Rundschau.

Lndwigsburg, 24. Juni. Seine Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm mit Gefolge Hot sich heule nach Berlin degebcn, um in Vertretung Seiner Nöajestät des Königs der feierlichen Eröffnung des deutschen Reichstages anzumvhuen.

Wie uns von der Jagst geschrieben wird, ist Fürst Her­mann von Hohcnlohe-Langeuburg zu einem Besuch bei Kaiser Wilhelm auf einige Tage nach Berlin abgereist. Bekanntlich ist die jetzige Kaiserin eine Schwestertochter des Fürsten.

Stuttgart, 25. Juni. In der Nacht vom Samstag auf Sonntag wurde im hiesigen Eckgntschuppen eingcbrochcn und ein Koffer mit Muster gestohlen; derselbe fand sich jedoch im Laufe des Vormittags erbrochen in einem leeren Eisenbahnwagen wieder vor, und der Inhalt, den die Diebe, wie es scheint, nicht brauchen tonnten, lag zerstreut auf dem Boden umher. Ebenso wurde an dun dort bcsindlichcn Wirtschaftslokal die Thüre erbrochen und einige Kistchen Cigarren, Würste, Brot und Schnaps daraus entwendet.

Cannstatt, 23. Juni. In der Buntweberei und Färberei von Elsas und Co. hier zerbrach gestern mittag der Boden einer Farbkippe, welche Gar» enthielt. Das Heransströmcn des heißen Wassers verletzte die beiden daneben beschäftigten Arbeiter Gottlob Buck, 18 Jahre und Karl Aller, 22 Jahre alt, derart, daß dem ersteren die Füße und ein Teil des Oberkörpers, dem letzteren beide Arme verbrüht wurden. Nach einem angelegten Nowerband durch den Stadtwundarzt Hottmann wurden die Verunglückten in das Bezirkskrankenhaus überführt.

Cannstatt, 25. Juni. Am Sonntag mittag wurde durch die Wache der Mililörschwimmschule ein älterer, dem Arbeiterstand angehörigcr, gänzlich unbekannter Mann als Leiche aus dem Neckar gezogen. Heute stütz fanden die Arbeiter der Baggermaschine oberhalb des Wasscrhauses wieder einen Leichnam, in welchem Taglöhncr Heinrich Faußer von Cannstatt erkannt wurde.

Fellbach, 23. Juni. Gestern abend verunglückte ei» Metzger­meisters Alber von Stuttgart bei seiner Heimfahrt auf der Land­straße unweit des hiesigen Ortes dadurch, daß derselbe infolge Schcuwerdcns des Pferdes vom Bocke fiel und vom Fuhrwerk überfahren wurde. Letzteres wurde in Cannstatt aufgchalten, den Verunglückten aber fanden zwei hiesige Fabrikarbeiter, welche ihn nach Cannstatt verbrachten, von wo aus er ins Olgaspital nach Stuttgart überführt wurde. Heute abend gegen 6 Uhr ent­lud sich über unserem Ort ein heftiges Gewitter mit solch strömen­den Regen, daß das Wasser in einigen Straßen meterhoch daher­kam und geladene Heuwagen umwarf und forlriß.

Lndwigsburg, 23. Juni. In der hiesigen Trainkascrne wurde laut L. Ztg. in der Nacht vom 21. auf 22. ds. ein frecher Ein- brnchdiebstahl verübt, wobei die Kantine-Casse im Betrage von etwa 80 beraubt wurde. Dem Landjäger Diebold ist es ge­lungen, den Dieb in Zuffenhausen zu verhaften. Es fanden sich bei dem Einbrecher noch 49 bares Geld vor; das übrige Geld, etwa 2530 bestehend in kleineren Münzen, wurde neben einem Schuppen des Traindcpots, in einem Gebüsch versteckt, auf- gesunden.

Dem Schullehrer Sträße in Neckarsulm, welcher auch auswärts durch seine Lese- und Unterhaltungsbücher für die Jugend bekannt ist, wurde durch Beschluß der bürgerlichen Kollegien in Anerkennung seiner Verdienste um die dortige Vollschule, ander er viele Jahre mit Erfolg wirkte, das Ehrenbrirgcrrecht der Stadt erteilt.

Der Schul-, Mesner- und Organistendienst in Ailringen, OA. Künzelsau, wurde dem Schullehrer Weber in Biberach, OA. Heilbronn, übertragen.

Reutlingen, 23. Juni. Ein Sohn des Färbermeisters K>, welcher in Straßburg im württ. Jnfanterie-Reg. Nr. 126 steht, war am Dienstag morgen bei Fclddienstübnngcn mit dem Scheiben- dicnsl betraut. Es wurde ihm laut Schw. K. »ach Einstellung der Kavalleriescheibe, als er in dem zur Beobachtung des Sicher- hcitssignals ausgestellten Spiegel die rote Warnungsfahnc nicht beobachten konnte und aus der Deckung hcrvorgelreteu war, sofort durch einen gleichzeitig abgegebenen Schuß der linke Arm zer­schmettert.

Hall, 22. Juni. Die Strafkammer des K. Landgerichts hat heute den ehemaligen Vizeseldwebel Joh. Gottfried Stirner von Eichhof, gebürtig von Lausten a. N., einem beim Militär wegen Mißhandlung untergebener Soldaten bestraften Mann, der vor einigen Wochen nächllicherwcise sich in Oehringen in eine Speijewmschaft cinschlich und sich im Abort verbarg, dort aber

von der Wirtin entdeckt, wodurch seine alsbaldige Haftnahme ver­anlaßt wurde, wegen vosnchten schweren Diebstahls zu 2 Jahren Zuchthaus, 10 Jahren Ehrenverlust, Zulässigkeit der Polizei,-uf- sicht und den Kosten verurteilt. Bei seiner Auffindung im Aborte trug er einen scharf geladenen Revolver, ein Schlageisen, Messer, 17 Nachschlüssel und eine Blendlaterne bei sich.

