Me Kapelle.
Novelle v. H. Waldemar.
' (Nachdruck verboten.)
8 .
Des jungen Mannes Stimme hatte wirklich gezittert bei den Worten: „Keine Schwalbe bringt, keine Schwalbe bringt Dir zurück, wonach Du weinst" und schien ihm vollends zu versagen, aber nie hatte er besser und inniger gesungen, wie an diesem Abend.
Lautlos hatten der Graf und seine Tochter zugehört; überwältigt von seiner Bewegung sprang Welling ans, um sich zu verabschieden , als er von dem Grafen aufgchalten wurde. „Sie müssen der Sohn von Hedwig Lichtenthal sein, mein junger Freund," rief er, „nur sie konnte dies Lied in solcher Vollendung fingen."
Erstaunt sah Welling in des Grafen erregtes und erwartendes Gesicht. Allerdings, das bin ich, doch, erlauben Sie die Frage, Herr Graf: kannten Sie meine geliebte Mutter?"
„Sie war meine erste und einzige Liebe; ich will ihnen die traurige Geschichte sofort erzählen, Welling, auch Du Hedwig sollst sie hören. Ich hatte die Achnlichkcit gleich Anfangs hcraus- gesunden, aber erst dies Lied, das sie mir bei'm Abschied mit von Thränen erstickter Stimme zum letzten Male sang, gab mir Gewißheit."
Er erzählte nun den lauschenden jungen Leuten, die sich zu ihm gesetzt, die kurze Geschichte seiner Liebe und die lange seines Schmerzes und schloß mit den Worten: „Nie werde ich der Liebe eines meiner Kinder hindernd in den Weg treten, da sie dann eben so elend werden müßten, wie ich es geworden."
Welling wagte eS, bei diesen Worten einen Blick auf die Comtesse zu werfen, die tief errötend auf ihre Hände niedcrsah.
Sie trennten sich bald darauf, um die Ruche zu suchen, aber Keines konnte dieselbe so bald finden.
Am Vorabend des Geburtstages der Comtesse, sollten die wenigen Gerüste, die noch aufgeschlagen waren, abgcnommen und aus der Capelle entfernt werden, damit der alte Martin zeitig mit dem Ausschmücken beginnen könnte. Die Kränze hatte Lis- bcth schon angefertigt, wobei ihr Hörig glückselig die nötigen Handreichungen machte.
Welling's Rat mußte vorzüglich gewesen sein, Beider Gesichter glänzten in lauter Glückseligkeit und die eifrige Arbeit wurde durch die stürmischen Liebkosungen Hörig's wiederholt unterbrochen.
Welling weilte den ganzen Tag in der Capelle, um bei der Wegräumung zugegen zu sein, damir nichts verstoßen würde; auch Comtesse Hedwig hatte sich cingefnnden. „Um dabei zu sein, wenn der letzte Balken Hinausgeiragen wird," sagte sie zu Welling, in der That aber nur, um einige Stunden länger seine Gegenwart geniesen zu können. Sie war etwas bleich und die großen Augen blickten verschleiert und unendlich traurig drein.
Ein Mann stand oben auf dem Gerüst, um die Stricke zu lösen, welche die Balken zusammenhielten, während ein untenstehender Arbeiter dieselben in Empfang nahm und bei Seite legte. Sei es nun, daß ein Band zu frühe nachgegcben oder daß der Betreffende oben leichtsinnig gewesen, genug, man hörte einen Krach, zu gleicher Zeit einen Schrei, den Comtesse Hedwig auSgkstoßeu, und man sah Welling, von dem fallenden Balken getroffen, niederstürzen.
Der Schreck beraubte die Comtesse momentan jeder Fassung, daun eilte sie auf den jungen Mann zu, knieete neben ihm nieder, legte seinen bewußtlosen Kopf tn ihren Schoß und versuchte das nieverrieselnde Blut mit ihrem Taschentuch zu stillen, während sic den einen Arbeiter nach Wasser uud den Thäter, der entsetzt zugeschaut, nach ihrem Vater schickte.
Sie war nun allein mit dem geliebten Mann und konnte sich ganz ihrem Schmerze und ihrer Liebe überlassen. Mit einem Mal war es ihr klar geworden, daß sie ihn liebte aus innerster Seele; sie legte ihr von Thränen überströmtcs Gesicht an seine Schläfe und flüsterte süße Liebcsworte in sein Ohr. „Geliebter!, wache auf, öffne die Augen und sage mir, daß Du leben wirst für mich, die ja nicht ohne Dich sein kann," so jammerte sie. „Ernst, geliebter Mann, hörst Du mich nicht? Soll ich nie mehr Deine liebe Stimme vernehmen, soll Dein treues Auge mich nicht mehr anblicken ? Ach sie kommen noch nicht, er wird sich verbluten,
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wenn keine Hilfe kommt, und ich wage nicht, mich zu rühren, aus Furcht, ihm wehe zu thun."
