Kruß an

Gott grüß euch, ihr Blumen, ihr lieblichen Kinder, Ihr Repräsentanten vom himmlischen Flor;

Ob ihr auch verblühet, ihr haltet nicht minder Das Banner unsterblichen Lebens empor.

Denn wenn auch der Glanz eurer Blüten zerstoben, Genährt einst vom sonnig belebenden Schein,

Und Sturme des Winters ein Tvtenkleid woben,

Ein Aufersteh'n tagt auch in's blumige Sein.

Was zagst Du, o Mensch, dann, wenn irdisches Leben Dem Winter gleich Wange und Haupt Dir umzieht Und blnmengleich Frische und jugendlich Streben Im starrenden Eise des Alters vergleicht?

Mtumen.

Blüht nicht auch ein Frühling voll neueren Strebens Aus moosiger Decke des Grabes hervor,

Und trug nicht der Zweck Deines Daseins und Lebens Den Geist Dir hellerem Lichte empor?

Denn Winter haust nimmer vernichtend da droben Und keine die Schönheit vernichtende Macht.

Frei schwebt von unsterblichen Reizen umwöben Der Mensch und die Blume in ewiger Pracht.

So lieblich hat Gott einst mit Blumen geschmücket Die Erde für uns're zu pilgernde Bahn,

Daß Auge und Herz sich an ihnen erquicket Als Sinnbild von unscrm oft schwankenden Kahn.

die

Gebeugt, aber nicht gebrochen.

Erzählung von C. Cornelius.

Nachdruck verboten.

6.

Die traurige Wirklichkeit verscheuchte süße Träume von Jos,phs Geiste als er am fol­genden morgen erwachte. Er suchte noch fortzuträumen, aber als es ihm nicht ge­lingen wollte, stand er auf. Das einzige, was seine Wehmut besänftigen konnte, war der Anblick seiner in den schönsten Farben blühenden Nelken, welche von der Morgen­sonne beleuchtet auf ihren Beeten prangten. Zu ihnen lenkte er seine Schrille. Was glänzte dort unter jener feuerfarbigen Blüte? Jetzt bewegte sich etwas weißes. Joseph trat näher und erblickte ei» größeres gläsernes Gefäß mit zwei weißen, rotäugigen Mäusen. Er fühlte daß man ihn durch dieses Ge­schenk verspotten wollte.. Sollte die Lisbelh das gethan haben? DaS war ihm doch zu viel. Er stöhnte laut.Wäre ich doch bei meiner Mutter I Leben mag ich nicht länger!"

Aber sterben mochte Joseph auch nicht. Auch seine Selbstmordgedanken wichen dem Vernunftgrunde, daß es doch jetzt mit ihm nicht anders bestellt sei, als vor seiner Werb­ung. Früher hatte er einsam leben können, warum denn nicht auch fernerhin? Nur rvollte er den Menschen von jetzt an noch mehr aus dem Wege gehen, er wollte sie hassen und besonders die schwarze Lisbeth. Aber die Mäuse sollten sterben. Wie war das nur anznsangen?

Ein Tier ivdschlagen konnte Joseph auch nicht. Er kam zu dem Entschlüsse, sie an den Bach zu tragen und zu ersäufen. Plötzlich fiel ihm ein, daß er, wenn er noch leben wollte, auch essen müsse. Er fühlte heftigen Hunger und ging ins Haus um sein Morgenbrot zu verzehren. Das Glas mit den Mäusen nahm er in die Hand.

Als er essend am Tische saß, fingen die Tierchen an zu piepen.

Sie haben gewiß auch Hunger, dachte Joseph, und gab ihnen ein Stückchen Brot, welches sie begierig verzehrten.

Es sind doch hübsche Tiere, ich mag sie doch nicht ersäufen, sie haben mir ja auch nichts zu leid gethan. Ich weiß was ich thue, ich behalte sie bei mir. Und dabei blieb's. Es dauerte nicht lange und der einsame Joseph hatte seine weiße» Mäuse so lieb, daß er sie nicht mehr hätte ent­behren mögen.

Der Schulmeister Kupfrian in Catten-

Urtzaktion?

Hausen nahm feierlich seine Hornbrille von der Nase. Er hatte eben das letzte Rechen­heft bei Seite gelegt mit der Unterschritt: Heinrich muß nächstens Klexe und Esels­ohren zu vermeiden suchen," und sich vor­genommen, mündlich hinzufügen : sonst ziehe ich ihn an seinen Eselsohren.

Teils der bei seinem eben entwickelten AmtSeifer entstandenen Wärme, teils der Sparsamkeit wegen, hatte der Schulmeister seinen Schulrock, an welchem beim besten Willen nickt mehr viel zu verderben war, an den Nagel gehängt und ließ die lustigen Sommerwinde, welche neckisch durch das offene Fenster hereindrangen, in seinen auf- geknöpiten Hemdsärmeln spielen.

