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Jum 27. Jernuccr: 1890!

Wie die Festcskerzen flammen heute dort im Kaiserschloß! Wohl, cs hat ein JHr vollendet wiederum der Zollernsproß, Der mit seiner VätU Throne Erbe ihrer Tugend auch Die sich täglich neu belebet an der Jugend frischem Hauch.

Und des Volkes alte Liebe rankt sich um den Kaiser neu, Millionen Herzen schlagen ihm entgegen warm und treu Von des deutschen Meeres Borden bis zum steilen Alpenwall Denken seines Wiegenfestes heut' die Deutschen überall!

Kaiser Wilhelm, der des Reiches Scepter trägt in starker Hand, Kaiser Wilhelm, dem in Eintracht zugethan das Vaterland, Hält mit seines NamenS Zauber glorreich fest die Friedenswacht, Daß uns nimmer mag bedrängen blut'gen Krieges schlimme Macht.

Wie die Festeskerzen flammen heute dort im Kaisersaal: Mögen sie Ihm Glück bedeuten, Glück den Seinen allzumal! Holden Bund, den Er geschlossen,rcichsterSegen schon entsprang Möge Gott Ihn Weiler schirmen gnädiglich Sein Leben lang!

e k e H r L.

Novelle von F. Stöckert.

Nachdruck verboten.

15 .

Mit solchen Gedanken zermarterte Dora stundenlang ihr Gehirn, bis es sie Hinaus­trieb aus dem Garten in'S freie Feld, wo sie herum lies bis es abend wurde, und wallende Herbstnebel überall geisterhaft em­porstiegen. Die Nacht aber brachte ihr keinen Schlaf, trotzdem sie totmüde von ihrem Spaziergang nach Hause gekommen war. Nur zeitweise schlossen sich ihre müde» Augen zu einem unruhigen Schlummer, in welchem sie die aufregendste» Träume quäl­ten ; die ihr all die Schreckensbilder des Brandes wieder vor Augen führten. Sie sah dann im Traume Born leblos hinge- strcckt auf der Bahre liegen, sie sah wieder sein blasses, blutüberströmtes Antlitz. Das Erwachen aus diesen Träumen erschien ihr eine Wohlthat. Er lebte ja, er war ge­rettet I

Ja das Leben war ihm wiedcrgcschunkt! Und wie Alle, die nach langer Krankheit genesen, empfand es Born wie eine Him­melsgabe, als er heute zum ersten Mal in dem Garten des Arztes hin und her ging, und die milde, warme Herbsilust ihn schmei­chelnd umfächelte. Er freute sich der Blu­men und des Sonnenscheins. Hatte er doch alles dies lange Tage entbehrt, und nichts gesehen als die Wände seines Krankenzim­mers und das gleichgiltige Gesicht seiner Wärterin, und die Aerzte, die um ihn be­schäftigt waren. Mit vollen Zügen' atmete Born die milde Luft, und wie neue Lebens­kraft und Lebenskraft und Lebenslust über­kam eS ihn

Er dachte dann auch an Dora ; der Doc- tor hatte ihm heute gesagt, daß Dora ihren Beistand bei der Pflege Born's angcboten daß er sie aber zurückgewiesen habe, da grade Dora zu nichts weniger lauge, als zur Krankenpflege. Born hatte nichts weiter darauf errwidert, ober als er jetzt allein au den schmalen Gartenwegen hin nnd her ging, malte er cs sich aus, wie süß cs hätte sein müssen, wenn das geliebte Mädchen, nur dann und wann an seinem Schmerzenslager erschienen wäre.

Eine namenlose Sehnsucht erfaßte ihn nach einem Wiedersehen mit ihr. Nun muß­ten ja alle Zweifel weichen, lind es klar zwischen ihnen werden. Aus den Schreck­nissen jener Brandnacht mußte die Liebe geläutert und hell für beide empor lodern Nicht nur bei ihm, auch bei Dora konnte es nicht anders sein. Sie mußte ihn ja

ber Blick irrte bei dem letzten Gedanken an B. linker Seite herunter. Es war ja für sie geschehen. Für sie, die da einst voll Uebermut erklärt hatte: Sie glaube an keinen Heroismus der^Männer mehr, und die Liebe begeistere keinen zu großen Thaten. Nun vielleicht hatte er sie jetzt doch eines besseren belehrt, und sie ließ wenigstens Ausnahmen gelten und stellte ihn wohl schwerlich jetzt noch in eine Rubrik mit jener Sorte von Männern, die nur des Goldes und Wohl­lebens halber Liebe heucheln und dement­sprechend heiraten. Zu solchen Männern rechnete Born auch den schönen Leonhard. Nein, diesen Rivalen fürchtete er jetzt nicht mehr I Ueberhaupt keinen, denn es dünkte ihm eine unumstößliche Gewißheit, daß Dora nun zu ihm gehörte für alle Zeiten.

