Künstterbahnen.
Novelle von Stöcke rt.
Nachdruck verboten.
14 .
Auch der Doktor Kant folgt aufmerksam dem Vortrag. S>in Spiel ist wenigstens noch ruhig, teideufchaittoö, sagt er fick aber wie tauge! wie lauge noch? Mai, wandelt nicht ungestraft unter Palmen! Seinem Schicksal entgeht Niemand. Auch dieser junge Künstler nickt, den die Musen geküßt, ihm Schönheit, Talent, all ihre Gaben in so reichem Maße verliehen, so daß er dort staub wie ein Göttersohn, dem Alles zuflog, was das Erdculebeu nur versckör.en kann, auch die Gunst, der von ihm ange- betete» Frau! Ach, sein ganzes Leben lang hatte er nach einem bescheidenen Schimm, r davon gesckmacktet, und dieser AuSerwähtte »ahm es hin wie etwas Selbstveistänkliches.
Es war zum wahnsinnig werden.
Er mußte mit ihm sprechen, ihn warnen, — ihm sagen — Ja was?
Wer will solchen jungen heißen Herzen gebieten, die dennoch einander eiiMge» schlagen , unbekümmert um. hundert spähende Augen.
Und nun stand er doch plötzlich neben ihui in der traulichen Eckuische, wo das wunderschöne Antlitz der Diana von Versailles aus grünen Blattpflanzen hervorblickte, und hielt dem jungen Mann wunderliche wirre Reden von all den Gefahren der Residenz. Wie vor Allem Frauengunst Verderbenbringend sei I Und wie es gerade die Persönlichkeit sei phantastische Frauen- köpfe zu bethören. Und Irene v. Schönbronn habe einen solchen phanlastischen Kopf, und die Phantasie der Frauen treibe oft wunderbare Blüten. Er wollte ihn gewarnt haben I Sic sei so schön und verführerisch wie eine Sirene; aber er möchte doch ja suchen ans dem Bereich dieser Sirene zu kommen, ehe cS zu spät sei.
Magnus sah den so Redende» verwundert an, und in seinen dunklen Augen lag so viel gerechtes Staunen, so viel Unerfah- renheit, daß dieser seltsam davon berührt wurde. War denn solche Unschuld möglich hier in der Residenz, in diesen Kreise» I
„Ich Verstehe Sie nickt Herr Doktor," sagte Magnus endlich. „Frau v. Sckön- dronn ist ja sehr srennduch, sehr liebenswürdig zu mir; sie ist doch aber eine verheiratete Frau, und ick, eine Blntwelle stieg in sein Antlitz, — ich bin das ganz g wiß Nicht, wofür sie mich halten."
„Verzeihen Sie," erwiderte der Doktor etwas verlegen, „ich war wolst ein wenig vorschnell in meinen Combinaiionen; aber Vielleicht erinnern Sie sich dock einmal meiner Warnung, wenn einst ein holder Frauenmund Ihne» teS Lebensweisheit künden sollte."
Magnus lackte; „mich wrlangt durchaus nickt diese Weisheit zu hören."
„Welche Weisheit?" fragte da Irene, die diese letzten Worte Magnus im Vor- übergehen gehört und nun zu den Beiden herantritt.
„Der Herr Doktor warnt mich vor schönen Frauenlippen, die mir dieselbe» künden sollen," erwiderte MagnnS unbefangen. Die scköne Frau sieht mit einem eigen
tümlich leuchtenden Blick zu ihm auf. Dann wendet sie fick an Kant.
„Was meinen Sie damit gelrhrter Herr Tokior?" fragt sic mit der Unschuldsmiene eines Kindes.
„Was ich damit meine! Die Weisheit gnädige Frau, welche die Schlange der Eva schon im Paraditse kündete, diese Schlangcn- wciSheit, von der jedes Weib ihr Teil mitbekommt auf ihrem Lebensweg. Wir Männer sind leer ausgegangen, denn nur mit der Eva hat die Schlange geredet. In der Bibel wird allerdings nur erzählt, daß die Schlange zu dem Werbe sagt: Welches TageS ihr davon esset, so werden Eure Augen aufgelhan, und werdet sein wie Gott, und wisse», was gut und böse ist."
„Wie bibelhaft Sie sind Herr Doktor," ruft Irene lächelnd.
„Die Schlange hat ihr aber jedenfalls noch viel mehr gesagt," fuhr di.ser fort. „Sie hat ihr dre Macht ihrer Schönheit klar gemacht, ihr die tausend Künste der Koketterie gelehrt, womit die Frauen uns Männer bis auf den heutigen Tag zu Narren machen!"
„Zu Narren? Wie ungalant. Wissen Sie nicht, daß alle Koketterie anfhört, wenn eine Frau liebt?"
„Nein das weiß ich nicht, da mich nie eine geliebt hat."
„Dann können Sie eigentlich auch die Frauen nicht beurteilen. Sic armer Ungeliebter I" erwiderte Irene spöttisch, und wandte sich dann an ihren Gatten. „Nicht wahr Schatz Deine kleine Frau hat Dich noch nie zum Narren gemacht?" fragte sie schelmisch. —
Der Oberst wandte sich verwundert um, „Zum Narren? wie kommst Du darauf?
„O der Doktor stellt hier wunderbare Behauptungen auf, von der Schlangenweisheit der Frauen, ihrer Koketterie und dergleichen angenehme Eigenschaften mehr."
