Rundschau.

Stuttgart, 6. Juli. Hcute früh 0s7Uhr traf der Zirkus Hagenbeck per Extrazng hier ei»; sofort wurde die Ucbersiedlung »ach dem Gewerbehalleplatz bewerkstelligt. Wer hier das rührige Treiben während dcS Vor­mittags betrachtete, das die Handwerkölente entwickelten, dem war nicht bange, daß lange vor der heutigen Eröffnungsvorstellung auch das ganze Zelt für den Zirkus erbaut sein werde. Dasselbe nimmt den Raum von der noch immer steh"» gebliebenen Maschinen­halle bis an die Canzleistraße ein.

Lorch, 2. Juli. Heute früh wurde der ledige, hier in Arbeit stehende Schustergeselle Jakob Stürm von Obernrbach an das K- Amtsgericht Welzheim eingcliefert, weil der­selbe nach einem geringen Wortwechsel seinen Kameraden Schönleber mit einem Taschen­messer in den Oberschenkel stach, wobei die Hauptschlagader verletz, wurde, so daß der Verwundete in Lebensgefahr schwebt.

Von der Jagst, 2. Juli. Ais gestern nacht der Postwagen von Obersteinach kurz vor Gerabroun fuhr, suchte ein eben im Ur­laub befindlicher Soldat aus Elperspofen denselben dadurch anfznhaltcn, daß er den Pferden in die Zügel fiel. Der junge Mann war mit einigen Kameraden auf dem Turn­fest in Gerabroun gewesen und kehrte zur Heimat zurück; derselbe kannte den Postillon gut. Doch die Pferde scheuten, der Postil­lon vermochte sic nicht zu halten. Der Sol­dat kam zu Fall, zwei Räder des Wagens gingen über ihn weg. Die jungen Leute brachten ihren Kameraden bis nach dem etwa 2 km entfernten Weiler Liebcsdorf, wo sie ihn, da er nicht weiter konnte, in eine Scheuer legten. Heute früh wurde der Soldat dort tot aufgefundcn.

Großbottwar, 4. Juli. Der 13jährige Sohn des Wcingärtners Oechsle von hier pflückte gestern abend Waldkirschen. Der­selbe stürzte dabei von dem durch den Regen naßgewördenen Baum und wurde von einem hiesigen Bürger mit Blut am Unterleib? be­gossen und mit zerfetzten Kleidern anfge- fnnden. Er hatte sich schwere Verletzungen zugezogen. Vom herbe geeilten Arzte wurden die herausgetrctenen Teile am Unterleibe zu- genäht. Der Zustand ist sehr bedenklich.

Ulm, 5. Juli. Auf dem Pyramiden­gerüst am Münster ist nunmehr auch der östliche Maschinen-Auszugswagen ausgestellt und läuft schon in seinem Bewegungsgelcise. Der neue Gerüstaufoau umfaßt eine Höhe von etwa 23 Metern; rechnet man hierzu das alte Gerüst des Achtecks mit etwa 34 Metern, so ergiebt die höchste Position nack dem jetzigen Stande 127 M ter Höhe, näm­lich 70 Meter alter Unterbau, 32 Meter anfgebautes Achteck und und 25 Meter Ge­rüstaufbau. Am Samstag den 7. ds. nach­mittags 4 Uhr wird auf dem Pyramieden- gerüst der übliche Aufrichlbanm zum Zeichen der Vollendung dieses Gerüstaufbaues auf­gesetzt werden. Durck einen Spruch des Zimmerpolie.s Glvckle soll der Akt in der schwindelnden Höhe in Gegenwart sämtlicher beim Aufbau beschäftigter Personen vollzogen werden. Heule vormittag kam, wie das U. T. meldet, Dr. Mackenzie von Fried­richshafen her aus der Schweiz hier an, er­wartete in der Bahuhofrestanration den Orient- expreßzug und ist mit diesem nach München weiterge reist.

Riedlingen, 3 . Juli. Zu der heute hier

stattgefundencu Landespferdeprämierung ist gestern SiaatSminister v. Schmid hier ange­kommen. M- ge» wird derselbe die Donau- korrekuvnen b. .chtigen. Der Zudrang von Fremden und der Verkehr war heute an­läßlich des Festes ein s- hr großer.

Berlin, 2. Juli. Der bisherige Unter­staatssekretär im Ministerium des Innern, Herfurth, ist zum Minister des Innern ernannt worden.

Es verlautet, Prinz Heinrich werde einen Besuch an den Höfen von Kopenhagen und Stockholm machen, dem in der diplomatischen Welt ein offizieller Charakter beigelegt wird.

Berlin, 5. Juli. Nach Aufhebung des Kronrates verblieb der Kaiser noch einige Zeit mit dem Reichskanzler allein, empfing dann den diesseitigen Gesandten in Rio Janeiro, Grafen Dönhoff, alsdann den auß­erordentlichen niederländischen Gesandten Ver- syk nebst Gefolge, sowie den Minister des Innern, Herrfnrth, und erteilte Audienzen. Er empfing sodann auf dem Anhalter Bahn­hof das sächsische Königspaar und begleitete dasselbe zum Schlosst, wo ein Dejeuner statt­fand, dann fuhr er mit den königlich säch­sischen Herrschaften nach Potsdam zum Mar­morpalais.

Der Staatsminister Graf Bismarck ist vom König von Schweden zum Kom­mandeur und Großkrenziuhaber des Nord­stern-Ordens ernannt worden.

