Unter

Immerdar durch meine Seele Zieht ein trauervoller Klang;

Daß die Welterlösung fehle,

Klagt der Sehnsucht heißer Drang.

Sehnsucht ist's nach vollem Glückei Wenn es nicht der Welt gebührt,

Ist ihr Untergang die Brücke,

Die allein zum Heile führt.

Kann ich freuen mich des Schönen,

Das nicht mein und wenn es mein,

Kann ich mir die Welt versöhnen,

Die's entbehrt mit Neid und Pein?

Herzen brechen, Stürme heulen,

DeS Geschicks wird Keiner froh,

Wohn' er zwischen Marmorsäulen,

Oder unter'm Dach von Stroh.

g cr n g.

Denn umschlossen bleibt von Schranken Des Geschaffnen Eigenart;

Einsam leb' ich dem Gedanken,

Der nur mir sich offenbart.

Ew'ge Flamme der Befreiung Wär' geeint der Menschen Geist,

Der in Funken der Entzweiung Machtlos um das Dasein kreist.

Trennung baut sich immer trüber Zwischen allen Wesen auf,

Fremd und kalt an mir vorüber Nimmt das Liebste seinen Lauf.

Immerdar in meiner Seele Klagt ein trauervoller Klang,

Daß die Weltersöhnung fehle,

Und ersehnt den Untergang.

Gebeugt, aber nicht gebrochen.

Erzählung von C. Cornelius.

Nachdruck verboten.

14 .

So gern Adele jetzt ungestört Arnolds Gegenwart genossen hätte, der Gedanke an den Aranken ließ ihr dazu keine Ruhe. Sie müssen verzeihen, wenn ich Sie und den Vater vorläufig allein lasse," sagte sie, ich habe im Interesse des kranken Josephs einige Schritte zu thun."

Der Rittmeister forderte Arnold auf, mit ihm seine neuen Anlagen auf dem Berge zu besichtigen. Er fühlte sich ihm, als dem Begründer seiner jetzigen angenehmen Lage, innerlich zu Dank verpflichtet und fand auf­richtiges Wohlgefallen an dem bescheidenen jungen Manne, welcher um Adelenö und HcrthaS willen nie wieder ein Gespräch über die politische» Zustände der Gegenwart auf- konimen ließ.

Adele ging zur schwarzen LiSbeth. Sie erzählte ihr, daß der Joseph todkrank sei und verschwieg ihr auch die Ursache davon nicht.

Er läßt dich grüßen," sagte sie,und bitten, du möchtest den Frieder noch einmal zu ihm kommen lassen."

Hat er schon gebeuchtet," fragte LiS- hetb,oder will er alle seine Sünden mit ins Grab nehmen!

Seine Sünden? Was für große Sün­den hat der Joseph denn begangen, die er zu beuchten hätte? Wie ich ihn kenne, hat er, trotzdem er viel bitteres erfahren hat, nie einem Menschen etwas zu leid gethan."

Was er gethan hat, weiß ich auch nicht, aber sieht denn ein ehrlicher Mensch so aus wie er? Er kommt sicher in die Hölle."

Weil er rötliche Augen und weißes Haar hat? Wer hat denn dir das gesagt, Lisbeth?"

LiSbeth dachte nach.

Gesagt hat mirS wohl niemand, aber eS ist doch so."

Ich will dir etwas sagen Lisbeth, höre mich ruhig an. Du bist so stolz auf deine französischen Voreltern, die, wie du weißt, um ihres Glaubens willen verfolgt und ge­flohen sind. Weißt du auch, was sie eigent­lich geglaubt und gewollt haben?

Das wußte die verdutzte Lisbeth nicht zu sagen.

Das Fräulein fuhr fort:

Deine Eltern haben geglaubt, daß Gott geboten hat, wir sollen uns alle unterein­ander lieben wie Brüder, und daß der Herr Christus sich der Armen und Kranken er­barmt hat, ohne erst zu fragen, wie sie aus­sähen und wer sie seien. Sie haben einge- sehen, daß es großes Unrecht sei, arme un­schuldige Menschen, die nichts böses gethan hatten, zu quälen und zn verbrennen, wie es damals noch geschah, weil sie rote Augen hatten, denn Gott hat die Menschen alle geschaffen und rote Augen sind vor ihm ebensogut wie blaue oder braune.

