Lerne
Läuten die Hellen Glocken im Walde,
Daß nun der Sommer
Zog in die Halde,-
Bringen die Schwalben Tage der Lieder,
Senden der Freude Botschaft hernieder.
zu Leiden, ohne zu ktugen!
Ach — mit dem Azur Wechseln die Schatten, Streuen den Lenzfeiud Reif auf die Matten. Blühender Kelch, du
Darfst nicht verzagen-
Lerne zu leide»,
Ohne zu klagen I
Läuten die Hellen Glocke» im Hoffe», Daß nun des Lenzes Lieb' eiugelroffe», — Klingen im Harzen Frohe Gedanken, Schlingen am Altar Myrten und Ranken.
Ach — an dem Himmel Wandeln die Sterne,
Ach — und die Hoffnung Zieht in die Ferne! Trauerndes Herz, du Darfst nicht verzagen — Lerne zu leiden,
Ohne zu klagen!
Glocken und Blumen, Hoffnung und Lieder Klingen und blühen Herrlicher wieder, — Willst Du des Kaisers Zeichen nur tragen: Lerne zu leiden,
Ohne zu klagen!
Gebeugt, über nicht gebrochen.
Erzählung von C. Cornelius.
Nachdruck verboten.
3.
Als jedoch Arnolds Wahrheitsliebe ihn einige unfreiwillige Zeichen der zu Ende gehenden Geduld machen ließ, welche der Freund nur zu gut kannte, war es ein Glück, daß der Rittmeister unterbrochen wurde. Ein kleiner Rotkopf guckte schüchtern zur Thür herein. „Komm nur her, Frieder, zeig mir einmal, was du geschrieben hast," sagte Adele freundlich.
Der Kleine näherte sich, verstohlen die Fremden anbiickend und reichte ihr seine Schiefertafel.
„Du hast heule ganz hübsch geschrieben, Frieder, aber," fuhr sie lächelnd fort, indem sie die andere Seite der Tafel ausah, „was ist den» das für ein Gemälde?"
„Das ist Lehrer Knpfrain," antwortete Fieder in bestimmtem Ton.
„Höre, wische den Lehrer Knpfrain schnell wieder aus und geh' nun in die Küche und laß dir von der Marche dein Butterbrot geben, wasch' dir aber zuvor tüchtig Gesicht und Hände."
Sichtlich erleichtert eilte Frieder hinaus.
Der jugendliche Künstler ist ein kleiner Freund von mir," sagte Adele erläuternd zu den Gästen.
„Sein Vater," hob der Ritttmeister an, Verunglückte vor 3 Jahre» durch eigene Unvorsichtigkeit in meinen Granilbrüchcn. Meine Tochter nimmt sich seither des Rotkopfes und seiner Mutter an, was wahrhaftig bei dieser hirnverrÜcktcn Person nichts leichtes ist. Ich hätte sie mir längst vom Halse geschasst, aber es macht meiner Tochter anscheinend Vergnügen, sich mit ihr abzugcben.
Ohne den etwas spöttischen Ton des Rittmeisters zu beachten, erzählte Adele auf die Nachfrage der Gäste.
„Die schwarze Lisbeth, die Mutter des Kindes, ist wohl die merkwürdigste Persönlichkeit im ganzen Torfe. Sie stammt ans einer franzöfsischeu Niederlassung, welche einige Stunden von hier entfernt liegt und deren reformierte Kirche sie noch jeden Sonntag besucht.
Es steckt noch viel aufgeregtes französisches Blut in ihr, auch ihr äußeres, das pechschwarze Haar und die dunklen Augen, deuten auf ihre Abkunft hin. Sie ist grund
ehrlich und besitzt ein starkes Pflichtgefühl, welches jedoch häufig mit ihrem eingewurzelten Aberglauben in Zwiespalt gerät u. dann begeht sie gar wunderliche Dinge.
Im vorigen Jahre ging ich einmal an ihrer Wohnung vorbei, als gerade ein furchtbares Gewitter war. Um mich vor dem Regen zu schützen, trat ich ein. Sie saß bleich u. starren Blickes in einer Ecke, ihr bestes Gebet, den Anfang des französsischen Vaterunsers, von dem sie natürlich kein Wort versteht, vor sich hinmurmelnd. Frieder stand weinend an der Thür. Sie rief ihn zu sich, drückte ihn leidenschaftlich an sich und streichelte ihn, aber bei dem nächsten heftigen Donnerschlag stieß sie ihn mit einem Schrei von sich. Mein Eintreten schien sie gar nicht bemerkt zu haben. Erst als daö Gewitter vorüber war, wurde sic ruhiger und sing an leise zu weinen. Ich brachte nur soviel aus ihr heraus, als, daß sie sich von bösen Geistern umgeben geglaubt, die durch Frieders rotes Haar hcrangczogen seien, und daß der Herrgott im Himmel ihr zürne und von ihr fordere, sie solle Frieder verstoßen, sie habe aber das Kind so lieb, daß sie es nicht übers Herz bringen könne. Nur mit großer Mühe gelang cs mir, sie zu beruhigen. Der törichte Gedanke peinigte sie aber noch manchmal und dann hat Frieder jedeSmal einen bösen Tag.