Berlin, 6. Juli. Es steht nunmehr fest, daß Staatminister Graf Herbert Bis­marck den Kaiser auf seiner Reise zur Zu­sammenkunft mit dem Zaren begleitet. Die neueren Mitteilungen über den Tag der Abreise entsprechen den ersten Meldungen im Stuttgarter Neuen Tagblatt. Unmittel­bar nach dem Botschaftsdiner will der Kaiser die Reise antreten. Das Diner wird am 12. Juli stattfinden. Die Abreise des Reichs­kanzlers in Urlaub steht täglich bevor. Die hochgespannten Erwartungen bezüglich der jAbmachunge.i bei der Kaiserbegegnung greifen ebenso fehl wie die Behauptung, daß es sich dabei nur um Bekräftigung persön­licher freundschaftlicher Beziehungen handeln werde. Die Festigung des persönlichen freund­schaftlichen Verhältnisses und die Verständig­ung über die Interessensphäre Rußlands, Oesterreichs, is aliens und Deutschlands in friedlichstem S.nne, sowie die Vereinbarung über die Art der Abw c etwaiger Versuche, den Weltfr'eden von an erer Seite zu stören, werden in unterrichteten Kreisen als Ziele der Zusammenkunft bezeichnet.

Die Times meint, die Zusammen­kunft der Kaiser von Deutschland und Ruß­land entspringe dem Wunsche Kaiser Wil­helms, die Bande persönlicher Freundschaft mit dem Zaren zu stärken ; eine Modifikation der europäischen Lage sei unwahrscheinlich und eine Aenderung der deutsche» Politik bei Bismarcks Abwesenheit unglaublich.

Petersburg, 2 Juli. Der Besuch des deutschen Kaisers Wilhelm wird seitens des hiesige» Hofes Mitte des Monats erwartet.

Zn Mainz sind demN. T." zu­folge mehrfach falsche 10-Markstücke mit dem Bildnis Kaiser Friedrichs angehalten worden.

In München hat ein hcrniedcrgehen- der Blitz in der Battenhuberschcu Ziegelei bei Bogenhausen 2 italienische Ziegelarbeiter und einen deutschen Knecht, die am Brenn­ofen in der Nähe des Kamins Schutz ge­sucht, getötet.

In Bordeaux brach im Theater des BonffeS Bordelais am Dienstag morgen Feuer aus. ES wurden keine Menschen verletzt. Der Schaden wird auf eine Mil­lion geschätzt.

Kopenhagen, 2. Juli. Die Eröffnung der deutschen Abteilung der hiesigen Aus­stellung findet am 6. in Gegenwart dcö Königs und der Königin statt.

Buiarest, 3. Juli. Gestern hat der Generalmajor Graf v. Schlüffen I dem König in Sinaja die Thronbesteigung Kaiser- Wilhelms angezeigt. Auf die Ansprache des Generals gab der König seinem tiefen Mitgefühl über den Tod des Kaisers Fried­rich AnSdrnck und sprach zugleich seine wärmsten Wünsche für Kaiser Wilhelm H ans.

Konstautinopel, 3. Juli. Fürst Radr- lin, welcher gestern früh zur Ankündigung der Thronbesteigung Kaiser Wilhelms hier eingctroffen ist, wurde mit großen Ehren empfang«-» und ist im Palaisan den süßen Wässern Asiens" abgestiegen.

Durch ein Schadenfeuer in Hasclbach bei Sonneberg (Sachsen-Meiningen) sind mehrere Menschenleben verloren gegangen; die Frau des Hauses ist samt einer Tochter von 15 und einem Sohne von 8 Jahren in den Flammen umgekommen, ein drittes Kind und der Vater liegen an Brandwun­den schwer verletzt darnieder. Die I6jährige Tochter hat den Großvater und einen Lehr­ling noch rechtzeitigzu ihrer Rettung geweckt, sie selbst aber konnte sich nicht mehr retten.

Ein etwa 2000 Leichname fassendes Massengrab aus den Tagen der Völkerschlacht hat man kürzlich in der Nordvorstadt von Leipzig in unmittelbarer Nähe der alten Gasanstalt aufgefunden. Die iileberbleibsel von Uniformen und Knöpfen, welche man darin vorgefundcn hat, lassen darauf schließen, daß hier die Gefallenen der russischen Corps Längeren und Sacken, der polnischen Divi­sion DombrowSky und der französischen Division Duette, welche am Morgen deö 13. Oktober 1813 in jener Gegend gegen einander kämpften, ihre letzte Ruhestätte ge­funden haben. Die aufgefundcnen Gebeine sollen auf dem Nordfriedhofe wieder dem Schoße der Erde übergeben werden; bis jetzt sind bereits 7 Wagenladungen dahin über« geführt worden.

(Die Lage eines Redakteurs) schildert ein englisches Blatt mit folgenden Worten: Die Herausgabe eines Blattes ist ein ver- gnüglickes Ding, die besonders dem Redak­teur at feitig Freude schafft und selbst viel Vergnügen macht. Enthält die Zeitung zu­viel Politik, so ist das Publikum unzufrie­den; wenn zu wenig, so will man sie nickt ansehen. Ist die Schrift groß, so ist nicht Inhalt genug für das Geld da; ist sie klein, so verdirbt man sich die Augen beim Lesen. Treten wir Jemand auf's Hühnerauge, so lachen die andern, während jener sich ärgert; kitzeln wir aber die andern an einer ver­wundbaren Stelle, so schimpfen sic, und ersterer lacht sich in's Fäustchen. Loben wir Jemand, so sind wir parteiisch; thun wir es nicht, so sind wir cs sicherlich auch wieder. Bringen wir einen Artikel, der den Damen gefällt, so sagen die Männer, es wäre Ge­wäsch, befriedigen wir aber die Wünsche der Frauen nicht, so eignet sich das Blatt nicht für das Haus."