AlleS das und noch viel mehr Gutes und Wahres haben deine Vorfahren schon erkannt und Gott hat ihnen geholfen und ihren Glauben beschützt. Und nun wolltest du, Lisbeth, noch denken, der Joseph käme in die Hölle, weil er rote Augen hat? Wenn deine Voreltern das sähen, sic müßten sich ja deiner schämen."

Ist das ganz gewiß wahr, Fräulein Adele, was Sie eben von meinen Voreltern sagten?"

Ja Lisbeth, du kannst dich darauf ver­lassen."

Nach kurzem Sinnen begann sie wieder:

Haben meine Vorfahren auch wähl rote Haare gehabt?"

Nicht alle, manche wohl, einige können auch wohl rote Augen und weißes Haar ge­habt haben!"

Also da beschützt der liebe Gott auch den Frieder und den Joseph," entgegnete die einfältige Lisbeth.

Freilich, freilich, vor Gott sind alle Menschen gleich."

Jetzt glaube ich es auch, weil Sie es sagen, Sie sind ja so klug und so gut. Bestraft mich nun aber der liebe Gott, weil ich den Joseph nicht genommen habe?" frug wieder die schwarze Lisbeth.

Nein, Lisbeth, er wird sich aber freuen, wenn du jetzt an Joseph wieder gut machst, was du ichm zulcid gethan hast. Willst du zu ihm gehen, ihn pflegen?"

»Ja, Fräulein Adele. Soll ich gleich hingehen?"

Wenn du willst, ihn' cs nur, Hertha's Wärterin ist jetzt dort, sie wird dir sagen, was du thun mußt."

Hierauf ging Adele erleichtert wieder fort.

Der Rittmeister hatte sich zum Nachmit­tags-Schläfchen auf sein Zimmer begeben.

Arnold und Adele saßen beisammen im Schnatte alter Kastanienbänme.

Ich glaube, Fräulein Adele, Sie können Wunder thun," sagte Arnold,wie haben Sie cS nur fertig gebracht, die schwarze Lisbeth, die den Joseph so glühend haßte, zu dessen Pflege zu bewegen?"

Daß sie ihn haßte, glaube ich gar nicht. Ihre Versuche, es zu thun, waren nur ein Tribut, den sie ihrem Aberglauben zollte, nach welchem der Joseph wegen seines un­gewöhnlichen Aeußern der Hölle angehörte. Es war kein Kunststück, ihr dies auszuredcn, wir geben einen Aberglauben, der uns nach­teilig ist, gern auf. Ich glaube, sie Halden Joseph im Grunde gern, daher ließ sie sich ihren Wahn gern ausreden. Ich darf mir nicht schmeicheln, sie wirklich überzeugt zu haben, sie glaubt meinen Worten blindlings, teils, wie gesagt, weil sie ihr aus der Klemme halfen, teils auch weil sie mich für eine Autorität hält. Ich hatte schon früher vor, ihr diese mittelalterlichen Anschauungen aus­zutreiben, aber ich sagte mir, daß sie sie dann vielleicht nur scheinbar aufgcben würde, aus Furcht, meine Gunst zu verlieren und das wäre ja nichts wert gewesen. Die Lisbeth ist überhaupt mit Worten nur zu überreden, aber nicht zu überzeugen, da ihr leidenschaft­liches Gemüt ihr bei solchen Gelegenheiten kaum erlaubt, folgerichtig zu denken. Sie ist durchaus ein Gefühlswesen und kann nur langsam durch persönliche Erfahrung über­zeugt werden. Ich denke mit der Zeit wird es dahin kommen."

Es muß ein schönes Gefühl sein, Fräu­lein Adele, einen Menschen in dieser Weise wohl gethan zu haben. UeberflüssigcS Geld für milde Zwecke hingeben, ist vielen ein leichtes. Ein Herz für andere zu haben, für sie zu denken und ihnen Zeit und Mühe zu opfern, ist ein ganz anderer Verdienst."

Sie legen mir als Verdienst aus, waS nur Liebhaberei ist. Anfangs nahm ich mich der Lisbeth und ihres Kindes ein wenig an, um das drückende Gefühl eines nutzlosen Daseins zu besänftigen und daß mesn Vater meine kleinen Bemühungen oft belächelte, reizte mich, sie mit doppeltem Eifer sortzu- setzen."

Aber, Fräulein Adele, Sie hätten doch sicherlich keinen Grund ein Gefühl eignen Unwertes zu empfinden, wenn Sie nur be­dächten, was sie den Ihrigen waren und sind I

(Fortsetzung folgt.)

Stedaktivn, Druck und Verlag von Bernhard H o frn ann in Wldba»,