Ellwangen, 24. Juni. Ignaz Geiger von Nereshkim, der wegen Kircheudiebstähle, verübt zu Aalen und Aucrnheim, ver­haftet wurde, auch wegen Falschmünzerei sich zu verantworten hatte, erhielt von der Strafkammer zu Ellwangen für beide Verbrechen 4'/2 Jahre Zuchthaus.

Vom Bodtllsee, 22. Juni. Der Obergerichtshof in Wien hat die Berufung des Schiffskapitäns Graf Merkandin gegen das Urteil des Kreisgcrichts Feldkirch (SchistSkatastrophe bei Lindau) verworfen und das somit rechtskräftig gewordene Urteil bestätigt.

Berlin, 23. Juni. Zu den mancherlei jetzt zirkulierenden Gerüchten gehört auch, daß ein Ausgleich mit dem Herzog von Cumberland bevorstehe, der auf Hannover verzichten und Herzog von Braunschweig werden solle.

Karlsruhe, 23. Juni. Die Karlör. Ztg. meldet, daß cs auf Anregung Sr. K. Hoheit des Großhcrzogs von Baden ge­schieht, daß sämtliche deutsche Bundesfürsten, sowie die Bürger­meister dee Freien Städte zur Eröffnung deS Reichstags in Berlin erscheinen werden.

In Wien ereignete sich in dem Landgericht ein aufregen­der Vorfall. Ein wegen schwerer körperlicher Beschädigung zu sechs Monaten schweren Kerkers Verurteilter namens Skokan stellte sich, vom Präsidenten gefragt, ob er die Strafe annehme, vor denselben auf, zog einen Revolver aus der Brusttaschc und feuerte gegen sich einen Schuß ab. Der Schuß ging fehl, flog an dem sehr bedrohten Staatsanwalt vorüber und traf einen in der ersten Reihe sitzenden Zuhörer, der leicht verletzt wurde. Während der allgemeinen Verwirrung drückte Skokan einen zweiten Schuß gegen sich ab, der ihn in der Schläfe traf, worauf er zusammenbrach. Er ist iudessessen, wie bereits festgcstcllt, nicht lebensgefährlich ver­letzt- Die Scene spielte sich so rasch ab, daß weder der Präsi­dent, noch die Justizwache einzuschrciten vermochte.

Ein entsetzliches Drama hat sich vor einigen Tagen in Monaco abgespielt. Ein junger Brasilianer Raoul Herques, der mit seinem Bruder und seiner Schwägerin in der Villa Anita dinirte, wurde beim Dessert Plötzlich von einem Wutanfall er­griffen. Nachdem er seine beiden Verwandten mit einem Revolver erschossen, richtete er diesen gegen sich selbst, so daß er sofort zu Boden stürzte. Als die Bedienten herzuliefen, fanden sie in dem Speisesaal nur drei Leichname. Aus der Untersuchung, die von dem Gericht in Monaco sofort cingeleitet wurde, geht hervor, daß Raoul Herques, der bei seinem Bruder in Newyork, dem Direk­tor eines großen Handelshauses, vor einigen Jahren beschäftigt war, sich mit diesem wegen dessen Liquidation der väterlichen Erb­schaft Überwerfen hatte. Raoul Herques nährte seitdem einen unüberwindlichen Haß gegen seinen Bruder, den er jedoch zu ver­bergen verstand. Er folgte seinen Verwandten, die sich nach Monaco begaben, und schien mit demselben die freundschaftlichsten Bezieh­ungen zu unterhalten. Er dinirte mit ihnen alle Abende, wo es denn nicht selten zu erregten Discusionen über die Liquidation des Newyorker Hauses kam. Da ihm sein Bruder bedeutet hatte, daß, wenn er mit ihm im guten Einvernehmen bleiben wollte, er niemals wieder von der beregten Angelegenheit sprechen dürfte, so faßte Raonl den Entschluß, seinen Bruder zu tödten, den er dann in oben geschilderter Weise ausführte. Außer den beiden Revolvern, mit denen er das Verbrechen verübt, fand man bei ihm noch einen dritten sechsläufigen Revolver und zwei Dolche.

In Cppingen stürzte dieser Tage der Maurer Karl Maier von Richen von einem hohen Gerüste des gegenwärtig im Ent­stehen begriffenen Reubaues zum Schulgebäude in Mühlbach so schwer auf die mit Steinen besetzte Erde, daß derselbe anfangs leblos dalag und erst durch vn schieden- Einspritzungen zum Be­wußtsein gebracht wurde. Er wurde in das Gasthaus zum Ochsen verbracht, wo er schwer an äußeren und inneren Verletzungen darnicderliegt. Maier ist Vater von 7 Kindern.

Auf der Station Neckarau der Rheinthalbahn ist laut Fr. Ztg. am Sonntag mittag st-2 Uhr ein Lokalzug mit dem Kurszng infolge falscher Weichenstellung zusammengestoßen. Von dem Kurszug sind verletzt der Lokomotivführer, der Heizer, ein Wagenwärter und ein Reisender. Der Schaden an Material ist unbedeutend.