Rundschau.
Freudcilstndt, 14 März. Bei einer Schneeballcnschlacht zwischen Knaben der Latein- und Realschule ereignete sich hier ein bedauerlich r Unglücksfall; einem Knaben flog ein Schneeball mit solcher Wucht in das Auge, daß solches vollständig auslief.
Heidenheiin, 14. März. Heute mittag wollte sich der wegen Kränklichkeit gegenwärtig geschäftslose Spinnmcistcr Spellen« berg, der 56 Jahre alt ist, in frischer Luft ergehen. Bei dem Brenzsce in der Nähe der Würlt. Kattnumanufaktnr erlitt er einen epileptischen Anfall und stürzte infolgedessen über die Brücke hinab in den See. Es waren wohl rasch Arbeiter zur Rettung her- bcigreiit, allein der Zustand des Verunglückten ist doch sehr bedenklich.
Aalen, l4. März. Die Eisenbahn forderte gestern und heute in unserer Gegend zwei Menschenleben zum Opfer, einen Bahnwärter bei Oberkochen, und eine Frau zwischen Goldshöfe und Wasseralfingen. Beide wurden vom Zuge erfaßt und getötet.
Aalen, 16. März In dem Wohnhaus der hiesigen Lammwuts Haas Witwe wurde heute ein besser gekleideter, etwa 25- jähriger Einbrecher aufgefunden, der sich im Dachraum versteckt hielt. Er entsprang, wurde aber eingefangen und dem Gericht übergeben. Derselbe hatte nicht weniger als 19 Schlüssel und drei Feile» bei sich und war im Besitz von 3 Geldbörsen und einer goldenen Damennhr. Die Untersuchung muß über seine Persönlichkeit näheren Ausschluß bringen, da sein Paß, nach welchem er ein Holländer wäre, höchst wahrscheinlich gc- sälscht ist.
Blaubeurcn, 15. März. Dem von Sigmaringen »ach Ulm fahrenden ersten Bahnzug drohte am 12. ds. früh laut N- Albb- zwischen Blanbcuren und Schelklingen ein großes Unglück. Das mit Zement- sttinen schwer beladene, aus den Steinbrüchen bei Sotzenhausen kommende Fuhrwerk d.s Werkmeisters und Zemelilfabrikan- ten Sigloch hier wollte den Bahnübergang an der sogen. Stotzenhauser Brücke passieren, blieb aber stecken, so daß der Wagen quer über der Linie stand, als der Personenzug von Schelklingen daherbrauste. Das vom Bahnwärter rechtzeitig gegebene Notsignal wurde vom Lokomotivführer gleich bemerkt und der Zug konnte zum Stehen gebracht werden, ehe er den Uebcrgang erreichte. Passagiere und Personal, die drohende Gefahr erkennend, waren i» größt« r Aufregung, cs konnte jedoch mit Hilfe der letzteren nach vieler Anstrengung das im Kot stecken gebliebene Fuhrwerk wieder flottgemacht werden, so daß der Zug weiterfahren konnte.
Weingarten, 13. März. Vor ca. 2 Jahren hat Revicrgehilfe Schenk hier eine» 9jährigen, Knaben vom Tode des Ertrinkens gerettet, und schon wieder hat er eine gleiche aufopfernde That vollbracht. Gestern mittag brach laut O. A. der 3jährige Knabe des Landjägers Beck auf der schwachen Eisdecke eines 2 Meter tiefen Weihers ein. Sein älterer 5jährrger Bruder wollte ihm die Hände reichen, allein auch er stürzte hinein. Zum Glück war Reviergehilfe Schenk in der Nähe, dem es gelang, beide Knaben dem kalten Elemente zu entreißen.
Ulm, 14. März Gestern nacht kam es vor der Fronscste in Neu-Ulm zu einer
groben Ausschreitung. Der Gefangcnwärter hört-' vor derselben Rufe und Pfeifen und begab sich deshalb vor das Thor , um zu sehen, waS los sei. Kaum war er jedoch hinausgetrcte», als er von 4 Burschen, die sich mit einer inhaftierten Weibsperson verständigen wollten, überfallen und durchgeprügelt wurde. 3 der Thäter wurden »och gestern nacht verhaftet. Einer derselben hatte sich heute dem hiesigen Schöffengericht wegen Diebstahls zu verantworten und wurde deshalb mit seinen beiden Kumpanen, die Zeugenschaft zu leisten hatten, geschlossen durch die bayerische Gendarmerie hichcr geliefert.
— Adele Spitzeder, die vor einigen Wochen in München in Untersuchungshaft genommen wurde, ist wieder auS derselben entlassen worden.
— Aus Nürnberg, 10. März, wird berichtet: Aus sonderbarem Anlasse mußte am Samstag nachmittag der Bayrcuthcr Postzug auf offener Strecke zwischen hier und St. Jobst halten. Ein gut gekleideter Man» machte nämlich, als der Zug an ihm vorüberfuhr, mehrere Versuche, an demselben hinaufzuspringen. Es stellte sich heraus, daß mau es mit einem Geistesgestörten zu lhun habe, der an der Wahnvorstellung leidet, daß er zum Kaiser zu einer Audienz fahren müsse. Der Unglückliche, ein Baumeister aus Kaiserslautern, wurde vorläufig in der Jrrenabteilung des städtischen Krankenhauses nntergebracht; Verletzungen hatte er bei seinem Beginnen keine davongetragen.
