im stände, auch uns zu trösten: der Glaube und die Kunst. Der Gesang der Motette: Die mit Thräncn säen" u. s. w. schloß die Feier.

Berlin, 3. Juli. Nach derNat. Ztg." wird sich der Kaiser am 13. Juli in Kiel cinschifse» und, von einem Geschwader unter dem Befehl des Prinzen Heinrich begleitet, von da die Reise nach Petersburg antrcten. Der Staatsministcr Graf Herbert Bismarck, nicht der Reichskanzler begleitet den Kaiser nach Petersburg.

Berlin, 4. Juli. Graf Herbert Bis­marck begleitet den Kaiser nach Petersburg. Der dortige Besuch dauert 3 bis 4 Tage. Der Besuch des Kaisers am österreichischen und dem italienischen Hofe soll im Laufe des August erfolgen.

Berlin, 5. Juli. Die erste Begegnung der beiden Monarchen, Kaiser Wilhelm II und Zar Alexander III, wird voraussichtlich früher als in Peterhof, möglicherweise ans offener Sec statthaben. Näheres wird dar­über noch geheim gehalten. Der Kaiser fuhr gestern abend zu Schiff am Wansee- ufer entlang; er. erwiderte die Grüße der vorüberfahreuden Boote, kreuzte, den See

verlassend, nach Cladow hinüber und löste, als der Wind einschlief, die Böller des Schiffes, worauf die kaiserliche JachtAle­xandra" herbeikam, um das Schiff des Kaisers, Königin Luise", ins Schlepptau zu nehmen. Der als Nachfolger von UnterstaatS- sckrclär Lucanuö, dem ncucrnannten Chef des Geh. Zivilkabinctts, genannte Unter­staatssekretär Studt ist gestern aus Straß­burg hier cingetroffen. Der Gouverneur von Berlin, v. Werder, wird auf Urlaub erst in Karlsbad, dann in Wildbad ver­weilen.

Berlin, 5. Juli. Der Kaiser traf heute vormittag um 8 Uhr 30 Minuten hier ein und wird später das sächsische Königspaar empfangen, vorher jedoch den Vorsitz im Kronrat führen.

Zürich, 30. Juni. Der Sozialdemokrat erklärt, daß das Blatt in Zürich forterschcinen und daß keine Uebersiedclung nach London statlfinden werde.

Die am Brinzersee unweit des Gieß- bachsturzeS im Kanton Bern gelegene Feuer­werkfabrik Oberried ist in die Luft geflogen; nur die Grundmauern sind übrig geblieben.

Wien, 2. Juli. Der Kaiser geht heute

der Str. P. zufolge vou Ischl nach Gastcin. Schon daraus geht hervor, daß die Angabe, Kaiser Wilhelm werde den Kaiser Franz Joseph in Gastein besuchen, falsch ist. Viel­mehr dürfte der Kaiser Wilhelm, wie er schon als Prinz zu lhun pflegte, den Kaiser von Oesterreich zu den Herbstjagden besuchen.

London, 4. Juli. DemStandard" wird aus Berlin berichtet, daß die herzlichen Beziehungen zwischen England und Deutsch- schland unvcrmindet fortdaueru. Graf Her­bert Bismarck werde in kurzem in Privat­angelegenheiten nach England reisen, dabei aber wohl internationale Angelegenheiten ebenfalls zur Sprache bringen.

In Kltzingen wurde, wie aus Würz­burg berichtet wird, am Dienstag vormittag ein soeben aus dem Zuchthaus Entlassener von seinem Bruder erstochen; letzterer erschoß sich darauf.

Die Walzmühle in Pest ist am Dienstag in Brand geraten; der Schaden beläuft sich auf 400,000 Gulden. Die neue Mühle ist intakt, so daß die Arbeit in einigen Tagen wieder angenommen werden kann.

In Neapel ist wiederum die Cholera ausgetreten.

Gebeugt, aber nicht gebrochen.

Erzählung von C. Cornelius.

Nachdruck verboten.

5 .

Es war so einsam, so verlassen, seit sie gestorben war. Als Knabe war er in der Stadt bei einem Gärtner in der Lehre ge­wesen und später, als der Vater gestorben, zu seiner Mutter zurückgekehrt. Seit dieser Zeit hatte er sich damit beschäftigt, Nelken zu ziehen. Diese verkaufte er ab und zu seinem früheren Lehrherrn und fristete von dem Erlöse seiner mühsamen Arbeit und von dem Ertrage seines kleinen Ackers sein müh­sames Leben.

Joseph war von Natur ein gutmütiger Mensch, aber wegen seiner weiße» Haare und rötlichen Augen hatten viele, schon als er noch Kind war, ein Grauen vor ihm. Von anderen hatte er Neckereien auszustehen gehabt, und so war es gekommen, daß er die Menschen mied und mit seinen Nelken allein lebte, auf deren Pflege er seine ganze Sorgfalt und Liebe verwano.

Das einzige Haus, welches er noch zu­weilen betrat, mar das des Rittmeisters. DaS Fräulein Adele war stets freundlich gegen ihn und gab ihm häufig in ihrem Garten zu lhun. Deshalb hatte er auch für das Grab von AdelenS Mutter den kleinen Nel­kenstrauß mitgebracht.