Wo war ihre scheue Zurückhaltung? In der Angst um den Geliebten plauderte sie ihr ganzes süßes Geheimnis aus.
Und Welling? Hörte er nicht die leisen Worte, die ihrem lieblichen Munde entströmten? Plötzlich machte er eine Bewegung, griff nach seinem Kopfe, und da er eine weiche Haarlocke faßte, schlug er langsam die Augen auf, die erstaunt auf dem geliebten Mädchen haften blieben.
Also war cs Wirklichkeit, beseligende Wirklichkeit, daS süße Mädchen an seiner Seite hatte ihm Liebcsworte zugeflüstert: cs war kein Traum I
Diese Gewißheit brachte ihm rasch die nötigen Kräfte, so daß er den Kopf erheben und sich langsam aufrichten konnte, Lächelnd reichte er Comtesse Hedwig die Hand: „Es ist nicht so schlimm, Comtesse, der Balken hat mich nur heftig gestreift," und sich näher zu ihr hinbcugend, die noch immer am Boden kuieetc und mit verklärtem Gesicht sein Erwachen beobachtete fuhr er fort: „Hedwig, süße Hedwig, sage es mir noch einmal: das Geständnis, daß Du mich liebst, cs macht mich ja überglücklich."
Verschämt neigte sie daS Köpfchen ihm zu und wollte sprechen, doch der ungestüme Mann küßte ihr die Worte vom Munde weg. „Mein, mein! jubelte er immer wieder und drückte sie an seine stürmisch klopfende Vrnst.
Der Graf und Hörig, die zusammen am Unglücksorte eintrafen, waren höchst freudig überrascht, daß Welling so gut davon gekommen war; sorgsam leitete man den noch schwankenden nach dem Schlosse, woselbst Hedwig es sich nicht nehmen ließ, den Geliebten zu pflegen. Es war denn auch am folgenden Tage so weit hergestellt, daß er unbeschadet seiner Gesundheit der Feierlichkeit in der Capelle anwohnen und seiner Hedwig die Gratulation selbst überbringen konnte. Bei dieser Gelegenheit nahm er sich auch den Mut, dem Grafen seine Liebe zu offenbaren und ihn um die Hand der Comtesse zu bitten.
Graf v. Hohenfels lachte: „Ich habe eS längst kommen sehen, und um Dir, mein lieber Sohn, Mut zu machen, habe ich neulich Abends den Ausspruch gethan, keinem meiner Kinder bei der Wahl ihrer Lebensgefährten hinderlich zu sein. Werdet recht glücklich, meine teueren Kinder," sagte er bewegt „und gönnt mir nur ein kleines Plätzchen in Euerem Herzen, so lange, bis auch ich mit meiner teueren Hedwig für ewig vereint werde."
So wurde der gefürchtete Tag zum glücklichsten, den Welling je erlebt, und das alte Schloß hatte nach vielen Jahren noch die Freude, ein wirklich glückliches Brautpaar sich in seinen Räumen bewegen zu sehen. Ernst und Hedwig besuchten noch öfters die kleine Capelle, die Stätte, wo sie sich zuerst gesehen und dann auch für das Leben gefunden hatte». Dann mußte Hedwig aber doch dem Gatten in die Residenz folgen, wo Welling den Ruf eines berühmten Architekten und Künstler genoß und bald z» hohen Ehren gelangte. Aber in, Hochsommer ließ es sich freilich das junge Ehepaar nicht nehmen, gewöhnlich zwei Monate im Schlosse beim Grafen zu verbringen und sich mit ihm an der schönen Umgebung zu erfreuen.
— Ende. —-
Vermischtes.
.'. (Ein Neffe Vanderbilts.) Vor einem New-Aorker Gerichte klagte Mary Vanderbilt auf Scheidung von ihrem Manne, einem Neffen des berühmten hundertfachen Millionärs Vanderbilt. Der junge Herr halt seine Frau hungern und darben lassen, während er selbst das ihm von seiner Familie znkommende Geld verschwendete. Er gab die Thatsache zu, entschuldigte sich aber damit, daß seine reichen Verwandten ihn enterben würden, wenn sie von seiner Heirat erführen. Die bedauernswerte Frau, die sehr hübsch ist und ans einer achtbaren Familie stammt, mußte, während sie schwerkrank in einem ärmlichen „Boardinghouse" lag, ihre sämtlichen Kleider und Schmücksachen versetzen, um die notwendigsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Richter Larrelt gewährte der jungen Frau die Scheidung und bestimmte zugleich, daß ihr liebenswürdiger Gemahl ihr monatlich 100 Dollars zum Lebensunterhalt bezahlen müsse.
(Natürliche Folge.) »Herr Baron, der Sport verjüngt Sie offenbar." — „Ja, ich werde nächstens so jung dabei, daß man mich unter Kuratel stellen wird." _
«rnhard Holmann in Wldbad.