frau für sein Haus und seine jüngeren Kinder. Er ist auch noch ein ganz stattlicher Man» und sehr reich. Die beiden kleinen Mädchen Nanny und Lilly sind ganz gutgearlete Kinder. Hannah wäre ja thöricht, wenn er kommen sollte, von der Hand wiese."
lieber Hannahs blühendes Gesicht hatte sich eine fahle Blässe bei diesen Worten gelegt und die Kaffeetasse klirrte in ihren Händen.
„Du meinst, ein armes Mädchen, wie ick es ja nun bi», habe kein Anrecht mehr an die schönen Vorrechte der Jugend, das Leben noch mit idealen Augen anzusehen?" wandte sie sich mit zürnenden Blicken an Lucic. „Das darf nur noch daran denken, wie es sich am besten versorgt!"
„Gott im Himmel, wie kannst Du meine harmlose Aeußcruug gleich so tragisch nehmen Hmnah?" rief die Frau Amtsrichter erregt aus. „Wenn Du das Leben mit idealen Augen ansehen willst, thue cs ja, ich will es Dir gewiß nicht wehren. Aber ein Unsinn ist es in dieser Well, nicht nach Ver- nunftgründen zu handeln. Weit wirst Du mit Deinen Idealen nicht kommen."
„Du lhust wirklich als wärest Du eine Matrone, Kind, und hättest dir größten Erfahrungen schon hinter Dir," sagte Berko lächelnd zu seiner jungen Frau. „Wer das Leben idaclen Augen anstcht, für den ist dasselbe jedenfalls tausendmal reicher und und schöner, als für diejenige», deren Gedanken sich nur in den trüben Schichten der Alltäglichkeit bewegen."
„Wohl wie meine Gedanken," sagte Lucic pickicrt, „die sich notwendig jetzt auf Küche und Speisekammer richten müssen. Tauscht Eure idealen Lebensanschauungen nur ungestört noch weiter aus, ich werde unterdeß lür Euer leibliches Wohl sorgen. Schade, daß Dein Freund Hoff nicht noch zugegen ist, der ist auch biswciUn ein solcher Schwärmer. Ihm hätte ich es zugetraut, daß er sogar eine Che aus idealer Liebe schließen könnte, aber da hat er sich dann doch vorgesehen ; denn daß der Reichtum seiner Braut ihn mehr angezogen, als ihre sonstigen Reize, das unterliegt wohl keinem Zweifel."
Mit diesen Worten rauschte die junge Frau,znr Thür hinaus. Ihr Gatte sah ihr finster nach, und dann ruhte sein Blick auf Hannahs schönen, aber jetzt erregtem Gesicht, und Vor seinen geistigen Angen stand plötzlich das Antlitz seines Freundes Hoff, der ja nun täglich im Hause des Commer- zienrats Berg mit Hannah zusammen kommen würde. „Beide sind jung, schön und ideal angelegt," dachte Berko, „und ist die Umgebung auch noch so materiell, irgendwo schlummert doch die Romantik mit ihrcv dunklen Märchenaugen, und wo kecke Menschenkinder ihren Schlummer stören, da verwirrt sie neckisch deren Lebenspfad, und nicht immer fi den sich solche Menschen dann wieder zurück auf die glatte» Bahnen der Alltäglichkeit."
Haunah hatte sich jetzt auch vom Frühstückstisch erhoben.
(Fortsetzung folgt.)
rnhard Hofmann in Wildbad.