Aus Ruhmeshöhen.
Novelle von F. Stöckert.
Nachdruck verboten.
2.
„Hier sich und urteile selbst I Das ist daS Bild von Hannah Delio!" rief Berko, indem er ein Kabinetporträt im dunkelgrünen Sammetrahmen von Luciens Schreibtisch nahm. Ueberrascht blickte Hoff auf das jugendliche Mädchengesichr, dann stellte er das Bild, ohne ein Wort zu sagen, wieder auf seinen Platz.
„Nun bist Du stumm vor Bewunderung? fragte Berko lächelnd.
„Mein Gott, solche Schönheit ist es doch wahrhaftig nicht I" sagte Frau Lucie etwas gereizt.
„Eine Schönheit, nein, das kann man kaum sagen, versetzte Hoff, „cs liegt mehr in diesen Zügen, als was man so Schönheit nennt. Die junge Dame scheint aus etwas andern Stoff gebildet zu sein, wie gewöhnliche Menschenkinder."
„So viel ich weiß und beurteilen kann, besteht sic auch nur aus Fleisch und Blut wie wir andern Sterblichen," sagte Frau Lucie lachend.
„Ich habe mich falsch.ausgedrückt, an die Substanzen dachte ich weniger als an die den Geist verkörpernde Form. Der Marmor, den der Pfuscher bearbeitet, ist derselbe, der in des Künstlers geweihter Hand sich zu herrlichen Kunstwerken gestaltet!"
„Uns Menschen hat aber Gott geschaffen und kein Pfuscher!" erklärte Frau Lucie.
„Nun dann hat der große Meister auf Fräulein Hannah Delio besondere Sorgfalt verwendet!"
„Vielleicht mehr als auf Ihre Braut!" meinte dann Frau Lucie malitiös.j
„Ah, jetzt werden Sie bitter, gnädige Frau, ich eile ihren Pfeilen zu entfliehen," rief Hoff lachend und verabschiedete sich.
„Warum hast Du mir das Bild niemals gezeigt? fragte er aber Berko, der ihn nach dem Vorsaal hinausgeleitetc.
„Mein Gott, daran habe ich wahrhaftig nie gedacht I" erwicderte dieser.
„Und das interessante Mädchen kommt in diesen Tagen zu Euch?"
„Ja, sie will sich von hier aus um eine Gouvernantenstelle bemühen, glaube ich. Ich hätte ihr ein besseres Loos gewünscht, es ist eine so heilere sonnige Mädchenerschcinung, so recht geschaffen für die Freuden des Daseins."
Einige Stunden später suchte der Rechtsanwalt Hoff seine Braut auf.
Elvira, die älteste Tochter des verwitweten Commerzienrat Berg, war ein übermäßig schlankes, blasses Dämchen. Sic spielte die Geistreiche, ohne grade Geist zu haben, und trieb alle schönen Künste, ohne dazu irgend ein Talent zu besitzen.
Als Hoff ihren Salon betrat, saß Elvira am Flügel, um mit ziemlicher Fingerfertigkeit eine Rapsodic von Liszt herunter zu rasseln. Hoff bat sie, nachdem er pflichtschuldigt ihre blassen Lippen geküßt, weiter zu spielen, und ließ sich auf einen der antiken geschnitzten Lehnstühle nieder, gedankenlos
Äerantwsrtlicher Redakteur: Bern
nach einem der auf dem Tisch liegenden Albums greifend.
Flüchtig irrten seine Blicke über verschiedene Photographien seiner Braut hinweg. Nur einmal zuckte es sehr ironisch um seine Lippen, als er Elvira mit der ganzen Grandezza einer Künstlerin, eine zierliche Geige in den Händen, auf einem der Bilder erblickte. Er kannte die fraglichen Leistungen der jungen Dame auf diesem Instrumente bereits aus Erfahrung.
Lächelnd blätterte er weiter, andere Bilder junger ihm bekannter Damen glcichgil- tig betrachtend, bis aus all diesen, ihn wenig interessirenden Gesichtern eins auftauchte, das seine Blicke wunderbar gefesselt hielt. Das waren sie wieder die interessanten Züge Hannah Delios, cingerahmt von einer Fülle dunkler Locken.
Er versenkte sich so in den Anblick des Bildes, daß er darüber ganz überhörte, wie daS Klavierspiel j>tzt verstummte. Elvira, die wohl seinen Beifall erwartet, sah sich betreff ii nach ihm nm, daun erhob sic sich, und beugte sich über seine Schulter, in dem süßen Glauben, daß cs eines ihrer Bilder war, was ihn so fesselte.
Als sic aber Hannah Delis's Lockenköpfchen erblickte, zuckte eS bitterböse um ihre Lippen.
„Findest Du das Bild hübsch?" fragte sie dann plötzlich.
Ueber Hofs's Züge flog ein dunkles Rot, als hätte man ihn bei einem Unrecht ertappt.
»Ja, es scheint ein hübsches Mädchen zu sein," stotterte er.
Mein Geschmack war diese Hannah Delio nie, mir war sie stets zu rot und zu dick, die echte Schönheit vom Lande- Etwas demütiger wird sie wohl sitzt auftreten wie früher. Ihrer Eltern Verhältnisse sollen jetzt die denkbar traurigsten sein, und sie mag es wohl bitter bereuen, daß sir früher, als sie noch in Glanz und Reichtum lebten, verschiedene Freier abgewicsen, die mögen sich wohl nun glücklich preisen, daß sie nicht rcingefallen sind."