Mit Philosophenmiene blickte Kupfrian den blauen Dampfringen nach, die er aus seiner Pfeife musterhaft zu blasen verstand. Er hatte wirklich wichtiges zu bedenken, da morgen seiner Frau Geburtstag war, der erste in ihrem jungen Ehestande. Er wollte seinem Lorchen eine ganz besondere Freude machen, es war aber noch zu überlegen, welcher Art dieselbe sein sollte. In seiner Liebe hätte er sein halbes Vermögen daran gesetzt, wenn er solches besessen hätte. Die kleine Frau war so glücklich und so stolz auf ihren klugen Mann, daß sie gar keinen Wunsch mehr hatte. Sie liebte die Blumen. Halt! das war ein vortrefflicher Gedanke.

Noch heute abend, sagte Kupfrian zu sich selbst, will ich zum weißen Joseph gehen und ihr einen Topf mit blühenden Nelken kaufen, so rot, wie sie nur zu haben sind.

Aber das war noch lange nicht genug. Was für Liebhabereien hatte Lorchen noch außerdem? Sie hörte gern Musik. Auf seinem alten Klaviere waren noch einige ganz gute Töne und sie hatte es so gern, wenn er ihrdie erste Liebe" vovspielte oder ihrDu, du liegst mir im Herzen" vorsang. Doch das konnte sie alle Tage haben.

Wie wär's, wenn ich ihr ein Ständchen brächte, wenn ich mich morgen ganz früh in den Garten schliche und sie mit einem schönen Liede aus ihrem Morgeutraume weckte. Und wen» sie dann ans Fenster tritt, soll ihr erster Blick auf die Nelken fallen, die ich vorher auf das Fensterbrett setze. Ja so folls werden.

Kupfrian konnte beim Nachtessen kaum seine Freude vor seiner Frau verbergen, als er sagte, er müsse durchaus noch einmal ausgehen, und Lorchen stellte sich auch, als merke sie nichts.

Als Kupfrain beim weißen Joseph an­langte, war dieser gerade damit beschäftigt, große Leinwand-Zelte über seine Nelkenbeete auszuspannen, zum Schutz gegen den in der

Druck und Perlag von Bernhard Hojmann

Ferne drohenden Gewitterregen, der in diesen Gegenden leicht Hagel mit sich führt. Joseph war heute abend guter Laune. Er freute sich über den sanften Mondeuschein, der seinen Augen so angenehm war und auf seinen Geist stets eine wohlthuende Wirk­ung ausübte. Die zitternde Bewegung seiner Pupillen hatte nackgelassen, seine Augen waren ganz geöffnet. Er begrüßte den Schul­meister sehr freundlich, zeigte ihm mit großem Stolz seine Blumen und hieß ihn sich die schönste aussnchen. Dann nahm er ihn mit in sein Häuschen, um ihm ein prächtiges Nacht-Pfauenauge zu zeigen, welches erst vor wenigen Minuten auSgekrocken und noch im Wachsen begriffen war. Als Kupfrian sich im Zimmer umsah, fiel ihm das Gefäß mit den Mänsen auf. Auf seine Frage erzählte im Joseph, wie er dazu gekommen sei, nnd daß es ihn tief geschmerzt habe, daß die Lisbelh ihn auf diese Weise für seine gute Absicht verspottet habe.

Kupfrian hörte aufmerksam zu, suchte Joseph, welcher bei seiner Auseinanderseßung wieder ganz wehmütig geworden war, zu trösten und machte sich dann auf den Heim­weg. Er mußte immer an die Mäuse denken, wo hatte er doch solche vor einigen Wochen gesehen? Richtig, Pfarrers Heinrich hatte ja eine ganze.Menge, er hatte sie ihm neu­lich gezeigt. Auf einmal kam dem scharf­blickenden Schulmeister eine Ahnung. Der Heinrich war ein Taugenichts. Er hatte den weißen Joseph oft geneckt und zwar deswegen wiederholt bestraft worden. Sollte die Lis« beth an der Sache unschuldig sein nnd Hein­rich, der böse Bube, der zufällig von Josephs Antrag Kunde erhalten haben mochte, den Streich ausgeübt haben?

Das beabsichtigte Ständchen, welches Kupfrain seiner Gattin am GeburtStags- morgen darbrachte, war nach Wunsch aus­gefallen, nur schade, daß die Kühe, welche gerade zur Weide ausgetrieben wurden, im Chore eingesiimmt hatten in Kupfrains Ge­sang. Lorchen war ihm trotzdem gerührt in die Arme gesunken und er hatte ihr rosiges Gesichtchen, welches selig aus dem weißen Schlafhäubchen hervorleuchtetete, mit Küssen bedeckt.

Jetzt wartete er seines Amtes. Der Liedervers:Weil ich Jesu Schäslein bin," war verklungen. Kupfrain setzte sodann seine Schülern, anknüpfend an die eben ge­sungenen Worte, auseinander, daß es mit Singen und Beten nicht gut sei, daß sie leider oft zu viel, oft auch zu wenigSchäf- lein wären.

(Fortsetzung folgt.)

in WHd«d.