Jagdschloß Mayerling. Aus Wien wird dem „Hamb. Corresp." geschrieben: Kaiser Franz Joseph hat beschlossen, das Jagd- schlößchen Mayerling, in welchem Kronprinz Rudolf sein erschütterndes Ende fand, vom Erdboden verschwinden zu lassen. Gleich nach dem Eintritt des Frühjahrs wird die Niederreißung beginnen. Nachdem diese möglichst rasch beendet sein wird, soll ein Eichenwald an die traurige Stelle gepflanzt werden, uni sich mit den umliegenden Forsten zu einem ganzen zu verbinden. Wald und Grund gehen in das Eigentum des Stiftes über.
— Im Lager von Adlcrshot (England) rüstet man sich schon auf den Besuch des des Kaisers Wilhelm. Zu den zu dessen Ehren stattstubenden Truppenübungen soll ein ganzes Armeekorps zusammengezogen werden.
— Bor nicht ganz zwei Jahren wurde der wohlhabende jüdische Kaufmann Strelitz in Tremessen (Posen) in seinem Hause tot und beraubt aufgefunden. Strelitz war von einer unbekannten Person überfallen und entsetzlich verstümmelt worden. Der Mörder, der einen größeren Geldbetrag mit sich
Künstterbcchnen.
Novelle von F. Stöcke rt.
Nachdruck verboten.
17.
„Mein Vater ein Geigerl" rief Magnus jetzt mit leuchtenden Augen. „Ach, Onkel cs ist das erste Mal, daß Du in meiner Gegenwart von ihm redest, warum muß es in so bittern Worten geschehen. Ich weiß so gar nichts von ihm, an meiner Mutter Grab hast Du mich wenigstens einmal hiligeführt, ober wo mein Pater gestorben und begraben, hast Du mir nie gesagt."
„Weil ich eS selbst nicht weiß; Als Deine Mutter mich an ihr Sterbebette rief, hatte der Elende sic längst verlassen, angeb- ' lich um in Amerika goldene Schätze für die Seinigen zu erwerben. Die arme Thö- rin hat an ihn geglaubt, ihn geliebt bis zu ihrem trostlosen Ende."
„Dann wäre also eine Möglichkeit, daß er noch lebt!"
„Möglich ist es schon, vor Jahren, als Du als kleines Kind in unser Haus gekommen, habe ich einmal einen Brief von ihm erhalten."
„Und hast Du ihm geantwort?"
»Za, ich habe ihm mitgeleilt, daß seine Frau gestorben, und ich sein Kind ausgenommen, aber nur unter der Bedingung, daß er, Dein Vater sich gänzlich lossage von Dir nud unserer Familie."
„Und er hat es gethan!" rief MagnuS erschüttert.
„Nun das war vielleicht sein geringstes Unrecht. WaS hätte er bei seinem Vaga» bondenleben mit»-Dir beginnen sollen I"
Magnus war auf einen Stuhl gesunken, der Gedanke, daß sein Vater noch leben könne, ließ ihn momentan Alles andere vergessen. „Wenn ich ihn wiederfände, meinen Vater!" murmelte er. —
„Danke Gott, wenn Du ihn niemals wiedcrsiehst," sagte Herr v. Senden finster, „und nun genug davon! Augenblicklich bin ich uoch die einzige Autorität für Dich, deren
genommen hatte, konnte trotz aller Bemühungen nicht ausfindig gemacht werden. Erst vor kurzery ist er in Amerika in der Person eines gewissen Lange ermittelt worden. Wie der Magdeb. Ztg. gemeldet wird, traf Lange dieser Tage gefesselt im Gerichtsge- sängnis zu Gnese» ein.
— Ein guter Tropfen, gebraut auS Malz und Hopfen, wird den Teilnehmern der Wiß- mann-Expedition unter der heißen Sonne Ostafrika nicht fehlen. Kommerzienrat Pschorr hat Herrn Wißmann 1000 Flaschen seines Bieres zur Verfügung gestellt und v. der Spatenbrauerei sind mehrere Tausend Flaschen nach Sansibar abgegangen.
— Man schreibt aus Bamberg, 5. März: Ein origineller Diebstahl ereignete sich gestern unweit der Nonnenbrücke während der Straßenproduktioncn einer Kameltreiberbande. Letztere hatte u. a. auch einen kleinen Affen bei sich. Ehe man sich versah, schlüpfte dieser behende Vierhänder in das Comptoir ciues Großhändlers und eignete sich, ohne daß es dessen daselbst anwesende Tocht-r hindern konnte, zwei auf dem Pulte liegende 20 Mark-Rollen (in 20 Pfg-Stücken) an Flugs steckte der Dieb seinen Raub ins
Maul, sprang hinaus aus die Straße und eilte mit dem Gelde in den Gepäckwagen der Bande. Dort wurde der Raub mit Jubel begrüßt, doch sollte die Freude nicht lange dauern. Bald erschien nämlich der Gioßhandler und forderte fein Eigentum zurück. Man fand die eine Nolle unversehrt, die andere hatte der gewandte Dieb aufge- bisse», doch stappelte man das herumliegende Geld schließlich zusammen bis auf 40 die der Eigentümer großmütig den Fremdlingen überließ.
