Die Beisetzimgsfeier in Berlin.
Dü' Traucrfeür i'.n Dome begann mit einem leisen Oracl- präludium, während sich die Traue,Versammlung eiufaud. Hieraus verliest ein Geistlicher Stelle,, aus Psalm 90 »nd Johann.s 1l, 25—26 Der Domchor sang: „Ick weiß daß mein Erlöser ledt." Hieraus wurde,, Stelle,, ans Psalm 9l, Thimolbeus 4, 7—8 verlese», schließend: „Selig sint die Toten, die in dem Herrn sterben von nun au." Der Dom-Chor respoudürt: „In dem ja der Geist spricht, daß sie ruhe» von ihrer Arbeit, denn ihre Werke folgen ihnen nach." Hierauf Eingangsgebct. Die Gemeinde singt: „Was Gott thut, das ist wohl gelhan." Dann folg! die Gedächtnisrede Kögels am Sarge, welcher der Dpt zu Grunde liegt: „Herr, nun lassest Du Deinen Diener im Frieden fahren; denn meine Augen haben Deinen Heiland gesehen." Lucas 2, 29—30. Schlußgcbet, Vastrunser; Gesang der Gemeinde: „Wenn ich einmal soll scheiden." Hierauf ans Graun's „Tod Jesu" von Mitgliedern der Singakademie vorgetragen: „Wie herrlich ist die neue Welt." Segensertcilnng dnrck Kögel um 12^ 4 Uhr. Draußen ertönen Jnfanteriesalven. Mit dem Gesänge „Heilig, heilig ist der Herr!" schließt die Domseür. — Draußen vom Lustgart n her rollten und krachten die Gewehrsalve», der ützte Gruß der Garden über den Sarg ihres Kaisers. Der Don, entleerte sich. Draußen harrten im weiten Umkreise Zehntansende dicht gedrängt des beginnenden Zuges. Zwölf Oberste» hoben den Sarg. Die Hofstaate» und die die Reichsinsignien tragenden Minister schritten voraus. Hinter dem Sarge schritt General v. Pape mit dem Reichspanicr. So wurde er durch das Hauptpvrlal getragen, von dessen Säulen und Giebel» mächtige Pechflammen loderten. Die Garden präsentierten. Dumpf dröhnten die Trommeln. Die langgezogene Töne der Trauermarsche erklangen. Der Sarg, bedeckt mit Ritterhclm, Sporen u. Schwert, wurde auf den schwarzen Leichenwagen gehoben. Ritter des schwarzen Adlcrvrdens ergrifsen das Leichentuch, Generale die schwarz- weißen Tragstangen des golddnrchwirktm Baldachins. Die Truppen rückten voraus. Die Dienerschaft, die Marschälle, die Page» folgten. Es schlossen sich an die Minister mit den Reichsinsignie», die obersten Hofchargen. Dann folgte der Leichenwagen. Hinter dem Sarge schritt ganz allein Kronprinz Wilhelm. Ihm folgten die Könige von Sachsen, Belgien und Rumänien, die Prinzen und Fürste», die Gesandtschaften, die Generäle, der lange Zug aller Behörden, der Parlamente. Zwei Bataillone bildeten den Schluß, so ging es langsamen Schritts über den Lustgarten, wo Tausende von Offizieren Spalier bildeten, die Linde» entlang, die pomphaft prächtige Trauerstraße. Die Häupter entblösten sich, sobald der Leichenwagen nahte. Die Pcchflammen lohten den ganzen Weg entlang. Der eisige Wind spielte mit de» Trancrsahnen. So verließ die Leiche des großen Kaisers seine Hauptstadt. An der SiegcSallee löste sich der Zug auf. Der Leichenwagen wurde nur noch von einer Schwadron Garde du Corps und den Hofchargen durch Spalier von Kavallerie und Infanterie, welche sich durch den ganzen Tiergarten bis Charlottenbnrg erstreckte, und durch viele Tausende, in dichten Reihe» stehende Zuschauer eskortiert. An der Grenze CharloitenburgS, am Zollhaus, wurde der Sarg von den Charlottenburger Stadtbehörden empfangen. Still und mit einem kurze» Segen Kögel's wurde die Leiche des Kaisers Wilhelm im Mousclum beigesetzt.
Rundschau.
— Stuttgart. Am letzten Donnerstag wurde hier der angebliche Aquati Celeste aus Cremona in Italien wegen Dieb- stahlsvcrdachts ststgcnommen, alö er im Begriffe war, eine goldene Uhr in einem Pfandhause hier zu versetzen. Bei der Durchsuchung seiner Kleider und seiner Effekten fanden sich 51 teils goldene, teils silberne neue Uhren, sowie mehrere goldene Ringe und eine größere Summe Geld, ein Glaserdiamant und ein scharf geladenen Revolver vor. Die Uhren sind zweifellos in Zürch mittels Einbruchs gestohlen worden, von wo ans eine diesbezügliche Anzeige hier eingelaufcn ist. Der Verdächtige hat sich den zwei Fahndern, welche ihn nach seiner Verhaftung zum Photographen z» führen hatten, in heftiger Weise widersetzt und einen Fluchtversuch gemacht, welcher aber mißlang. Bei dieser Widersetzung kam es zu einem heftigen Kampf zwischen den Fahndern, und dem Verhafteten, wobei letzterer eine riesige Kraft entwickelte, so daß die Fahnder nur mit .Hilfe von 3 in der Nähe befindlichen Kutschern, sowie 2 hinzugekommencn Schutzleuten den Verhafteten bändigen und schließen konnten. Hiebei ergriffen leider, svie gewöhnlich, unter dem Zuschauerpublikum einzelne Personen
Partei für den Arrestanten; sie wurden jedoch von den Kutschern die die Polizei unterstützten, in gebührender Weise zurechtgewicscn.