„Dieses sonderbare Wesen möchte ich wirklich gern einmal in Augenschein nehmen," sagte Arnold Freund, „können Sic mir dazu behilflich sein, gnädiges Fräulein?"
Leider nicht, da sie heute früh als Botin zur Stadt gegangen ist."
„Dann ist sie uns begegnet, eine junge Frau mit einem großen Tragkorbe!"
„Wenn sie einmal wieder in hiesiger Gegend jagen, meine Herren, so will ich sie Ihnen zeigen," sagte der Rittmeister, „ich finde nichts Sehenswertes an ihr. Ich vermute, daß Sie jetzt der Ruhe bedürfen, deshalb schlage ich vor, daß Sie sich bis zum Mittagessen auf Ihrem Zimmer niederlegen."
Das Anerbieten kam den Freunden sehr gelegen. Nach wenigen Minuten schnarchten beide um die Wette in der kühlen Dämmerung der niedergelassenen Vorhänge. Am Nachmittage boten die Freunde dem Rittmeister an, ihn an den ehemaligen Aufenthaltsort der Enten, welche sich beim Mittagsmahl als äußerst schmackhaft erwiesen hatten, führen zu wollen.
„Ich würde auch Fräulein von Heim
dahl bitten, uns ihre Gesellschaft dabei zu gönnen, aber diese Sumpfgegend ist für Damen nicht passierbar," sagte Arnold. „Ich denke wir machen es folgendermaßen: Du, Otto, gehst mit de»! Herrn Rittmeister voraus. Ich bleibe, wenn Fräulein v. Heimdahl erlaubt, ein halbes Stündchen länger hier und treffe Dich dann auf der Landstraße an dem Punkte, von wo wir uns heute Morgen seitwärts in die Büsche schlugen. Will mich dann Frl. v. Heimdahl begleiten und zugleich ihren Vater abholen, so soll mir das sehr lieb sein."
Der Plan gefiel alle» und Otto und der Rittmeister machten sich auf den Weg. Jetzt war für Arnold der geeignete Augenblick gekommen. Kein unberufenes Ohr konnte in der stillen Grotte des Gartens, in der sie saßen, ihr Gespräch belauschen.
„Wissen Sie, Frl. v Heimdahl, weshalb ich eigentlich hcrgckommcn bin," begann er mutig.
„Ich denke, um Enten zu jagen," erwiderte Adele erstaunt.
Das war ganz Nebensache und hätte Ihr Vater uns nicht zufällig getrosten und eingeladen, so würde ich doch zu Ihnen gekommen sein," Das Tagebuch aus der Brusttasche ziehend und ihr darreichcnd fuhr er fort: „Kennen sie dieses Buch?"
„ES ist das meinige," sagte sie heftig. Sie müssen es irrtümlicherweise anstatt eines anderen aus der L'fchen Bibliothek erhalten haben. Es ist nicht schön von Ihnen, daß nachdem Sie sich an dcm Inhalte desselben ergötzt, nun auch noch an meiner Verlegenheit sich weiden zu wollen."
„Fräulein v. Heimdahl I habe ich das verdient? Ich versichere Ihnen auf Ehrenwort, daß ich von dem Inhalte des BucheS nur die Worte, Cattcnhausen, den 15. Juli 1871 gelesen habe, was zu Ihrem Auf- fiuden durchaus nötig war. Es schmerzt mich, daß Sie mir eine solche Indiskretion zutrauen."
Diese Worte waren in einem so treuherzigen Tone gesprochen, daß Adele, nachdem sie ihn einen Augenblick prüfend angesehen, in verändertem Tone sagte:
„Verzeihen Sie mir, Herr Roden, meine Aufregung ließ mich diese unüberlegten Worte aussprechen. Ich glaube Ihrer Versicherung und danke Ihne» herzlich. Sie können sich nicht denken, wie unangenehm mir der Verlust meines BucheS war.
(Fortsetzung folgt.)
-je-aktion, Druck und Verlag von Bernhard Hojmann in Wildbad.