Rundschau.
Stuttgart, 17. Juli. Gestern abend wurde in der oberen Maricnstraße ein an ein Flaschenbierwägelchen gespanntes Pferd scheu und rannte mit seiner Last auf einen benachbarten Konditorladen zu. Sofort war Schutzmann Krauter I zur Stelle und fiel dem Pferde in die Zügel, wurde aber eine Weile geschleift, bis das Pferd eingefange» werden konnte. Durch das encrigische Vorgehen des Schutzmanns ist aber zweifelsohne ein grosses Unglück in der so stark belebten Marienstraße verhütet worden.
— Gestern abend nach 6 Uhr ist ein
23 Jahre alter Grabarbeiter in einem hiesigen Eiskeller circa 6 Dieter tief in einen Schacht hinuntergesallen und hat hiebei derartige Verletzungen erhalten, daß er heule nacht im Kalharinenhospital, wohin er verbracht wurde, gestorben ist.
Cannstatt, 16 . Juli. Beim Umbau des Hotels Hcrrmann wurden beim Abräumen des alten Holzes von den Kellerverschlägen in einem Zapfenloch von einem Maurer
24 Stück '/s-Guldeiistücke gefunden. Sämtliche Münzen, aus den 40er Jahren stammend, sind noch wie neu. — In der Nacht vom 13. zum 14. d. M. wurde in der Bettfcdernsabrik von Straus und Cie. dahier ein frecher Diebstahl ausgeführt. Der oder die Diebe stiegen über das Dach des Fabrikgebäudes in den Hof und von hier in das Eoniptoir, aus welchem sie 10 Bureauröcke stahlen. Die Kaffe zeigte Spuren von versuchter Oeffnung. Fünf der Röcke fanden sich am Samstag früh unter einem Hcu- schochcn am Haldenweg versteckt vor.
Fenerbach, 21. Juli. Freitag mittag 12^/t Uhr wurde im hiesigen Tunnel der Eisenbahnarbeiter Rommel aus Stammheim bei Ludwigsburg durch den Calw—Stuttgart Zug überfahren und am Kopf schwer verletzt. Mit dem nächsten Zuge wurde er in das Spital nach Stuttgart verbracht. Rommel ist circa 40 Jahre alt und Vater von fünf Kindern.
Von der Jagst, 19. Juli. Bei dem Lauern Karl Stephan in Oberaspach, OA. Hall, hat am 1. d. M. der Dicnslknecht Johann Bernd von Schmierhaus, OA- Crailsheim, ein Brett angezüudct, so daß dieses, wie auch eine nahe Brettervertäferung in Hellen Flamen stand. Das Feuer wurde schnell unterdrückt. Die Verabreichung von zu wenig Getränk gibt der Brandstifter als Grund der That an. Er wurde aus dem Dienst gejagt. Gestern ist rc. Bernd in Crailsheim durch den Landjäger von Jls- Hofen verhaftet worden. — Heute früh haben sich sehr viele Leute auf den Tempelhof begeben, wo an diesem Tage das Jahresfest der seit 1843 bezw. 1845 bestehenden Anstalten gefeiert wird.
Wurzach, 18. Juli. Am 10. Juli entfernte sich der ledige Bauer A. Sch. von Obcrziegelbach heimlich von seinem Hof, nachdem er zuvor bei der Behörde sein Testament qeponiert halte. Da der junge Mann laut O. A. seit einiger Zeit an Verfolgungswahn litt, so besorgtendieVerwandtcn dasSchlimmste, konnten jedoch nicht die geringste Spur von dem Verschwundenen gewinnen, bis gestern abend dessen Leichnam von zchei hiesigen Bürgern bei der Niedermühle aus den Fluten der Aach gezogen wurde. Aus dem Aussehen der Leiche und dem Umstand, daß bei derselben ca. 40 Geld und die sonstigen
Effekten sich befanden, ist zu schließen, daß der geistesgestörte Mann gleich nach seiner Entfernung von Hanse den Tod selbst im Wasser gesucht hat.
Bieringen, 17. Juli. In Ncustetten wurde vorige Woche der frühere Besitzer der dortigen Mühle als Leiche aus dem Räderwerk gezogen. In der Mühle fanden sich aber Blutspuren, welche den Verdacht erregten, baß ein Verbrechen vorliege. Nach der gerichtlichen Inspektion wurde der jetzige Besitzer der Mühle verhaftet. Personen, welche in der Nähe der Mühle wohnen, wollen laut Tüb. Chronik Hilferufe gehört haben.
Von der Eyach, 19. Juli. Letzten Montag verünglückte in Jmnau ein 19jährigeS Mädchen, das einen Zugstier, der sich beim Ausspannen losriß und davonsprang, zurücktreiben wollte; derselbe stieß das Mädchen zu Boden und trat eS auf Unterleib und Brust. Eine heftige Gehirnerschütterung beim Fallen bewirkte eine bis heute fast ununterbrochen andauernde Bewußtlosigkeit.
Anlendorf, 19. Juli. Gestern abend verunglückten im Torfried bei OtterSwang laut O. A. beim Torfführen 2 Knaben, die vom geladenen Wagen herunterstelcn, da sich ein Brett losspieltc und die vorgespannten Ochsen durchginge». Hiebe gerieten die Knaben unter das Fuhrwerk. Der eine derselben, ein 15jäh,igrrBursche, derdasFuhr- wcrk lenkte, kam mit einer Kopfwunde davon; der jüngere dagegen, ein 7jähriger Knabe aus Herbertingen bei Saulgau, der in Otters- wang auf Besuch weilte, blieb auf der Stelle tot.