— Zum bleibenden Gedächtnis seines verewigten Hohen Chefs hat das zweite würtlembergische Infanterieregiment süp alle Zeiten den Name» Jnfant-rie-Negiment Kaiser Wilhelm, König von Preußen (2. Württembergisches) Nr. l20 beiznbchaltcn.
Cannstatt, 17. März. Ter 34jährige M> tzgermeistcr Wilh. Krauter hier verwundete sich im November v. I. unbedeutend an einem Finger; da er aber die Wunde vernachlässigte, so trat Blutvergiftung ein. Im tkalhrincnhospital in Stuttgart wurde ihm der Arm abgenomme», aber auch dies half nichts und am 16. März ist der Unglückliche nach unsagbaren Schmerzen daselbst gestorben.
Leonberg, 16. März. Heute Abend gegen 7 Uhr zog ein heftiges, mit starken Blitz- und Donnerschlägen und Sturm begleitetes Gewitter in östlicher Richtung über unsere Stadt hin.
Ohmden, OA Kirchhcim, 16. März. Ein hiesiger Bürger entdeckte dieser Tage laut T.-B- auf jenem Acker ca. 20 am unter der Oberfläche einige Geldstücke. Sofort suchte >r weiter nach und fand viele alte, zum gießen Teil auch jetzt noch gangbare Münzen : Napoleon 20-Fraukenslücke, 5-Frankenstücke, Kronenthaler, Thaler, Gulden u. s. w. Thatsachlich brachte er so viel Geld »ach Hause, als er tragen konnte. Nach oberflächlicher Schätzung ist der Gesamtwert ca 2000 M. Nach einer anderen Nachricht solle» es sogar 7—8000 ^ sein, die gefunden wurden.
Oberndorf, 16. März. Nachdem die Fluten des Neckars, der fast das ganze Thal überschwemmt hat, sich größtenteils verlaufen haben, ist im Laufe des heutigen Vormittags noch ein Kind von 5 Jahren in demselben ertrunken.
Göppingen, 18. März. In der Nacht vom Freitag zum Samstag gerieten zwei Gerbergesellen in einer hiesigen Wirtschaft in Streit miteinander, der zur Thätlichkeit ausartete. Da stach der eine dem ander» sein Messer in den Rücken, so daß die Klinge abbrach und stecken blieb. Der Verwundete wurde in das hiesige Krankenhaus verbracht. An seinem Aufkommen wird ge- zweifelt. — Der Maurer, dessen Verhaftung wir kürzlich berichteten, wurde wieder in Freiheit gesetzt, doch ist das Leben des von ihm verwundeten Gärtners immer noch nicht außer Gefahr.
Ulm, 17. März. Die U S. berichtet: Donnerstag abend kam der hochw. Bischof von Mainz, Dr. Hafsner, auf seiner Durchreise von Rom hier an und stieg im Hotel znm Kronprinz ab. Gestern früh las er in der Weiigcnkirche die hl. Messe, welcher viele Andächtige der hiesige» kath. Gemeinde beiwohnten. Nach derselben machte er seinen Verwandten, einer hiesigen Beamten- samilie, Besuch und kehrte um 10 Uhr mit dem Schnellzug über Stuttgart nach Mainz zurück.
Leipzig, 18. März. Vergangene Nacht wurden in der ganze» Stadt sozialistische Flugblätter verbreitet, lieber 20 Verbreiter wurden verhaftet.
Wien, 17. März. Der „Correspodcnce de l'Est zufolge finden fortgesetzt russische Truppen-Vorschübe nach dem Gonvernement Wolhynien statt, und ist daselbst bereits ein Teil der kaukasischen Truppen angekommen; durch diese Truppen-Transswrte sind sämmtliche Verkehrslinien derart in Anspruch genommen, daß die Frachtbcförderung gänzlich eingestellt wurde.
Paris, 18. März. Die Agitation zu Gunsten Boulanger's nimmt immer bedrohlichere Dimensionen an. Man verkennt in parlamentarischen Kreisen nicht die große Gefahr derselben. Die gesamte Presse erörtert die Frage mit besorgtem Ernst. Corncly schreibt heule im „Matin": „Ich erkläre auf Ehre und Gewissen, daß ich an die Zukunft Boulanger's glaube; ich glaube, daß er Diktator sein wird und daß nichts ihn daran verhindern kann."
— Nach Meldungen von der bulgarischen Grenze wird eine lebhafte Agitation unter der Geistlichkeit bemerkt. Der Erzpriester in Trn forderte von der Kanzel die Bevölkerung auf, de» für illegal erklärten Prinzen Ferdinand zu verjagen.
— Der „Corr. de l'Est" zufolge wird demnächst die Verlobung des Großfürsten Thronfolgers Nikolai mir der Prinzessin Militza, Tochter des Fürsten von Montenegro, stattfinden. Der Zar soll entschlossen sein, ein Gesetz zu geben, nach welchem die Thronfolger hinfort nur Prinzessinnen griechischorlhodoxen Glaubens heiraten dürfen. Die Auswahl unter den Prinzessinnen würde sich dann auf Rußland, Serbien, Rumänien, Montenegro und Griechenland beschränken.
— Die Censur in Riga hat den Zeitungen verboten, ihre Kaiser Wilhelm-Nekrologe mit Trauerrand zn versehen. Die Polizei hat die Trauer-Dekorationen in mehreren Kanflären urlerr sagt.