— (Der Rettig als Hausmittels Eine alte Vorschrift besagt: Der Rettig vermag den Appetit zu erwecken, wenn er vor der Mahlzeit, und die Verdauung zu fördern, wenn er nach derselben genossen wird, weil er eine stark zerteilende Kraft hat. Er verursacht aber Blähungen und Ausstößen. Des Rettigs Tugend in der Arznei ist, daß er den zähen Schleim im Körper zerteilt, die Brust räumt (Rettigsaft, Rettigbonbons), alten Husten stillt, sowie auch bei Steinbe- schwcrden und Wassersucht Linderung zu verschaffen vermag. Das aus den Wurzeln gebrannte Wasser, noch gräftiger aber der Saft, vermag gute Dienste bei Milz- und Leberleiden zu thun und wirkt treibend bei Nieren- und Blasenstein. Die Wurzel in dünne Scheiben geschnitten und mit Salz auf die Fußsohlen gelegt, zieht bei Fiebern die Hitze heraus und schafft den Wassersüchtigen Linderung. Und wenn solche Scheiben mit Zucker bestreut über die Nacht liegen gelassen werden, geben sie ein Wasser, welches die Finnen im Gesicht vertreibt.
— (Diurnist: „Sie haben's gut, Herr Speckle, Sic können sich alle Tage so oft satt essen und trinken, als Sic wollen, aber
unsereiner . . . !" — Fleischer: „Nun warum thun Sie's nicht?" — Diurnist: „Ach, du lieber Himmel! Wenn ich mich bei meinem Gehalt alle Tage satt essen wollt' — o lieber Gott, da war' ich schon längst verhungert!"
— (Rechtzeitig aufgcwacht.) Frau: hast Du geschlafen, Männchen? — Mann: O ich war sehr glücklich; denke Dir, mir hat geträumt, wir wären mit Deinem Bruder in Marienbad gewesen, und gerade wie er mich anpumpen wollte, bin ich aufgewacht.
— (Zurückgeschossen.) „Wie, Herr Hauptmann, Sie dienen schon so lange und haben noch keine Wasfenthat ausgeführt?" — „Man kann, wie Sie wissen, alt werden, mein gnädiges Fräulein, auch ohne Eroberungen gemacht zu haben."
Es ist im Leben häßlich eingerichtet.
(In verschiedenen Variationen.)
Es ist im Leben häßlich eingerichtet,
Daß bei der Wurst nicht gleich der Senf auch steht;
Und ist der Kellner auch dazu verpflichtet — Er bringt den Senf dir mehrschtenthääls zu spät.
Es ist im Leben häßlich eingerichtet,
Daß bei der Braut die Schwiegermutter steht, Und ob du gern auch hättest d'rauf verzichtet, Sie hängt an dir, wie's Eisen am Magnet.
Es ist im Leben häßlich eingerichtet,
Daß bei dem Treffer gleich die Niete steht, Wenn auf 3008 das große Loos sich richtet,
Du spielst 3909 -da hilft dir kein
Gebet.
Es ist im Leben häßlich eingerichtet,
Daß dir der Freund beim Keilen nicht bei- steht,
Und erst, wenn man dich gründlich zugerichlet, Da fragt er teilnahmsvoll, wie cs dir geht.
Es ist im Leben häßlich eingerichtet,
Daß bei der Leistung die Kritik gleich steht, Und was dein Herze Schönes hat gedichtet, Meist in den Abgrund des — Papierkorbs geht.
Merk ' s!
Wer nicht ein Weib zum Plaudern hat, Der plaudert selber gern;
Giebt's nichl's zu plaudern aus der Stadt, So lügt man's aus der Fern!
Gebeugt, aber nicht gebrochen.
Erzählung von C. Cornelius.
Nachdruck verboten.
15 .
Wie lieb, wie unendlich wert sind Sie mir nicht sckon in den wenigen Stunden geworden, die ich mit Ihnen genossen! —Und nun soll dies das letzte Mal sein, daß ich in Ihrer Nähe bin."
„Das letzte Mal, warum? Sie wollen doch nicht fort, Herr Roden, es sollte mir sehr leid thun. Sie wissen gar nicht, wie sehr ich mich jedesmal gefreut habe, wenn Sie bei mir waren und wie dankbar ich Ihnen bin."
„Ich bin zum Oberförster ernannt und nach Ostpreußen versetzt und muß in kurzer Zeit meine» Dienst dort antreten. Noch vor wenig Monaten wäre ich mit Freuden gegangen. Was mich hier fesselt, was mir meinen Abschied so bitter macht, ist meine Liebe zu Ihnen Fräulein Adele. Wenn ich die Aussicht hätte, einst wieder bei Ihnen sein zu können, mit Ihnen, der ersten und einzigen, die ich wahrhaft liebe, einst für immer vereint zu sein, dann wäre mir das Herz nicht so schwer!"