Kronstadt, 19. Juli. Um 1 Uhr 12 Min. nachmittags wurde der Dampf des deutschen Geschwaders hie sichtbar. Die hier befindlichen Kriegsschiffe erwarten dasselbe in Paradcstellung, alle Schiffe im Hafen prangen im F l a g g e n sch m u ck; eine große Anzahl von Privatdampfcrn, überfüllt von Menschen, harrt auf der Außenreede , und von Petersburg ist zahlreiches Publikum eingetroffen, um der Ankunft des deutschen Kaisers beizuwohnen.
Petersburg, 20. Juli. Die Ankunst des Kaisers Wilhelm auf der von dem deutschen Geschwader gefolgten Jacht Hohenzollern wurde mit Salven von den vor Kronstadt versammelten russischen Kriegsschiffen und den Geschützen der Kronstadter Forts begrüßt; die russischen Kriegsschiffe befanden sich in ParadesteUung, ebenso die Mannschaften des Forts. Alle Musikkapellen spielten die preußische Natinalhhmne. Kaiser Wilhelm trug das große Band deö Andreasordens, er stand auf der Kommandobrücke des Hohenzollern und grüßte, worauf von den Schiffen und den Forts mit Hurrah- rufen geantwortet wurde. Die russische Kaiserjacht Alexandria hatte die Katserflaggc gehißt und erwartete die Jacht Hohenzollern auf der kleinen Reede, wo außer den russischen Kriegsschiffen Hunderte von Privat- fahrzeugcn mit Zuschauern ausgestellt waren. Die deutschen Kriegsschiffe ankerten auf der großen Reede. Die Jacht Alexandria nahm an Bord den deutschen Kaiser und dessen Gefolge auf und dampfte hierauf unter dem Salut sämtlicher Schiffe nach dem Peterhofer Kriegshafen, wo im Pavillon die Be. grüßung der Kaiserin von Rußland stattfand. Kaiser Wilhelm, die Front der Ehrenwache abschreitend, nahm den Rapport entgegen unter den Klängen der preußischen
Hymne; hierauf erfolgte die Abfahrt ins große Palais. Die beiden Kaiser fuhren zusammen, ebenso der Thronfolger u. Prinz Heinrich, weiterhin die Kaiserin und die übrigen Glieder der russischen Kaiserfamilie, sämtlich in offenen Wagen; zu beiden Seiten des Weges bildete das Militär Spalier. Um 7'/s Uhr war Familiendincr.
Kronstadt, 20. Juli. Die Kaiserjacht Hohenzollern traf gestern nachmittag 4'/, Uhr- unter Salutschüssen aller Forts und Kriegsschiffe ans der kleinen Reede hier ein, woselbst alsbald die Begrüßung des Kaisers Wilhelm durch Kaiser Alexander erfolgte.
Pkterhos, 20. Juni. Stach der Begrüßung fuhren beide Kaiser auf der russischen Jacht Alexandria unter den Salutschüssen der Geschütze an Kronstadt vorüber nach der hiesigen Ladungsbrücke. Kaiser Wilhelm trug die Uniform des Petersburger Grcnadierregi- ments, der russische Kaiser die Uniform des preußischen Alexander-Regiments. Kaiser- Wilhelm verließ die Jacht Alexandria zuerst und eilte auf die auf der Ladungsbrücke stehende Kaiserin von Rußland zu, welcher er die Hand küßte. An der LadungSbrücke stand das glänzende Gefolge des russischen Kaiserpaarcs und die Ehrencompagnie der Marinegarde, welche die deutsche Nationalhymne und den Präsentiermarsch spielten und den Kaiser mit dem russischen Willkommruf begrüßten. Nachdem beide Kaiser die Front der Ehrencompagnie abgeschritten, bestiegen sie den Wagen und begaben sich nach dem Schloß. Im ersten Wagen fuhren beide Kaiser, im zweiten Prinz Heinrich und der Großfürst-Thronfolger. Bei der Ladung und der Weilerfahrt wurden die beiden Majestäten von einer große Menschenmenge aufs lebhafteste und enthusiastische begrüßt.
Belgrad, 20. Juli. Die Nachricht, daß jetzt schon eine dfinitive Entscheidung in Sachen der Ehcscheidungsangelegenheit des serbischen Königspaares und zwar gegen die Trennung gefallen sei, wird widerrufe»; doch wird betont, daß die Opposition eines Teils der höheren Geistlichkeit gegen die Scheidung immer markanter werde. Die Bischöfe möchten eine königliche Ordre erzielen, welche ihre Verantwortung deckt. Uebrigens wird wiederum gemeldet, daß einflußreiche Ver- mittclungSversuche zwischen den Ehegatten im Werke sind.
— I» dem Städtchen Neumarkt bet Nürnberg ist die große Goldschmidtsche Ve» locipedfabrik total abgebrannt.
— Auf den K. Forstamtsassessor Karl Elsner von Stauf (Bayern) wurde am 14. ds. abends 10 Uhr, als er von ceinem Waldgange nach Hause kam, im Garten seines Wohnhauses ein Schuß abgefeuert, so daß er sofort zusammenstürzte. Einige Schrote gingen ihm durch die Lunge; da er auch sonst nicht unerheblich am Oberkörper verletzt wurde, so ist sein Zustand ein hoffnungsloser. Ueber den Thäter und dessen Motive fehlt bis jetzt jede Mutmaßung.
— Nach nur viertägiger Krankheit starb am Dienstag das 11jährige Töchterchen des Herrn Rechtsanwalts Medikus in Würzburg. Dasselbe hatte sich durch das Tragen von blauen, mit giftigen Stoffen gefärbten Strümpfen eine Blutvergiftung zugezogen.
Wien, 20. Juli. In dem berühmten Schloß Suelly des Grafen Battyanyi in Preßburg zündete der Blitz und äscherte dasselbe lvtal ein, Verunglückt ist Niemand,