Rundschau.
Cannstatt, 7. Febr. In der gestrigen Sitzung der bürgerliche» Kollegien wurde die Anschaffung einer Dampfstraßenwalze mit 280 Ztr. Gewicht seitens der Stadt um den Preis von 12,400 definitiv beschlösse».
Urach, 6. Febr. Gestern fand hier die Beeidigung und Investitur des nenernann- tcn katholischen SladtpfarrerS Schöninger durch den Dekan von Rvttcnburg statt. An der Feierlichkeit beteiligten sich außer vielen Mitgliedern der katholischen Gemeinde die meisten hiesigen Staatsbeamten und als Vertreter der evangelischen Kirche der Dcka- natsverwescr, Helfer Färber. Die städtischen Behörden waren durch Stadtschultheiß Seu- bcrt und Holpitalvcrwalter Hauser vertreten. Bei dem nachher statlgehabten Festessen im Gasthof zur Post, an dem ca. 30 Herren teiluahmcn, wurde in mehreren Reden das gute Einvernehmen, das hier zwischen Katholiken und Protestanten herrsche, rühmend hervorgehobcn und von den Geistlichen beider Konfessionen betont, daß sie bemüht sein werden, den konfessionellen Frieden auch in Zukunft zu erhalle».
Nagold, 8. Febr. Ein Unfall ist vorgestern Verwaltungsaktuar Rapp von hier zugcstoßcn. Derselbe war amtlich in Warth beschäftigt und brach, auf dem Heimweg begriffen, auf einsamer Straße de» Fuß. Da Herr Rapp an einer Hand schon früher verunglückt ist, konnte er sich keine Hilfe geben und mußte zwei Stunden in kalter Nacht liegen bleibe», bis ihm Hilfe zukam.
Sulz a. N-, 8. Febr. Die Tüb. Ehr. meldet: ES ist oft der Fall, daß die deutschen Bürger, welche in jungen Jahren nach Amerika auswanderten, später, vom Heimweh getrieben, die nicht vergessene Hetmat wieder aufsuchen. So erging es auch einem gebürtigen Binsdorfer, welcher als 17jähriger Jüngling seiner Vaterstadt den Rücken kehrte, nun aber vor einigen Tagen als wohlhabender Amerikaner zurückkehrte, wo er sich im Kreise seiner Verwandten auf einige Zeit erholen will. In diesem Gefühl der Glückseligkeit wurde er unversehens bedenklich gestört, indem ihm von der zuständigen Behörde die Mitteilung gemacht wurde, daß er vor allem seiner gesetzlichen Militärpflicht als deutscher Bürger Genüge zu thun habe. Sofort wurde der 35jährige Rekrut der K. Behörde vorgeführt, jedoch gegen Kaution wieder auf freie» Fuß gestellt.
Gmünd, 8. Febr. Lieutenant Burger beim hiesigen Bataillon ist laut Rems-Ztg. dieser Tage von Bogcnhaufen, wo er bei Verwandten weilte, nach Berlin gereist, um sich von dort am 9. Februar mit einem Kommando von 40 Unteroffizieren nach Ostafrika zum Ersatz und zur Verstärkung der Reichstruppe unter Major Wißmann zu begeben.
Ravensburg, 8. Febr. In Wetzlsreute, Gemeinde Schlier, lag, wie der O. A. meldet, seit 2. Februar eine Frau im Alter von 60 Jahren am Starrkrampf darnieder und erwachte erst gestern jfrüh nach vielen Bemühungen einesjhiesigcn ArzleS von ihrem langen Schlafe wieder.
— Ueber das bereits kurz gemeldete schreckliche Grubenunglück in der Kohlenzeche von Abersychau bei Newport in Südwales verlautet noch folgendes : Es arbeiteten 280 bis 300 Bergleute in der Tiefe. Sofort
nach der Explosion stiegen Rettungsmannschaften in den Schacht hinab, denen eS nach heldenmütigen Anstrengungen und Bewältigung ernster Hintcrnisse gelang, IlO Arbeiter lebend und 40 Leichen an die Oberfläche zu schaffen. Von den geretteten Mannschaften sind 90 verletzt, viele darunter so erheblich, daß ihr Aufkommen bezweifelt wird. Die übrigen Arbeiter der Zeche sind voiaussichtlich alle tot; bis zum 7. abends waren 171 Leichen herausbesör- dert worden. Die Ursache der Explosiv» ist noch nicht ermittelt. Die Zeche galt als völlig gaSfrei, so daß daselbst ohne Gefahr mit bloßen Lichtern gearbeitet werden konnte. Wahrscheinlich wurde durch den Einsturz einer Decke oder die Ocffnung einer Spalte durch die Bergleute ein größeres Volumen böser Gase entwickelt, die durch die Berührung mit den bloßen Lichtern explodieren.