Seine Mutter hatte ihm oft gesagt, er solle heiraten, aber das schien ihm unmög­lich, da die Mädchen ihn verabscheuten.

Lange saß er da, in trübe Gedanke» versunken. Endlich stand er entschlossen auf. Ich will es meinem Müttcrlein zu Liebe doch einmal versuchen," sagte er,der kleine Frieder hat mich gern, sonst würde er nicht so oft zu mir kommen, und wenn die Lis­beth mich nicht leiden könnte, so hätte sie auch meine Nelken nicht zum Gärtner ge­tragen."

Joseph beschleunigte seinen Gang. Seine niedergeschlagenen Augen, deren das Helle

Tageslicht unangenehm war, suchten nicht, wie sonst wohl, nach Raupen urid Schmet­terlingen im Grase. Er vergaß sogar, für seine eingesperrten Raupen, welche sich in einem großen mit grüner Gaze bespannten Kasten in der Fenstcreckc befanden, frisches Futter mitzubringen.

Ein prachtvoller Trauerfaltcr, welcher während Josephs Abwesenheit seine Hülle gesprengt hatte und näch Freiheit verlangend mit den sammetgleichen Flügeln die durch­sichtigen Wände seines Käfigs streifte, zog jedoch Josephs Aufmerksamkeit auf sich. Er sah ihm mit Wohlgefallen zu: Dann öff­nete er den Kasten und ließ den Trauer- faltcrlzum Fenster hinauSfliezen, und es war, als ob er alle trüben Gedanken seines Pfle­gers mit sich hinausgetragen hatte.Wenn sie keine Raupen leiden kann, will ich sie gern alle wegwerfen," dachte Joseph.

Nachdem er seine Locken gekämmt und sei» hübsches Gesicht, dessen sanfter Aus­druck noch durch die zarten Farben erhöht wurde, in frischem Wasser gebadet, machte er sich auf den Weg zur schwarzen Lisbeth.

Mit einem freundlichenGuten Morgen" trat er in ihr engeS Stübchen ein.

Du kommst wohl, um Dir das Geld zu holen, welches mir der Gärtner für Deine Nelken gegeben hat," sagte sie;den Weg hättest Du Dir sparen können, ich habe eS heute morgen dem Fräulein Adele gegeben, Du kannst eS Dir von ihr holen."

Nein, Lisbeth, deswegen bin ich nicht gekommen, erwiderte er näher tretend.Ich habe daran gedacht, daß Du ganz allein in der Welt stehst und für Dich und Frieder das Brot sauer verdienen mußt, und da meinte ich, es wäre doch gut, wenn der Frieder wieder einen Vater hätte. In meinem Häuschen ist Platz genug und auf meinem Felde wächst Korn genug zu Brot für uns drei und mit meinen Nelken verdiene ich auch manche» Thaler. Heute ist meiner Mutter Todestag und da siel mir ein, daß sie so oft gesagt hat:

Heirate, Joseph, thu's mir zu Liebe. Deshalb bi» ich heute hergekommen, um

Dich zu fragen, ob Du meine Frau werden willst."

Lisbeth hörte ihn ruhig an. Sie malte sich in Gedanken aus, wie es sein würde, wenn sie in dem kleinen Waldhause wirt­schaftete und sich nicht mehr so zu quälen und Wohlthaten von anderen anzunehmen brauchte. Es war wirklich verlockend.

Er sah sie bittend an. Das Licht fiel durch das Fenster, welchem er gerade gegen­über stand, in seine rötlichen Augen mit den weißen Wimpern. Lisbeth wich ängstlich zurück und sagte:Nein, Joseph, geh nur wieder nach Hause, ich kann und darf Dich nicht heiraten, eS ist mir leid."

Ich dachte es mir wohl," erwiderte Joseph in traurigem Tone,Du willst auch nicht, weil ich anders bin, als alle andere Menschen, ich bin Dir auch nicht böse darum."

Nein Joseph, deshalb ist es nicht, ich darf Dich nicht heiraten, es wäre Sünde, ich kann Dir aber nicht sagen, warum. Ich wollte, ich könnte recht böse auf Dich sein. Frag' nicht weiter und schick' den Frieder, wenn er zu Dir kommt, immer gleich fort, er darf auch nicht bei Dir sein. Leb' wohl Joseph.«

Als er fort war, brütete Lisbeth lange still vor hin. Sie merkte nicht das leise Kichern hinter ihrem Fenster, von wo zwei neugierige Knaben die Scene belauscht hatten.

Er sieht doch sonst gar nicht so böse aus," murmelte das abergläubische Weib, aber ein ordentlicher Mensch hat nicht solche rote Augen. Es ist doch als ob ein Funken Höllenfeuer darin glimmte. Frieder soll nie wieder zu ihm, sonst wird er gewiß ein schlechter Mensch. Vergieb mir, lieber Herrgott, wenn ich den Joseph nicht hassen kann, ich will eS aber gewiß versuchen."

Nach einem schweren Seufzer begann sie ihr französisches Vaterunser zu betten:Ilotrs psro Hui«, die wenigen nachfolgenden Laute waren nicht mehr Worte zu nennen. Lis- beths Verstand konnte sich auch nichts dabei denken, nur ihr Aberglauben konnte dabei ein unbestimmtes Gefühl in ihr erregen. (F. f.)

Redaktion, Druck und Verlag von Bernhard Hofmann in Wildbad.