Daß Arnold solche Gefühle für sie hegen könne, war Abelen nie in den Sinn gekommen. Sie erwiderte leicht errötend:
„Reden Sie nicht so, lieber Arnold, es ist vielleicht ein augenblickliches Gefühl, welches Sie hinreißt. Wenn es Ihnen aber ein Trost ist, so mögen Sie wissen, daß es mir sehr leid sein würde, den Freund, den ich in Ihnen gefunden, zu verlieren. Sie werden es mir noch dereinst danken, daß ich Ihre Worte mit kühlem Verstände erwogen habe. Ich will Ihnen nicht weh thun, aber glauben Sic mir, die Verbindung eines so jungen Mannes wie Sie, mit einem älteren, zeitweise lebensmüden Mädchen ist unnatürlich und kann daher nicht glücklich sein. Ich weiß Ihre Gefühle zu ehren, aber ich bin fest überzeugt, Sie werden bald abge
kühlt sei». Sie werden mich vielleicht achten und wie eine Freundin lieben können, aber ich glaube nicht, daß Sie mich so liebe» können, wie sich Ehegatten lieben sollen."
Eine Thräne glänzte in AdelenS Auge, als sie so zu Arnold redete und ihm die Hand reichte.
Arnold drückte sie leidenschaftlich.
„Sv soll es denn nicht sein," sagte er leise. „Ich verehre Sie, liebe Adele, verehre Sic doppelt um dieser Worte willen, so unendlich hart mir dieselben auch sind."
„Beruhigen Sie sich, Arnold I Wir wollen beide diese Stunde zu vergessen suchen und treue Freunde bleiben! Sind Sie einverstanden?"
Die Stimme der kleinen Hertha rief plötzlich Adelen in das Nebenzimmer und weckte den Rittmeister aus dem Schlafe.
Das Sedan-Fest war wieder einmal herangetreten. Die Kirchglocke rief die Bewohner des Dörfchens Cattensausen zum Gottesdienst. Aus einer Reihe von Arbeiterwohnungen am Abhange des Berges schritten eine Anzahl festlich gekleideter Arbeiterfamilien mit Gesangbüchern in den Händen.
„Ob der alte Rittmeister auch wohl zur Kirche geht?" fragte ein junger Bursche einen älteren Mannn, der das Ansehen eines Aufsehers hatte.
„Er ist, so lange ich ihn kenne, fast jeden Sonntag hingegangen, aber am Sedanfeste blieb er immer aus. Er wird auch wohl heute nicht kommen."
„Nun, man kann es sich ja denken, ein aller hessischer Rittmeister kann auch nicht gut für den Kaiser beten. Ich begreife nur nicht, wie er uns gestern sagen konnte, wir sollten hevte alle zur Kirche gehen."
„Ich verstehe das ganz gut," erwiderte der Aeltere. „Er hat eingesehe», daß mit unpatriotischen Arbeitern nicht auszukommen ist. Vor einigen Jahren waren unter uns ein paar Sozialdemokraten, die ihm den Gehorsam weigerten und ihn durch Drohungen und Aufreizungen zwingen wollten, ihnen eine Menge unbilliger Zugeständnisse zu
machen. Er hielt sich tapfer. Erst als er und seine Tochter in ernstliche Gefahr kamen, zeigte er die Aufrührer an und die Regierung half ihm den Ausstand zu unterdrücken. Seitdem hält er darauf, daß seine Arbeiter alle gut deutsch gesinnt sind. Ich glaube, im Grunde ist er auch kein Rcichsfeind, wenn er sich auch mit den neuen Zuständen noch nicht ausgesöhnt hat. Er will nicht, daß die Leute über ihn schwatzen, deshalb spricht er seine Meinung nie aus. UnS kann es ja gleich sein, wie er denkt, wir haben es gilt bei ihm, wenn wir thun, was er will.
„Die Häuser an denen die Kirchgänger vorüber kamen, waren sämmtlich mit Flaggen und Kränzen geschmückt. Nur ein einziges Häuschen war in der ganzen Gegend, welches keinen Schmuck angelegt hatte. Es bedurfte dessen auch nicht, denn die Waldbäume beschatteten sein Dach und die deutschen Farben prangten — auf den Köpfen seiner Bewohner.
Vor der Thür stand ein gedecktes Tischchen, an welchem der weiße Joseph, seine Frau, die schwarze Lisbeth und der rote Frieder, ein schlanker 17jähriger Bursche, friedlich ihr Frühstück verzehrten. Alle drei sahen zufrieden aus. Joseph war kräftiger geworden unter der Pflege seiner fleißigen hübschen Frau. Lisbeths jetzige Kleidung glich der früheren ärmlichen nicht mehr. Nur das rote Tuch, welches sie über dem einfachen schwarzen Kleide trug, weil sie wußte, wie gut es ihr stand, erinnerte noch an ihre frühere Tracht. Frieders Haar hatte mit der Zeit ohne alle Hilfsmittel einen bräunlichen Schein bekommen, was seiner Mutter, trotzdem sie längst allen Aberglauben abgeschworen hatte, zur großen Freude gereichte. Er war der jüngste Arbeiter des Rittmeisters und zeichnete sich vor vielen anderen durch Fleiß und Redlichkeit aus.
„Guten Morgen ihr Leute," sagte freundlich eine wohltönende Männerstimme, und vorüber sckritt der neue Oberförster, dessen stattliche Gestalt sich in der kleidsamen Forstuniform sehr vorteilhaft ausnahm.
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag von BernhardHofmann in Mlddad.