Z — Windthorst hat am 12. den Reichskanzler besucht und eine längere^Unterrcdung mit ihm gehabt.
Berlin, 14. März Das in Abgeord- netcnkreisen viel besprochene Grücht, daß Windthorst eine Unterredung mit dem Kanzler hatte, bestätigt sich. Windthorst sprach sich lebhaft für die Notwendigkeit des Verbleibens des Fürsten Bismarck am Ruder aus.
— Aus Aachen : Auf der Gruhe Nordstern bei Bardenberg ereignete sich eine Explosion schlagender Weiler. Ein Bergmann ist getötet, zwei sind leicht verletzt.
— In HÜttseld ist wiederum eine große Feuersbrunst ausgebrochen. Acht Häuser, darunter der „Frankfurter Hof" , wurden eingeäschert.
— Im englischen Oberhause wurde eine Vorlage, daß bewaffnete Einbrecher nicht allein Gefängnisstrafen, sondern auch der körperlichen Züchtigung unterliegen sollen, mit 74 gegen 17 Stimmen in 2. Lesung genehmigt.
— Zwei Kinder verbrannt. Aus Graz wird gemeldet: Freitag abend kam in einem Bauernhause zu Naaba bei Graz ein Brand zum Ausbruche, bei welchem zwei Knaben, acht und elf Jahre alt, die sich unter einem Bette versteckt hatten, verbrannten.
— Beim Hauptbahnhof in Brannschweig fand man dieser Tage die Leiche eines auf scheußliche Weise ermordeten 20jährigen Mädchens. Vom Thäter fehlt jede Spur.
— Von Wölfe» gefressen wurden vereinigen Tagen die Reisenden der russischen Post zwischen Baltzi und Soroca in Bess- arabien. Die rumänischen Blätter erzählen hierüber, daß der von drei Pferden gezogene Postwagen mit 5 Insassen am Nachmittag von einem Rudel Wölfe überfallen wurde, welche sämtliche Menschen und Tiere töteten und fast gänzlich auffrahcn. Den Wagen
fand man umgestürzt vor, mit Blut befleckt und die PostbcUtel hernmg worfen. Die Wölfe treten in Rußland in den letzten Wintern in immer größerer Zahl auf, so daß man in den österreichischen u. rumänischen Grenzdistrikten bereits an wirksame Maßregeln zur Fernhaltung dieser Plage denkt.
Verbrennen von Witwen. Der Ostasiatische Lloyd schreibt aus Bali (Klein-Java) : Das Verbrennen der Witwen mit den Leichen ihrer Männer ist hier ungeachtet des Vertrages des Sultans mit der niederländisch-indischen Negierung noch immer im Schwünge. Falls der Verstorbene von hohem Range ist, müssen auch seine Sklaven dieses Schicksal teilen. Mitunter kommt es auch vor, daß man eine Witwe,, anstatt sie zu verbrennen, ersticht. In solchem Falle muß ihr ein Verwandter den Todesstoß versetzen, niemals darf dies aber ihr Vater oder Sohn sein.
Paris, 15. März. Nach einer Meldung des 19. Jahrhunderts ^wäre die französische Streitmacht bei Kutanu (Dabomeh) von 30,000 mit Gewehren bewaffneten Schwarzen blockiert.
Verschiedenes.
— (Boshaft.) Vorsitzender des Wahlausschusses (um 11 Uhr vormittags): „Jetzt hab'n alle Leut' ihre Zetteln abgeb'i; und nur der Stoffelbauer ist noch in der Hinterhand. Geh', Sloffelbauer, gicb' de» Dcini- gen a glei' her, na könn ma die G'schicht glei' auSzähl'n und nach» mach'n ma Feierabend."— Stoffelbauer: „Falt ma im Schlof net ein: bis um 6 Uhr auf d' Nacht hat's Zeit und i hol mir jetzt mein Maßkrug da 'rein und schaug recht schön zu, wie Ihr dahocken müßt und 5 Minuten vvr 6 Uhr gicb i nachher mei' Zettel ab.
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(selbstbewußtsein.) Herr (zu seiner- alten Wirtin): „Das Zimmer gefällt mir ja ganz gut, aber könnten Sie eS mir nicht etwas gemütlicher machen?" — „Gewiß, lieber Herr, soll ick 'n bisken bei Ihnen bleiben?"
Weueffe WcrcHvicHten.
Berlin, 17. März. Wie der A. Ztg. gemeldet wird» hat Fürst Bismarck in dem heute nachmittag abgehaltene» Ministerrgk angckündigt, er werde niorgen dem Kaiser scine Demission überreichen. Zugleich meldet das Abendblatt der Kölnischen Zeitung,: In den unterichtcten Kreisen nimmt man an, daß der Rücktritt des Fürsten Bismarck von allen seinen Acmtern schon in der allernächsten Zeit bcvorsteht. Man glaubt, daß. schon der heutige Ministerrat, welcher sich um 3 Uhr un'cr Vorsitz deö Fürsten Reichskanzlers versammelt hat, sich mit der That- sache der Rücktritts zu beschäftigen haben wird.
Berlin, 18. März. Gestern nachmittag 3 Uhr fand eine Sitzung des Ministerrats statt, welche bis 5 Uhr dauerte.
Berlin, 18. Gerüchtweise, verlautet daß der Kaiser das Entlaffnngsgesuch des Reichskanzlers noch gestern genehmigte. Die vom Grafen Herbert Bismarck cingereichte Demission soll der Kaiser abgelehnt haben.
(St. N. Ttzbl.)