Nach einigen Tagen gestattete der Arzt seinem Patienten weitere Spaziergänge. Der Himmel war zwar grau und wolkenschwer, die Natur hatte ihre trügerische Maske ab­gelegt und zeigte ihre düstere herbstliche Physiognomie unverhüllt. Herbststürme weh­ten und fegten erbarmungslos die letzten welken Blätter von Baum und Strauch. Der Fluß schlug förmliche Wellen, und in dem kleinen Stadtwalde rauschte cs in den entblätterten Zweigen wie Sterbelieder der Natur. Sogar die alten hundertjährigen Eichen wurden vom Sturm erfaßt und ge­rüttelt, als wollte er sie entwurzeln, doch sie standen fest und unerschütterlich, und nur einzelne dürre Zweige vermochte er ihnen zu entreißen. Draußen ans der Haide aber war es totcscinsam, ihr rotes Kleid war grau und farblos geworden, und ein Hauch düsterer Melancholie lag über der öden Fläche, die sich ins Unendliche zu er­strecken schien.

Für Born jedoch schien diese trübe Land­schaft einen eigenen Zauber zu haben, fast täglich lenkte er seine Schritte nach dem einsamen Haidewege nnd sein Gang halte dabei etwas elastisches, als trüge ihn ein heißes Sehne» nach jener öden Fläche.

Er hoffte Dora hier zu finden/ und hier, uubeobachlet von fremden Menschenauge», vaö ersehnte Wiedersehen und Wieder- finden zu feiern.

-Auch heute, an einem trüben November­tag, hatte er wieder diesen Weg eingeschlagen. Grau und farblos lag die einlönige Land- jchafl vor ihm. Born schritt langsam nach der Stelle, wo er vor langen, schweren Wo­chen Tora in der Haide gesehen. Die alte Haide zitterte leise im Winde, und auf dem Stein unter ihr, in einen grauen Regen- , . mamel gehüllt, saß wirlich Dora Schmidt,

lieben, trotz seiner Verunstaltung. Ein trü-sUm den Kopf hatte sie ein schwarzes Spitzen-

tnch geschlungen, und das kleine blasse Ge­sicht blickte unendlich wehmütig aus dieser dunklen Umhüllung. Born atmete tief auf als er Dora erkannte.

Nun war er da, der ersehnte Augen­blick, der ihn reich entschädigen sollte für Alles, was er gelitten.

Dora !" rief er, mit leidenschaftlich be­wegter Stimme.

Das junge Mädchen sprang auf, ein jähes Rot flog über ihr Antlitz, und ein Freudenstrahl brach aus ibren Augen.

Er ist es, er kommt, er sucht mich," jubelte es in ihrem Innern,nun muß ja alles Leid ein Ende haben."

Born war langsam näher gekommen. Jetzt stand er vor ihr und blickte fragend und bangend in die braunen Augen Dora's.

Wie mit irren Blicken sahen dieselben zu ihm auf. Ein verzweifelter Schrei drängte sich dann plötzlich von den Lippen Dora's und tönte fast schaurig durch die stille Haide.

Ach so verwandelt, so bis zur Unkennt­lichkeit entstellt, hatte sie sich sein jBild, das ihr Tag und Nacht vorgeschwebt, nie vor­gestellt, trotzdem sie cs gewußt, daß Born durch das Unglück verwundet und verstümmelt worden war I

Rote Brandnarben leuchteten in Born's blassem Gesicht, über dem einen Auge lag eiue schwarze Binde und der linke Rock­ärmel hing schlaff herunter, Born's linker Arm fehlte.

Entsetzlich I" stöhnte Dora und ein Thränenstrom brach aus ihren Augen.O Gott, und das Alles, Alles um meinetwillen! Wie kann ich Ihnen je danken!"

Ueber Born's Züge zuckte es seltsam. Das also war das ersehnte Wiedersehen I Nur Schrecken und Entsetzen schien sein An­blick bei Dora hervorzurufcn, und nichts von alledem was er erhofft und ersehnt, leuchtete in den erschrockenen Augen Doras.

Es waren wohl Fieberphantasieu gewesen, die solche thörichten Träume in seinem Kopfe gezeitigt, und in diesem kleinen fass­ungslosen Mädchen, das da weinend vor ihm stand, so etwas wie eine große Frauen- scele gesucht hatten, eine heroische Seele, wie sie die reiche Phantasie großer Dichter wohl zu ersinnen vermag, aber die Welt und besonders die Welt einer kleinen Stadt nicht aufznweisen vermag.

(Fortsetzung folgt.)

Schlittschuhläuferin. Ich Aermste nicht in diesem Jahr DaS Lied zu singen weiß:

Es führen uns im Januar Die Männer ans das Eis."

Verantwortlicher Redakteur: Bern harv Hofmann.) Druck und Verlag von Bernhard Hofmann in Wildbaiu