Einige Damen traten jetzt heran, das Gespräch wurde allgemeiner. Der Oberst erklärte zu Irenens Geungthuung: D-.ß die Frauen allein das Paradies auf Erden zurück zu zaubern verständen.
Womit natürlich alle Damen und auch einzelne Ehemänner sich einverstanden erklären.
,.O Weiber, Weiber! verschlagenes in- triguantes Geschlecht," murmelt der Doktor Kant, als er durch die »acklstillen Straßen seiner Wohnung zulckritt. — Er denkt a> Irene, wre sie sein Jugendlraum gewesen, wie ihr schönes Antlitz durch sin Leben geleuchtet - und nun — nun —
Er hat seine Wohnung sitzt erreicht und steht mitten in dem dunklen Zimmer, die Hände vor das Antlitz g preßt, auf die kalten Fingerspitzen lallen heiß Tropfen Er verwunden stch darüber, Thräne» sind ihm ja io etwas Frnndes, Unbekannns, unk als er Lickt angezündet, belächelt er fick leibst und seine Seelenstimmung Er letz! sich an de» Schreibtisch und verstricht sich von seiner dichterischen Phantasie hinwegtrogen zu lassen über das Misere des Erdendaseins. Es will ihm aber nicht gelingen, Irenens Bild verläßt ihn nicht, er sieht ihr lächelndes Antlitz, hört ihre spöttische Stimme rufen: Weißt Du dei n nicht, daß alle Koketterie aufhört, wenn eine Frau liebt, Du armer Ungeliebter.
Es ist Wkihuachtshciligalend, und Magnus tu findet sich auf der Fahrt nach Felsiiuck.
Munter rollt das luchte G>Ipann, das man ihm nach der Bahnstation gesandl, über den festg'srorenen Weg, um die alten hohen Tannen neigen wie grüßend die Wipsil.
Die Sülle und Einsamkeit hier, die mit dem geränlchvellen Leben in der Residenz, !die er vor einigen Stunden verlassen, seltsam coutrastirl, versetzt ihn in eine wehmütig nachdenkliche Slimmnng, dazu das Heimatsgesühl, dem er sich nickt verschließen kan», das jeder Baum, jeeer Strauch hier in ihm wach ruft. — Wie oft ist er mit Waller und Eveline diesen Weg gegangen. Dort an jener Walteslichinng hat er damals, als er nach Berlin ging, Abschied von ihnen genommen.
Wie lange dünkt das ihm schon; cs ist ihm, als wäre er ein ganz anderer seitdem geworden, als hätte er alles Knabenhafte, Unfertige längst adgestreist und könnte nun wohl sein Schicksal, unabhängig von Andern, sich selbst schaffen. — Da war er wieder aus dem Endpunkt seiner Gedanken angelangt.
Sein Schicksal sollte er sich selbst schaffen, unabhängig von seiner Familie, von seinem Onkel, der sein Talent, das doch sei» höchstes, sein heiligstes Gut war, wollte verkümmern lassen. — So ähnlich hatte Irene von Schöuborn zu ihm gesprochen, und ihm mit aller Ueberredungskunst klar zu machen gesucht: Daß es seine heiligste Pflicht sei, diesem Talent allein zu leben, solch ein Göttergeschcnk beanspruche denn auch, daß man sein ganzes Wollen und Können dafür einsetze. Und wenn sein Onkel dies nicht einsehen wolle, dann bleibet ihm eben nicht anderes übrig, als sich der Fesseln dieses bespoiilcheu vvcist.s .nttick zu entledigen, und der Heimat, die ihm ja doch eigentlich nie eine rechte Heimat gewesen, für immer de» Rücken zu wenden.
Der Heimat >ür immer de» Rücken wenden, eas ist leicht gesagi, und solch ein Kind dcr N fidenz wie Irene die bas wahre Heiinatögestühl ule gekannt, mag cs auch wohi so leichthin ausipreche».
Ach sie ivllte nur einmal durch solche» stillen Wald fahre», au weichen sich hundert KlNdbeilSeNnneeungeu knüpsen, und und am W.lyuackstsheiugabcnd, wo die Gedanken so wie so zur Kindheit zurückschweisen. Es würde sie auch packen, wie etwas Mächtiges, dem man nicht 10 reicht entrinnen kan».
In Irenens Sarve., dem schönen blassen Gestcht gegenüber, ihrer melodischen Stimme lauschend, die so üverzrug'.nd klingen konnte, da hat eö ihm so leichi geschienen, das Himmelsgesühl übee Bord zu werfen, für immer zu brechen mit b-r Vergangenheit, ein neues unabhängiges Leven zu beginnen. Aber heule, hur >n dein heimatlichen Wald, mußte >r stm doch sage», daß es nneudlich schwer sei, so sür immer sich losznsag-n von dem srüyeren Leben, nie wieder hierher zurückzukchren, nie wieder diesen stillen Waldweg mit Walwr und Eveline zu gehen au warmen Svurmeraben- den, wo die Luft so erfriichend tühl hier war. Nie mehr dort drüven auf der Haide zu liegen, wo der Himmelödom sich so mächtig über einem wölbte, und die Wolken sich zu so wundersamen Gebilden gestalteten.
(Fortsetzung solgt.)
Redaktion, Druck und Aerlag von Bernhard H a s m a nn in Midbao.