l
Rundschau.
Stuttgart, 3. März. Dr. Veil, früher Professor in Stuttgart, der im Frühjahr 1886 nach Slraßburg als Konrektor am dortigen protestantischen Gymnasium über- siedelte, ist zum Nachfolger des am 24. Januar verstorbenen Direktors SchneeganS a» der genannten Anstalt ernannt worden-
— Wie verlautet, ist die „Württem- bergischc Landeszeitung" durch Kauf an die Herren Dr. Müller und Kaufmann Camille Jay übergegangen. Die Richtung des Bl. bleibt natioualliberal.
Feuerdach, 2. März Gestern nachmittag um 3 Uhr bemerkten Nackbarsleute und Vorübergehende im Schreiner Zeebschen Hause starken Ranch. Es brannte im oberen Teile deS wohlverschlosscnen Hauses, dessen Einwohner sämtlich auswärts waren, weshalb die Thüre mit Gewalt eingeschlagen werden mußte, um dem Feuerherd näher kommen zu können. Zu dieser Tageszeit war Hilfe jofort zur Stelle, und da der Fencrbach in unmittelbarster Nähe vorüberstießt , so war an ein Umsichgreifen des Feuers nicht zu denken. Der Schaden ist übrigens kein geringer, wenn auch nur der Dachstuhl und ein Teil deS oberen Stockes vom Feuer ergriffen waren, da auch das ganze, ziemlich alte Gebäude durch die große Wasscrmasse Schaden genommen hat. Man glaubt, daß das Feuer im Kamin ausgekommen sei.
— In Bietigheim hat sich auf dem Bahnhof ein schwerer Unglücksfall zugeiragen, indem der ledige, 23 Jahre alte Ankuppler Pflüger von Bissingen a. E. gebürtig, durch Au«glciten unter den Zug geriet, wobei er solche Verletzungen erlitt, daß die Aerzte keine Hoffnung auf Erhaltung seines Lebens haben.
Ulm, 2. März. Heute rückten 24 Mann Telegraphisten aus dem Beurlaubtenstande ein, um einen 14lägigen Uebungskurs am FestungStelegraphe» mitzumachen.
Weingarten, 1. März. In diescmJahre wird hier ein großartiges Fest gefeiert, das Fest des 800jährigen Besitzes der kostbaren Relique des heiligen Blutes, das bekanntlich im Jahre 109^ von Judith, der Gemahlin Welfs H, dem GottcShause auf ewige Zeiten geschenkt wurde. Das Jubiläumsfest wird mehrere Tage dauern; beginnend mit Sonntag, soll es mit dem „Blutritl" am Freitag schließen. I» allernächster Zeit wird schon mit den Vorbereitungen zu diesem seltenen Feste begonnen werden.
Vom Bodensee. Ein erschütternder Unglücksfall ereignete sich am Dicnötag Nachmittag in der Nähe von A r b o n. Drei junge Männer, zwei Anwohner des SeeS und ein St. Gatter unternahmen laut N. Z. Z bei starkem Ostwind auf einem kleinen Segelboot eine Ausfahrt nach Arbon, welches Wagnis sie, mit ihrem Leben büßen mußten. Irgend eine unglückliche Bewegung oder Wendung des Bootes mußte ein Umkippen desselben veranlaßt und die Insassen den Wellen preisgegcben haben, gegen welche sie wohl bei der gegenwärtigen Temperatur des Wassers nicht lange auzukämpsen vermochten. Das aufgefnndene, nmgeftürzt auf den Wellen treibende Boot, sowie ans Ufer geschwemmte Ruder bestätigen, daß die Befürchtungen, die in den Angehörigen wachgernfen wurden, als bei einbrechender Dunkelheit die Männer Nicht zilrückkchrten, nicht unbegründet waren.
Dir Leichen sind bis jetzt nicht aufgefunden worden.
In Voltigen im Simmenthal ist eine Feuersbrunst ausgebrochen, die vierzehn, Häuser einäscherte. Der Schaden ist beträchtlich.
Königshütte, 23. Febr. Hier ist ein Zug mit 24 Wagen entgleist. Mehrfache Verletzungen fanden statt.
— Zum Tode verurteilt wurde vom Schwurgericht in Göttingen ein nahezu 74- jährigesi Manu, der Makler Karl Derwig aus Deitersen (Bez. Einbeck), der im Okt. v. Jahres seinen eigenen Schwiegersohn, Schmidtmann, vermittelst eines Küchenbeils erschlagen hatte.
Köln, 26. Febr. Ein Postbeutel mit drei Gcldbriefen im Werte von 1300, 500 und 265 ./A, welcher am 22. d. M. vom Aachener Postamt mit dem Nachtzuge an das hiesige versandt wurde ist abhanden gekommen. Die Kaiserliche Ober-Postdireklion Köln hat auf die Ermittelung des Diebes und die Hcrbcischaffung des Geldes eine Belohnung von 150 ^ gesetzt.
Haynau, 26. Febr. Am Sonnabend Abend wurde gegen Herrn Fabrikbesitzer v. Gablenz ein nichtswürdiges Attentat versucht. Herr v. Gablenz befand sich in der Stadt und fuhr gegen 10 Uhr mit einer Droschke nach seiner Fabrik zurück. Als die Droschke in der Nähe der Fabrik angc- langt war, sprangen plötzlich vier Männer aus dem dortigen kleinen Busch, warfen mit großen Steinen nach dem Gefährt, und einer der Strolche stach mit einem Messer von hinten durch das Leder der Droschke nach dem Platz, auf welchem Herr V. Gab- lcnz saß. Zum Glück trafen die Stiche nicht, und in Folge des scharfen Antreibcns der Pferde gelangte Herr v. Gablenz glücklich in feiner Behausung an. Man vermutet, daß der Ueberfall von einem Arbeiter angezcttelt worden ist, welcher vor einigen Tagen wegen Ruhestörung aus der Fabrik entlassen wurde.
