Sotdcrtenlieöe.
Erzählung aus dem Kriegsjahre 1870s71 2 von Carl Cassau.
Nachdruck verboten.
Der Bursche des Lieutenants, Conrad Berger, mußte sich inzwischen in der Küche restaurieren und der redseligen Lenkerin jdeS Hauses von „seinem Lieutenant" erzählen'
„Ja, Madame," beteuerte der Bursche, „Sie können es sich nicht denken, wie nett der Junker mit seinen Untergebenen umgeht. Er ist wirklich die Güte selbst und selten streng. Und klug ist er, das weiß Gott, und Mut hat er, wie nur einer!"
Madame nickte befriedigend, daß die Bänder ihrer Haube heftig flackerte».
Jndeß aß Arthur vom Busch mit dem Appetit der Jugend; er stieß mit dem Onkel an; sie sprachen von diesem und jenem; vom Soldatenleben in der Hauptstadt, vom Hofe, von den letzten politischen Ereignissen. Dann berichtete Arthur von der Heimat, wie er die Mutter, seine liebe teuere Mmter, wieder gefunden, des Freiherr» Schwägerin, wie froh sie gewesen, de» einzigen Sohn wieder in ihre Arme schlugen zu können. Dann war die Rede von allerlei Erlebnissen in der Fremde.
„Gefällt cs Dir da draußen nicht, Junge? Genieße nur erst Deine Jugend! Es ist hier aber auch schön, nicht wahrl Du, als mein Erbe und als Stammhalter derer vom Busch, sollst hier, so hoffe ich, auch einmal Deine Tage beschließen!"
„Ach Onkel, wer weiß! Doch das ist gewiß I Gefallen wird mir's hier einzig. Langenhausen ist gerade eingerichtet, wie ich's liebe I"
„Na, dos freut mich, Arthur !"
Indem kam der Briefbote mit den Zeitungen.
„Dank unserm Stephan, meinte der Freiherr lächelnd, „haben wir hier nun alles fast so früh wie in der Stadt selbst! Doch was ist daö — ?"
Er las lange und ernst- Dann wandte sich sein Gesicht bleich und ernst dem Neffen zu.
„Krieg, Arthur, Krieg I"
„Nicht möglich, Oheim I"
„Und doch, sage ich I Sich — !"
Ja, da stand's. Benedetti, der französische Botschafter, hatte den König Wilhelm in Ems förmlich insultiert. Der Krieg war mit der echt deutschen Abweisung deS Königs so gut wie erklärt.
„Onkel, ich mutz also sofort zum Regiment!" rief Arthur sogleich voll Eifer.
„Geduld, mein Junge," meinte aber darauf der Freiherr, „heute und morgen bleibst Du erst noch bei mir, Du hast ja Urlaub; daun magst Du in Gottes Name» reisen. Ich werde Deine Mutter sogleich hierher holen lassen. Dietrich I"
Der Kutscher erschien.
„Spanne sogleich die Kutsche an und fahre nach Oelshausen. Du sollst die Freifrau von Busch von dort abholen! Beeile Dich!"
„Ja wohl, Herr Baron!"
„Und D», Arthur, schreibe Mama, daß sie nicht erschrickt I"
Er stand auf und ging der Diener aber brachte sofort das silberne Schreibzeug und die Moppe des Freiherr».
Verantwortlicher Redakteur: B e r n
Arthur schrieb an seine Mutter einige Zeilen.
Zehn Minuten hernach fuhr der Wagen ab. Arthur und der Freiherr aber wandelten bis um die Mittagszeit im Park auf uud ab, wobei der Freiherr auf die zerfressenen Zustände in Frankreich hinwies.
„Gieb Acht, Junge," sagte er, „die prahlerische Aranäs Nation wird von uns ge- demütigt werden."
Das Diner hatte Madame Zorn auf des Freiherrn Wunsch im Rittersaal anrich- len lassen. Dort im Thurmerker war der Tisch auf das feinste bestellt, selbst zwei Flaschen Champagner standen in blanken silbernen Eiskübeln an der Seite. Hier war des Freiherrn Lieblingsplatz.
„Auf gutes Avancement Arthur!"
So klang der erste Toast durch den hübschen Raum, den Arthur während des Diners musterte. Der Oheim verstand eine lebhafte Unterhaltung mit Geschick zu führen, das mußte sich Arthur gestehen, fast kam er nicht zu Wort. Dort an jenem Pfeiler las er wieder:
„Willst Du Dein Herz mir schenken,
So sei's für mich auch ganz allein;
Ich will mich d'rein versenken
Und bin sür Ewigkeiten Dein!"
Und darüber hing das Bildnis einer jungen schönen Dame in der Kleidung des vorigen Jahrhunderts, in der Hand eine weiße Rose haltend,
„Oheim, wen stellt das Bild vor?" fragte Arthur und zeigte mit der Hand nach jener Richtung.