„Also nimmst Du an, daß dies lben nur des Geldes wegen um die junge Dame geworben ?"
Elvira errötete ein wenig, dann schmiegte sie sich zärtlich an ihren Verlobten und flüsterte verstohlen:
„An Deine Liebe glaube ich, HanS, Du hättest mich genommen, auch wenn ich ganz arm wäre, nicht wahr?"
„Ohne Zweifel," erwiderte Hoff, während seine Blicke ohne einen Strahl von Zärtlichkeit auf dem blassen Gesicht seiner Braut ruhten. War es aber vielleicht doch nicht eine Uebereilung seinerseits gewesen, sein Dasein mit demjenigen Elvira zu verknüpfen, nur weil sie reich war?
Die junge Dame und deren Vater, Commerzienrat Berg, waren ihm allerdings in jeder Hinsicht entgegengekommen, und so von dem vielumwordenen, reichen Mädchen bevorzugt z» werben, halte denn doch schließlich Hoff'a Einikett g>fch.in ich'l;. Er hätte ja wohl ' a ^>ack leichtsinnig vo» sich gestoßen, hätte er die günstige Geteg nheit, eine reiche Frau so mühelos zu freien, versäumt. Fast alle seine Bekannten hatten derartige Geldheiraten geschlossen und nicht gerade siel nach Liebe und Neigung gefragt. Wa
hard Hofmann.) Druck und Verlag von B e
rum sollte er eine Ausnahme machen? Die großen Leidenschaften, die sein Freund Berko a, gedeutet, lese», sich recht schön in Romanen und Nov llen, aber selbst dergleichen erleben, wer beehrte das n»ch? Mit solchen Gedanken suchte er sich zu trösten.
„Am Sonntag ist Gesellschaft bei Ber- kos," teilte Hoff seiner Braut jetzt mit.
„Ah, das ist herrlich!" rief Elvira heiter, „da muß ich aber Heine noch mit meiner Schneiderin Rücksprache nehmen, da ich doch natürlich eine neue Toilette dazu haben muß. Welche Farbe soll ich wählen, Schatz, blau, rosa oder rubinrot?
„Ueber eine so wichtige Frage wage ich als Laie in solchen Sachen nicht zu entscheiden, da muß Du Autoritäten zu Rate ziehen, Kind, Frau Amtsrichter Berko zum Beispiel."
„Ja, Lucie hat allerdings großes Ver- ständis für Toiletten," sagte Elvira lächelnd. „Sie treibt weder Musik, noch beschäftigt sie sich mit Lectüre; im Grunde hat sie eigentlich nur für Toiletten und Gesellschaften Interesse. Ich begreife Deinen Freuud manchmal nicht, wie er solche Wahl hat treffen können."
„Ich denke, Lucie ist Deine Freundin, Elvira, und Du fällst ein solches Urteil !über Sie?"
„Mein Gott, wir kennen uns von der Pension her, genügt hat sic mir natürlich nie bet meinem Interesse für alle schönen Künste. Unsere Häuslichkeit soll auch eine ganz andere werden, wie diejenigen Berko's, denke ich. Ich werde mein Musikzimmer haben, mein Atelier, auch etwas schriflstellern werde ich wohl später."
„Alle Wetter!" rief Hoff, die vielseitigen Talente und Neigungen seiner Braut mit großen Augen anstarrcnd.
„Nun, traust Du mir das etwa nicht zu?" frug Elvira. „Ich denke mir daS gar nicht schwer, man wird am leichtesten berühmt dadurch, und dabei ist eS eine höchst nobelc § eschäftigung, die sogar Königinnen nicht verschmähen, wie die Königin von Rumänien, die beide mit ihren Werke» schon in die Oeffentlichkeit getreten sind."
„D< darfst Du freilich als künftige Fi au R-chtSanwalt Hoff auch nicht ermangeln, unter die Schriftstellerinnen zu gehen!"
„O, ich werde den Name» Elvira Hoff sckon berühmt machen, darauf kannst Du Dich verlassen."
„Wo willst Du aber die Zeit zu den vielen künstlerischen Beschäftigungen hernehmen, Kind? Musiciren, Male», Schriflstellern, das nimmt viel Zeit in Anspruch, dazu dann die eigene Wirtschaft!"
„Darum kann ich mich dann allerdings nicht kümmern, dafür giebt es Dienstboten."
Dem jungen Mann stand, als er jetzt daS Haus seiner Braut verlassen, das Bild feiner zukünftigen Häuslichkeit grade nicht s,hr verlockend vor Augen. Eine malende, musicirende, schriststellerndc Gattin, und die Wirtschaft einzig und allein in den Händen der Dienstboten. Ihm schauderte. Da hatte sein Freund Berko doch wohl noch ein besseres Loos gezogen mit seiner einfachen Frau, die kümmerte sich wenigstens noch um ihre Wirtschaft, und bei ihren Gesellschaften ging Alles stets wie am Schnürchen.
(Fortsetzung folgt.)
rnhard Hofmann in Wildbad.