(Ordnungsinn. Die kleine Else: „Unser neues Dienstmädchen ist aber eine unordentliche Person, Mama!" —Wieso denn, Elschcn?" — Ja denke nur, die geht mit dem Zopf ins Bett!"
— (Ballgespräch.) Herr: „Ach, mein Fräulein, glauben Sic mir: Sie sind die Schönste auf dem ganzen Ball:" — Dame: „Sie Schmeichler!" — Herr: „Ohne Spaß (vertraulich: Sehen Sie sich nur einmal um, es ist ja gar nichts Gescheidtes da!"
.. (Liebevoll ) „Mein Mann ist doch zu gut: täglich überhäuft er mich mit den Beweisen seiner Liebe. Erst gestern hat er mich in die L-benSversichrrung eingekauft!"
Willen Du Dich zu fügen hast. Und ich verlange von Dir, daß Du weiter studirst, meinetwegen ergreife ein anderes Studium, wenn Dir die Medicin absolut widersteht. Werde Jurist, Geistlicher oder Phylologe, studiren aber mußt Du unbedingt, und das Musiktreibcn verbitte ich mir ernstlich."
„Das wirst Du nicht mehr können, Onkel I" rief Magnus trotzig, „eben so wenig wie Du mich zum Studieren zwingen kannst. Das Talent zur Musik, das schöne Erbteil meines Vaters, wird Dein despotischer Geist nicht mehr zurücktämmen, es bricht sich Bahn unaufhaltsam!"
In höchster Erregung war er aufgesprungen sein schönes Gesicht glühte, Heller Kampfcs- mut, strahlte in seinen Augen. Jetzt galt es, die Fesseln abzustreifen, frei zu werden um jeden Preis.
„Du wagst es wirklich mir zu trotzen!" rief Herr von Senden jetzt mit bebender Stimme. „Und wenn ich Dir nun sage, dann sind wir geschieden für immer, dann geh, verlaß mein Haus sogleich; sieh wie weit Du kommst mit Deinem sich unaufhaltsam Bahn brechenden Talent."
„Dann werde ich wohl gehen müssen," sagte Magnus ruhig, aber er war todtenblaß geworden, sein Blick irrte nach der Thür des Salons hinüber. Sollte er wirklich gehen, ohne Achschied von den ihm theuren Menschen da drinnen.
„Wollst Du Dich meinem Willen fügen oder nicht? fragte Herr von Seneen noch einmal.
„Ich kann nicht, Onkel."
„Dann — hier ist die Thür!"
Bebend vor Zorn, stieß Herr v. Senden die Thür auf, die nach dem Flur führte.
Magnus ging stumm hinaus, und donnernd siel die Thür hinter ihm in's Schloß. Er ergriff Hut und Ueberzieher und den kleine» Reisekoffer, was Alles uoch hier im Hausflur lag, und verließ das Haus, das ihm so lange Jahre eine Heimat gewesen.
»Um Gott, was ist geschehen, wo ist Magnus?" fragte Frau v. Senden erschreckt, als ihr Gemahl bleich vor Zorn und Auf
regung jetzt in den Salon trat. Die lauten Stimmen waren schon längst aus dem Wohnzimmer hier herüber gedrungen und hatten zu allerlei beängstigenden V-rmutungen Veranlassung gegeben. Und nun kam Herr v. Senden allein zurück, und beantwortete die angstvolle Frage seiner Frau mit de» kalten dürren Worte»: Daß MagnuS soeben für immer sein Haus verlasse. Betroffen blickte einer den andern an.
„Und Du hast ihn gehen heiße», heute am heiligen Abend hinausgeschickt in die kalte einsame Wintcrnacht, das kann nicht wahr sein Onkel!" rief Eveline endlich.
„Es ist wahr, Eveline, ich habe den Undankbaren für immer von meiner Schwelle gewiesen."
Eine unheimliche Stille folgte diese» Worten, dann schritt plötzlich Eveline entschlossen nach der Thür. „Wo willst Dil hin Eveline?" fragte Frau v. Bork.
„Ich will wenigstens Magnus Adieu sagen Mama!"
„Willst Du nicht erst die Gründe hören, die Herrn v. Senden zu solchem strengen Verfahren veranlaßten?"
„Nein, Mama, jetzt kann ich es nicht. Bitte halte mich nicht zurück", erwiderte Eveline und wandte sich dann au Walter, ihn zur Begleitung anffordernd.
Walter erhob sich mit einem scheuen Blick auf seinen Vater. „Du bleibst Walter!" rief dieser finster; „und auch Du, Eveline, thätest besser nicht hinter Jemand her zu laufen, dem ich die Thür gewiesen!"
Eveline zuckte ungeduldig mit den Schultern „ich gehe,? sagte sie kurz und bestimmt, und eilte zur Thür hinaus.
„Sie scheinen viel Autorität über ihre Tochter zu haben," wandte sich Hcr^ von Senden spöttisch an Frau v. Bork.
„Eveline thut nichts Unpassendes," erwiderte diese ruhig. „Was sic einmal für das Rechte erkennt, davon läßt sie sich von keiner Macht der Welt abbringen.
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Druck und «erlag von Bernhard H afmann in Wldbad.