Der Freiherr war eben mit dem Tran- chiren eines fetten Kapauns beschäftigt; er blickte aus uud wurde dem Anscheine nach etwas befangen.
„Eine alte Scharteke," brummte er dann. „Komm, Arthur, nimm!"
Und sie stießen wieder an auf das Gedeihen des Hauses vom Busch.
Das Diner war zu Ende, der Kaffee eingenommen; der Freiherr griff zum Krückstock.
„Ich muß nun ein wenig nicken, lieber Neffe. Willst Du nicht auch eine kleine Susta halten? Sonst ist dort die Bibliothek. Ulrich weiß Bescheid!"
Ulrich war eine Art von Kastellan und Kammerdiener zugleich, der auch bei Tische aufgewartet hatte.
„Lieber Onkel, ich werde Dich erst begleiten und dann ein wenig in der Bibliothek umherstöbern I"
Und er lieh dem Freiherrn den Arm.
Es war ein hübscher Kontraß die beiden Männer nebeneinander zu sehen, beide schlank, von gleicher Größe, hier die Jugend, daneben das Alter.
„Apropos, lieber Arthur," meinte dann der Freiherr im Weiterschreiten, „wenn eS zum Kriege kommen sollte, und ich zweifle nicht daran, so sei nicht allzu tollkühn. Erst vier Jahre sind verflossen, daß wir den Hügel bei Langensalza schmückten, wo Dein älterer Bruder fiel. Du bist die Hoffnung unseres Stammes I"
„Aber, Oheim, wie kommst Du auf so trübe Gedanken!"
„Durch jenes — na adieu! Später mehr davon !" Der Onkel ging in sein Zimmer.
Als Arthur zurückkehrte, war Ulrich, Yard Hofuiann.) Druck und Vertag von B e
der silberhaarige Diener des Freiherrn, eben damit beschäftigt, abzuräumen. Arthur trat zu ihm.
„Sagen Sie, Ulrich, was ist das mit dem Bilde da? Ich glaube, mein Oheim wollte nicht auf meine Frage eingehcn I"
Ulrich rollte eben das Tischtuch zusammen :
„Sage der gnädige Herr doch Du zu mir wie sonst; wissen Sie nicht mehr, wie ich Sie auf den Knieen geschaukelt habe?"
„Nein, lieber Ulrich, das weiß ich nicht mehr, aber wohl, daß Sie eine brave Seele sind. Lassen wir es bei dem Sie, und nun zu dem Bilde. Also was ist's damit?"
Ulrich guckte sich im Saale, durch dessen bunte Fenster ikur mattes Licht eindrang, um, dann sagte er leise:
„Die Sage geht, daß durch dieses Bild das Haus vom Busch sein Ende finden werde. Gehen Sie nicht zu nahe heran, Herr Lieutenant, es könnte herabfallen und Sie verwunden!"
Arthur lächelte.
Er sah sich das Bild genauer an und fand darin ein artiges Kunstwerk. Die junge Dame, welche darauf abkonterfeit, war eine Schönheit ersten Ranges; dieses dunkle Haar, die vollen Brauen, die etwas geschweifte Nase, die braunen Augen, alles war schön und ebenmäßig.
Ulrich störte die Betrachtungen Arthurs nicht, dann aber setzte er hinzu:
„Es soll die Ahnfrau des Hauses vom Busch sei»! Mau spricht davon, daß sie ihrem Gatten entflohen und in Frankreich zur Zeit der Revolution eine gewaltige Dame geworden sei! — Gesegnete Mahlzeit Herr Lieutenant!"
Und er ging mit dem Silberservice davon.
(Fortsetzung folgt.)
Des Liedes HueK.
Im Herzen ist des Liedes Quell, Verborgen wohl und lief,
Bald fließt er trüb', bald wieder hell,
Ob Schmerz, ob Lust ihn rief.
Die Phantasie bringt an das Licht,
Was diesem Quell entsprang,
Reicht, oft mit heiter'm Angesicht,
Oft weinend ihren Trank.
Und wenn des Glückes Sonnenschein Den kleinen Quell umglänzt,
DeS Glücks, das einzig nur und rein e Das Menschcnherz bekränzt:
In höchster Wonne Augenblick Schweigt dann das arme Lied:
Weil nur gefühlt das höchste Glück Des Menschcnherz durchzieht.
Auch in des tiefsten Schmerzes Grau'», Des Grames Allgewalt,
Auch dann ist nicht der Quell zu schan'n, Und jedes Lied verhallt.
Darum verstumm' auch du, mein Lied, In schmerzersüllter Brust I Es mahnt mich noch, indem es flieht, Wie's einst verstummt in Lust.
Merk's!
Gemeine Seelen bald entdecken:
Einträglich ist das Speichellecker,! rnhard Hofmann in Mlobad.