— Tragödie aus dem Jrrenhause. In dem LandcSspital zu Preßburg sind, dem Wiener Fremdenblatt zufolge, an Kranken und Irren zahlreiche Verbrechen begangen worden. Das Ministerium des Innern hat telegraphisch vom Spitaldirektor Doktor Kan- ka Aufklärung verlangt. Bis jetzt sind 12 Fälle, in welchen Irre oder Kranke zu Tode geprügelt wurden, festgestellt worden. Ferner berichtet man von großen Mißbräuchen mit Wärterinnen und Kranken. Der Staatsanwalt hat das Kriminalv»rfahren eingeleitet. Die in Preßburg herrschende Aufregung ist unbeschreiblich. Die Entsendung eines Mi- nisterialkommissärs wird erwartet.
Verschiedenes.
— Eine komplizierte Familie. Unter dieser Uebcrschrist finden wir im Pariser „Figaro" die folgende Notiz: „In Geislingen in Württemberg fand kürzlich eine seltsame Heirat statt. Die Neuvermählten bringen Kinder aus acht verschiedenen Ehen ins Haus. Die Frau verheiratete sich nämlich zum viertcnmal und die drei erstenmal hatte sie je einen Witwer geheiratet, der Kinder hatte. Auch sie selbst hatte Kinder von jedem der drei Gatten. Der Mann war ebenfalls Witwer und hatte Kinder von seiner ersten Frau, die ihrerseits Witwe gewesen war, als sie ihn geheiratet, und eben
falls Kinder aus ihrer ersten Ehe gehabt hatte." Was sagt man in Geislingen zu dieser Historie?
— Hartnäckige Untreue. Vor drei Jahren kehrte der Sänger Ninaldi nach Italien zurück, nachdem er sich ein beträchtliches Vermögen in Südamerika erworben hatte. Er ließ sich in einer niedlichen Villa nieder, um sich einer wohlverdienten Ruhe zu crfreuen. Unglücklicherweise hatte aber seine Frau einen Liebhaber, mit dem sie entfloh, das Vermögen ihres Mannes mit sich nehmend. Das schuldige Paar wurde zwar entdeckt, aber der größte Teil des Geldes war vcrthan. Der Entführer wurde zu Gefängnis verurteilt und Rinaldi verzieh seiner Frau. Er kehrte nach Südamerika zurück, um sich ein neues Vermögen zu erwerben. Dank der schönen Stimme, die er noch immer besaß, gelang ihm dies bald und er kam wieder nack Italien, indem er sich am Ende aller Mühen glaubte. Im selben Augenblick war aber auch die Gefängnisstrafe des verurteilten Geliebten beendet und die böswillige Signora lieh von neuem ihr Ohr der Stimme ihres Charmeurs, trotzdem diese lange nicht so schön war, wie diejenige ihres Gatten. Von neuem entfloh die unverbesserliche Frau Rinaldi mit ihrem Geliebten und nahm mit sich 150 000 bis 200 000 Lire fort, das Vermögen ihres Gatten. Diesmal glückte cs den Flüchtigen, der Polizei zu entgehen und der Tenor jammert um sein verschwundenes Vermögen und seine Frau.
>»
.'. Wiederkannt! Ein Doktor in Bade», der ein Meister in der Kunst des Erzählens ist, gab nachstehende hübsche Episode aus seiner „Nachtpraxis" zum besten: Es war in einer sternhellen, bitterkalten Winternacht. Ich kehrte nach zwölf Uhr zu Pferde von einem auswärtigen Besuch zurück. In der Nähe der „Sommerhalde" hörte ich aus dem Badener Stadtwald Axtschläge. Es konnte kein Zweifel bestehen, was da verging. Auch darüber brauchte ich mir nicht den Kopf nicht zu zerbrechen, welchem befreundetem Volksstamme etwa die späten Holzfäller angchören mochten. Ich war guten Humors, band mein Pferd an einen Baum am Wege, schlich mich in die Nähe der Waldpiraten und schaute ihrem Treiben hinter einer Tanne hervor zu. Die letzten Axlstreiche sollten eben den auserlesenen Baum zu Falle bringen. Da stürzte ich aus meinem Versteck und schrie die Burschen an: „Hai? ich emol, ihr Malefixkerlis!" — „Gänd s'Pech, s'jsch de Förster" — schallte es zurück. — Als ob der Blitz unter sie gefahren wäre, stob die Gesellschaft auseinander. — Eine Axt war zurückgeblieben. Ich nahm sie als Trophäe mit und ritt nach Hause. So schnell hatte sich die ganze Scene abgespielt, daß ich keinen der „Holzer" erkennen konnte. — — Jahre vergingen. Da traf ich eines Sonntags nachmittags im „Adler" zu B. eine Jaßgesellschaft Die Partie schien für den Mann, der mir den Rücken kehrte, verloren. Plötzlich fuhr er auf: „Gstoche mit cm Bur — und bedank mil" Das war die Stimme, die damals „Pech geben" kommandiert hatte! Es begann eine zweite Partie. Ich stellte mich hinter meinen Mann und sah ihm in die Karten. Als er eine lang erwartete Stich-