— Daß auch Vergesslichkeit recht segensreiche Folgen kann, beweist folgender Vorfall. Der Großindustrielle M., Besitzer einer der größten Metallwaarensabriken WestphalenS, befand sich zwischen Weihnachten und Neujahr in Berlin, um dem Geschäftsjubiläum seines Vetters bcizuwohnen. Als M. am heiligen Weihnachtsabend in der Kurstraße eine vorüberpassirende Droschke bestieg, fand er auf dem Rücksitz eine zierl. Ledertasche, in welcher sich mehrere Photographien einer jungen Dame befanden. Unwillkürlich kam M. der Gedanke, daß diese Bilder zu Weihnachtsgeschenken bestimmt sein könnten und er gab dem Droschkenkutscher die Weisung, den Kurs zu ändern und ihm zum Photographen St. zu fahren, dessen Adresse er auf der Rückseite der Photographien vorfand. Als er dort angclangt war, wurde M- nach Vorzeigung der Photographie und Klarlegung der Thatsachen bereitwilligst die Adresse des sehr hübschen Originals mitgeteilt. Bald war er in der Ritterstraße angelangt und stieg wohlgemut zur zweiten Etage hinauf. Eine junge Dame in Trauerkleidern öffnete ihm und nötigte M. nach erfolgter Mitteilung zum Eintritt. Mit dem freundlichen Danke »ahm man dem ehrlichen Finder die Photographien ab, bei welcher Gelegenheit er von dem hinzutrctendcn hübschen Original erfuhr, daß die jüngere Schwester daö Täschchen in der Droschke habe liegen lassen. M. auf welchen die Schönheit der Sprecherin einen tiefen Eindruck gemacht hatte, zog Erkundigungen über die beiden jungen Damen ein, welche Töchter eines vor 1'/, Jahren verstorbene» Beamten waren. — Am vergang. DonnerSstag führte er die hübsche Blondine? Fräulein Emmy K. heim; die Hochzeit wurde in glänzender Weife hier in einem in UW. belegencn größeren Festlokale gefeiert. So wurde durch die Vergeßlichkeit der jüngeren Schwester das Lebensglück der älteren begründet.
— Während, eines Versuches einer neuen Maschine auf einem Kreuzer in der Nähe von Margatc platzte, wie aus London gemeldet wird, der Kessel derselben. lOSec- soldaten wurden hierdurch verletzt, davon zwei tödlich.
Eisenach, 7. Febr. Vorgestern wurde in Dermbach die gerichtsärzlliche Oeffnung einer Leiche vorgenommeu. Ein alter Mann, der darauf angewiesen war, von feinen Kindern verpflegt zu werden, suchte und fand zunächst Unterhalt bei einer in einem Nachbarsdorfe wohnenden Tochter. Als diese ihm
aber erklärte, sie könne ihn nicht mehr ernähren und er solle zu seinem Sohne gehen, solgte er dieser Aufforderung. Der Sohti aber warf den Vater so g.waltlhätig zum Hause hinaus, daß der Alte schwere Verletzungen erlitt und in Folge derselben starb. Selbstverständlich wurde der unnatürliche Sohn alsbald in Haft genommen.
Schwansen, 6. Febr. Ein schrecklicher Unglücksfall ereignete sich gestern auf Schön- hagen. Der Haushälter Henningsen schlachtete eine Kuh. Er hatte noch das Messer, womit er die Kuh gestochen hatte, jn der Hand, als diese eine Bewegung mit dem Kopfe machte und so unglücklich gegen seine Hand stieß, daß ihm das Messer tief in die Brust eindrang und er augenblicklich tot zusammenbrach.
Dortmund, 7. Febr. Den eigenen Sohn erschossen hat ein hiesiger Arbeiter. Derselbe hatte seinen Revolver aus der Reparatur geholt und steckte mehrere Patronen hinein, um die Brauchbarkeit der Waffe zu erproben. Der gespannte Hahn glitt ihm bei seinen Experimenten aus den Fingern, der Schuß krachte und sein 2jähriges Söhnchen stürzte in die Stirn getroffen tod zusammen.
Klingenberg (Bayern), 6. Februar. Unser Städtchen ist in finanzieller Weise sehr glückt, situirt. Aus der Ortskasse wurden 30 000 -/A an die hiesigen Bürger verteilt, so daß auf jeden derselben 134 M. 50 Pf. kommen; ferner erhielt jeder drei Klafter Holz unentgeltlich. Eine Million Mark ist als Reserve angelegt. Gemeinde-Umlagen werden hier keine bezahlt.
Eisenbahn über die Anden. Das Riescn- Unternehmen der Verbindung des Stillen Ozeans mit dem Atlantischen Ozean mitels eines Schienenweges über die Anden schreitet immer mehr und mehr vorwärts; man hofft, schon im Jahre 1892 von Valparaiso nach Buenos Aires fahren zu können. Die Bahn wird 1400 Kilometer lang sein und zu einer Höhe von 3185 Meter (1000 Meter höher als der Pilaeus in der Schweiz) hinaufsteigen.
Hochwasser. Aus New-Nork wird vom 7. Februar gemeldet: Die durch den Austritt des Flusses Willamette in Oregon verursachten Hochfluthen sind die größten, welche seit Jahren dagcwesen. In Portland stocken alle Geschäfte, da daö Wasser in den Straßen drei Fuß hoch steht. Der Verkehr ist nur durch Boote möglich. Der Schaden im Willamettk-Thal ist sehr bedeutend. Eine Brücke, Waarcnmagazine und Wohnhäuser sind zerstört worden und die telegraphische Verbindung ist unterbrochen. Die Stadt Wheatland ist fast gänzlich zerstört. Viel Vieh ist ertrunken und das Getreide in der Nachbarschaft ist vernichtet.
— Ein sehr gesundes Klima scheint die Insel LeSbos zu besitzen. Will man wenigstens dem türkischen Blatte „Murabet" Glauben schenken, so ist es in Mitylene sowohl, als auch in den übrigen Teilen der Insel gar nichts besonderes mehr, wenn Jemand das Hunderste Lebensjahr, überschreitet. Wie das genannte Blatt berichtet, lebt auf der Insel eine Frau Dadi Kadi, die 145 Jahre alt und noch ganz munter ist. Ein gewisser Mezzin zählt 130 Jahre, ein Schuhmacher Namens Xalil Aga 120 und ein Mann in dem Dorfe Argas 115 Jahre.